- 1. Historischer Kontext
- 1.1 Die Situation der Protestanten in Frankreich um 1685
- 1.2 Die Aufnahme französischer Protestanten in Territorien des Reichs
- 1.3 Die Situation in Hessen-Kassel und das Edikt von Kassel
- 1.4 Die Situation in Brandenburg-Preußen und das Edikt von Potsdam
- 1.5 Verbreitung, Umsetzung und Rezeption der Edikte
- 2. Unterzeichner und Unterhändler
- 2.1. Edikt von Kassel
- 2.1.1 Unterzeichner
- 2.1.2 Unterhändler
- 2.2. Edikt von Potsdam
- 2.2.1 Unterzeichner
- 2.2.2 Unterhändler
- 3. Inhalt
- 3.1 Edikt von Kassel
- 3.2 Edikt von Potsdam
- 4. Überlieferung und Textvorlage
- 4.1. Edikt von Kassel
- 4.1.1 Handschriften
- 4.1.2 Druck
- 4.1.3 Textvorlage
- 4.2. Edikt von Potsdam
- 4.2.1. Französischer Text
- 4.2.1.1 Handschriften
- 4.2.1.2 Drucke
- 4.2.2. Deutsche Übersetzung
- 4.2.2.1 Handschriften
- 4.2.2.2 Drucke
- 4.2.3 Zweisprachige Ausgaben
- 4.2.4. Textvorlage
- 4.2.4.1 Französischer Text
- 4.2.4.2 Deutsche Übersetzung
- 5. Literatur
- 5.1. Editionen
- 5.1.1 Edikt von Kassel
- 5.1.2. Edikt von Potsdam
- 5.1.2.1 Französischer Text
- 5.1.2.2 Deutsche Übersetzung
- 5.2 Forschungsliteratur (Auswahl)
Historischer Kontext↑
Die Situation der Protestanten in Frankreich um 1685
Die Edikte von Kassel und Potsdam richteten sich an protestantische Migranten aus Frankreich. Dort hatten die Protestanten nach einer Reihe von Religionskriegen 1598 mit dem Edikt von Nantes eine dauerhafte Duldung erreicht.2 Die ihnen zugestandenen Rechte wurden zwar bereits 1629 im Edikt von Nîmes wieder begrenzt, aber erst die Gesetzgebung Ludwigs XIV. ab 1656 schränkte ihre Religionsausübung empfindlich ein und verbot ihnen die Ausübung zahlreicher Ämter und Berufe. Ab 1681 wurden Soldaten in protestantischen Haushalten einquartiert (»Dragonnaden«3), die die Bewohner drangsalierten und zur Konversion zu nötigen versuchten.4
Die Religionspolitik Ludwigs XIV. kulminierte im Oktober 1685 im Edikt von Fontainebleau: Das Edikt von Nantes wurde aufgehoben; jede öffentliche Praxis des protestantischen Glaubens wurde verboten.5 Die Repressionen gegen Protestanten wurden im Folgenden weiter verschärft. Viele von ihnen konvertierten oder passten sich zumindest äußerlich an. Einige organisierten sich in einer Untergrundkirche (»église du désert«), die massiver staatlicher Verfolgung ausgesetzt war. Andere entschlossen sich, auszuwandern, obwohl das Edikt von Fontainebleau dies bei schwerer Strafe untersagte.6 Schon in den vorherigen Jahrzehnten waren aufgrund der zunehmenden Benachteiligung zahlreiche Protestanten emigriert. Insgesamt verließ ungefähr ein Fünftel bis ein Viertel der protestantischen Bevölkerung Frankreich.7
Die oft als »Hugenotten« bezeichneten8 Flüchtlinge begaben sich zunächst meist in protestantisch geprägte Nachbarländer wie die Niederlande, die Eidgenossenschaft oder England.9 Im Reich stellte Frankfurt am Main eine wichtige Drehscheibe dar.10 Viele reisten dann in andere Territorien des Reichs weiter, einige bis nach Dänemark, Russland, Irland oder Nordamerika.11 Bei der Wahl ihres neuen Ansiedlungsorts hatten sie oft erheblichen Entscheidungsspielraum: Bildung und handwerkliche Fähigkeiten vieler Hugenotten machten sie als Einwanderer attraktiv. Sie konnten daher die Bedingungen in verschiedenen Ländern vergleichen und sich dort niederlassen, wo sie die besten Möglichkeiten für sich sahen.12 Dank der Netzwerke, die sie untereinander und mit einflussreichen Persönlichkeiten bildeten, konnten sie teils sogar beeinflussen, welche Fürsten weitere »refugiés«13 aufnahmen und zu welchen Bedingungen.14
Die Aufnahme französischer Protestanten in Territorien des Reichs
In deutschen protestantischen Territorien wurden zahlreiche Migranten aus Frankreich aufgenommen. Die Absicht, verfolgte Glaubensgenossen zu unterstützen, verband sich dabei mit ökonomischen Interessen: Infolge des Dreißigjährigen Krieges hatten viele Territorien mit der wirtschaftlich-technischen Entwicklung in Ländern wie Frankreich nicht Schritt halten können. Von Hugenotten, die moderne Handwerkstechniken (z.B. im Bereich der Textilverarbeitung) beherrschten, erhofften sich die Landesherren eine Errichtung entsprechender Manufakturen. Diese Betriebe ermöglichten durch Aufteilung der Tätigkeiten in arbeitsteilig durchgeführte Einzelschritte erstmals eine Art Massenproduktion und galten als besonders zeitgemäß. Häufig wurde zugleich eine Erhöhung der Einwohnerzahlen (»Peuplierung«) angestrebt. Diese wurde in der zeitgenössischen merkantilistischen Wirtschaftstheorie allgemein als vorteilhaft angesehen; in manchen Territorien sollte sie auch konkret kriegsbedingte Bevölkerungsverluste ausgleichen.15
Viele protestantische Fürsten gewährten den Hugenotten Privilegien.16 In der Kurpfalz wurden ab den 1660er Jahren französische Kolonien17 errichtet und 1682 ein Aufnahmeedikt erlassen.18 Die dortigen Regelungen galten allerdings, wohl aus Rücksicht auf Frankreich, immer nur für konkrete Gruppen von Personen, die bereits in der Pfalz angelangt waren.19 Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg veröffentlichte im August 1684 ein Privileg, das um ausländische Manufakturisten warb und ihnen Handelsfreiheit sowie Steuererleichterungen zusicherte.20 Ab 1685 wurden dann diverse Privilegien erlassen, die sich an alle hugenottischen Einwanderer wandten: Von Brandenburg-Bayreuth über Hessen-Darmstadt bis nach Hannover und Hameln wurden solche Regelungen getroffen.21 Die größte Bedeutung erlangten das am 18. April 1685 für Hessen-Kassel erlassene Edikt von Kassel und das am 8. November 1685 für Brandenburg-Preußen erlassene Edikt von Potsdam.
Die Situation in Hessen-Kassel und das Edikt von Kassel
In Hessen-Kassel waren bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts niederländische, wallonische und englische Einwanderer aufgenommen worden. Der kurz zuvor zum Reformiertentum übergetretene Landgraf Moritz von Hessen unterstützte damit protestantische Flüchtlinge und siedelte gezielt Manufakturisten an, von denen er sich zugleich wirtschaftliche Modernisierung versprach.22 In einer Verordnung von 1604 sicherte er einwandernden Handwerkern Privilegien (Steuerfreiheit, Bürgerrecht, Aufnahme in die Zünfte) zu.23
Als die Protestanten in Frankreich ab den 1660er Jahren immer stärker unter Druck gerieten, bemühte sich Henri de Mirmand (ein wichtiger Organisator der Flüchtlingshilfe in der Eidgenossenschaft), Landgraf Karl von Hessen für die Aufnahme französischer Flüchtlinge zu gewinnen.24 Zur gleichen Zeit schloss Hessen-Kassel mit den in der »Wetterauer Grafenunion« verbundenen Grafen des Westerwaldes, der Wetterau und der Eifel ein Verteidigungsbündnis gegen Hegemonialbestrebungen der französischen Krone.25 Der französische Adlige Jean François de Paule, der im Auftrag des Herzogs von Sachsen-Gotha über einen Anschluss an dieses Bündnis verhandelte, schlug 1680 eine Etablierung von Kolonien französischer Protestanten in Hessen-Kassel vor. Der Landgraf diskutierte diesen Plan mit ihm, entschied sich aber gegen eine Umsetzung.26
1685 entschloss sich Landgraf Karl dann zum Erlass einer »Freiheitskonzession« - des Edikts von Kassel. Die Hintergründe sind unklar. Möglicherweise spielte der Geheime Rat Johann von Schlitz, genannt von Görtz, der später mit einwanderungswilligen Manufakturisten über Erweiterungen der Konzession verhandelte,27 schon hier eine Rolle. Denkbar ist auch, dass sich in Kassel ansässige Franzosen wie die Kaufmannsfamilie Grandidier oder der Hofarchitekt Paul du Ry für den Erlass des Edikts einsetzten.28 Allerdings vermied die im April 1685 - und damit noch vor dem Edikt von Fontainebleau - erlassene Freiheitskonzession jeden expliziten Bezug auf Frankreich: Wie im 1684 publizierten Edikt von Lüneburg29 lag der Schwerpunkt auf Privilegien für Manufakturisten. Der Kreis der Begünstigten wurde zwar auf Personen reformierten Glaubens beschränkt, nicht aber auf Einwanderer aus einem bestimmten Land.30 Insofern ist unklar, ob sich die Konzession überhaupt in erster Linie an französische Protestanten richtete.31 Im Folgenden machten aber vor allem diese davon Gebrauch.
Die Situation in Brandenburg-Preußen und das Edikt von Potsdam
Ab den 1650er Jahren wanderten französische Protestanten nach Brandenburg-Preußen ein. Kurfürst Friedrich Wilhelm förderte diese Entwicklung. Das war für den Kurfürsten, dessen Herrscherhaus 1613 zum Reformiertentum übergetreten war, zum einen ein Akt konfessioneller Solidarität. Zum anderen war er an einer Peuplierung des durch den Dreißigjährigen Krieg entvölkerten Landes und an einer Etablierung von Manufakturen interessiert.32 Möglicherweise erhoffte er sich von der Aufnahme zahlreicher Reformierter auch Rückhalt für seine Religionspolitik, die auf eine Stärkung des reformierten Elements in seinem Territorium sowie auf die Unterbindung konfessioneller Polemik zwischen der lutherischen Mehrheitskonfession der Untertanen und dem reformierten Bekenntnis des Herrscherhauses zielte.33 Er erließ Privilegien für verschiedene Einwanderergruppen34 und gewährte Hugenotten auf Antrag Bürgerrechte, Zunftrechte sowie Steuerbefreiungen.35 1684 wurden dem Adligen St. André umfassende Vergünstigungen für französische Manufakturisten zugesichert, die er für eine Ansiedlung in Brandenburg gewinnen sollte.36 Der Kurfürst sandte auch mehrmals den Prediger der französischen Kirchengemeinde in Berlin,37 Jacques Abbadie, in die Niederlande, der zusammen mit dem brandenburgischen Gesandten Friedrich Wilhelm von Diest dorthin gelangte »refugiés« anwerben sollte.38
Zugleich musste Friedrich Wilhelm allerdings politisch Rücksicht auf Ludwig XIV. nehmen, da Brandenburg seit 1667 mit Frankreich verbündet war.39 Daher fixierte er die Rechte, die einwandernden Hugenotten gewährt wurden, vorläufig nicht in einem öffentlichen Edikt.40 Auch als eine wallonische Synode den Kurfürsten 1684 bat, sich bei Ludwig XIV. für die verfolgten Protestanten einzusetzen, signalisierte Friedrich Wilhelm zwar Wohlwollen und ließ seinen Gesandten von Diest die Haltung der niederländischen Generalstaaten sondieren, entschloss sich aber letztlich nicht zu einem Eingreifen.41 Jedoch ließ er sich durch Diplomaten wie von Diest in Den Haag sowie Ezechiel von Spanheim und Johann Beeck in Paris laufend über die Entwicklung in Frankreich berichten und setzte sich wiederholt für einzelne auswanderungswillige Protestanten ein.42 Auf Betreiben der französischen Gemeinde in Berlin gestattete er im Oktober 1685 eine Hauskollekte zugunsten der immer zahlreicher werdenden Flüchtlinge.43
In zwei am 22. Oktober 1685 abgefassten Briefen berichteten dann von Spanheim und Beeck dem Kurfürsten über das Edikt von Fontainebleau.44 Fast gleichzeitig bat eine Gruppe französischer Einwanderer den Kurfürsten, mündlich zugesicherte Steuerbefreiungen in Form eines Edikts zu fixieren.45 Wenig später berichtete der französische Gesandte in Berlin, François de Rébenac, an Ludwig XIV., der Kurfürst habe unter Verweis auf die Situation der Protestanten in Frankreich seine Meinung über eine geplante Bündnisdeklaration geändert.46 In dieser Zeit, innerhalb weniger Tage Ende Oktober/Anfang November 1685, entstand der Text des Edikts von Potsdam. Der Verhandlungsablauf ist nicht genau rekonstruierbar;47 der Kurfürst beriet sich wohl mit seinen Geheimen Räten Joachim Ernst von Grumbkow und Paul von Fuchs.48 Der Geheime Kammersekretär Heinrich Rüdiger Ilgen fertigte ein Konzept an, das von Fuchs korrigiert wurde.49 Das am 8. November erlassene Edikt folgt weitgehend diesem Text.50
Verbreitung, Umsetzung und Rezeption der Edikte
Die brandenburgische Regierung versandte umgehend französisch- und deutschsprachige Exemplare des Edikts von Potsdam an ihre Regionalregierungen und Gesandten und instruierte diese detailliert über die Umsetzung.51 Durch zahlreiche Nachdrucke, die unter anderem die Generalstaaten sowie der brandenburgische Gesandte von Diest in den Niederlanden, der Resident Matthäus Merian in Frankfurt oder Jacques de Gaultier (der Bruder des brandenburgischen Hofpredigers Franҫois de Gaultier) in der Eidgenossenschaft veranlassten, wurde der Text verbreitet.52 Das Edikt von Kassel dagegen wurde nur in deutscher Sprache und in wenigen Exemplaren gedruckt.53 Jedoch war es dem französischen Protestanten Jean Feuquier bekannt, der am 27. Juli 1685 im Namen einwanderungswilliger Manufakturisten eine Erweiterung der Privilegien forderte. Der Geheime Rat von Görtz ging darauf ein,54 doch wurden erst die nochmals erweiterten »Concessions et Privileges« vom 12. Dezember 168555 in französischer Sprache gedruckt und verbreitet.56
Von den schätzungsweise 38.000-40.000 französischen Protestanten, die in das Reich einwanderten, begab sich knapp die Hälfte nach Brandenburg, etwa ein Zehntel nach Hessen-Kassel.57 Wie im Edikt von Potsdam vorgesehen,58 organisierten Gesandte in den Niederlanden, Frankfurt, Köln und Hamburg die Weiterreise der Flüchtlinge nach Brandenburg und die zugehörigen Territorien und Städte (u.a. Jülich, Kleve, Magdeburg, Preußen); Hessen-Kassel richtete nur vereinzelt Fuhrdienste ein.59 In beiden Territorien genossen Hugenotten Niederlassungsfreiheit, wenngleich in den Edikten bestimmte Orte zur Ansiedlung empfohlen wurden.60 In Hessen-Kassel waren diese Orte allerdings rasch überfüllt, so dass die Einwanderer über das Fürstentum verteilt wurden. Längerfristig wurden viele in eigenen Siedlungen (Carlsdorf, Mariendorf u.a.) und der neu errichteten Kasseler Neustadt untergebracht. In Brandenburg wurden sie teils in Abhängigkeit von Beruf und eigenen Wünschen an passende Orte gebracht, teils in separaten Kolonien angesiedelt.61 Mit der »Chancellerie française« in Hessen-Kassel und der »Französischen Colonie« in Brandenburg entstanden eigene Verwaltungsbehörden für die Zuwanderer.62
In Brandenburg-Preußen konnten die Einwanderer gemäß dem Edikt von Potsdam63 vielerorts eigene Kirchengemeinden gründen, deren Pfarrer von der Regierung besoldet wurden. Die größte und einflussreichste Gemeinde blieb diejenige in Berlin, die enge Beziehungen zum Hof unterhielt.64 Das Edikt von Kassel hatte vorgesehen, dass fremdsprachige Einwanderer eigene Gemeinden gründen dürften, aber die Pfarrer selbst besolden müssten.65 Letztlich übernahm aber auch in Hessen-Kassel der Landgraf die Finanzierung mehrerer Pfarrstellen und Kirchengebäude.66 In beiden Territorien bildeten die französischen Gemeinden analog zur Kirchenordnung in Frankreich Gremien aus Pfarrern und gewählten Ältesten (»consistoires«67), durch die sie sich nach innen selbst verwalteten. Die Oberaufsicht dagegen übernahmen landesherrliche Kirchenverwaltungsbehörden: in Hessen-Kassel das auch für deutsche Gemeinden zuständige geistliche Konsistorium, in Brandenburg-Preußen letztlich eine separate »Commission Ecclésiastique«.68 Darin bestand ein Unterschied zur Praxis in einigen lutherischen Territorien (z.B. Brandenburg-Bayreuth, Braunschweig-Lüneburg), wo analog zur Kirchenordnung in Frankreich übergemeindliche Synoden stattfanden (wenngleich sich die Landesherren die Genehmigung der Synodalbeschlüsse vorbehielten).69
Die mit den Edikten verbundenen wirtschaftspolitischen Erwartungen der Landesherren erfüllten sich nur teilweise. So befanden sich unter den Einwanderern unerwartet viele, teils mittellose Bauern. Das verursachte organisatorische Probleme, ermöglichte allerdings auch eine (Wieder-)Besiedlung brach liegender Höfe und Gegenden.70 Die besondere Förderung von Manufakturen brachte eine starke Reglementierung dieser Betriebe mit sich; zudem mangelte es vielen Firmen an Kapital. Ihre Produkte konnten qualitativ kaum mit ausländischen konkurrieren, fanden aber auch innerhalb des jeweiligen Territoriums kaum Absatzmärkte.71 Kleine Handwerksbetriebe hatten es wirtschaftlich oft leichter; die Befreiung von Zunftregeln sorgte allerdings für Konflikte mit den Zünften.72 Die örtliche Bevölkerung scheint sich nicht generell gegen die Fremden gewandt zu haben; Beschwerden betrafen eher konkrete Überlastungen.73
Die ambivalenten Erfahrungen ließen die Fürsten bei der Aufnahme von Flüchtlingen zurückhaltender werden. So verlängerte der Nachfolger Friedrich Wilhelms, Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, zwar 1696 die Privilegien des Edikts von Potsdam, weigerte sich aber ab 1692, weitere »refugiés« aufzunehmen. Erst als 1699 zahlreiche Flüchtlinge die Eidgenossenschaft verlassen mussten, ließ er sich umstimmen.74 Auch Karl von Hessen nahm ab 1699 weitere »refugiés« auf, versuchte aber gezielt solche auszuwählen, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könnten.75 Die Einwanderung in beide Territorien setzte sich in den folgenden Jahrzehnten fort.76 Wenngleich sich die Fürsten im 18. Jahrhundert zunehmend um eine Beseitigung des Sonderstatus der »refugiés« bemühten, wurden die im Kontext der Einwanderungsedikte entstandenen speziellen Verwaltungen erst Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelöst.77
Unterzeichner und Unterhändler↑
Edikt von Kassel
Unterzeichner
Als fürstliches Edikt ist das Dokument durch Karl von Hessen, Landgraf von Hessen-Kassel, unterzeichnet.
Unterhändler
Welche Personen neben dem Landgrafen selbst an der Entstehung des Edikts beteiligt waren, ist unklar. Vermutet wird ein Einfluss des Kammerpräsidenten und Geheimen Rats Johann von Schlitz, genannt von Görtz. Im Hintergrund könnten auch ortsansässige Franzosen wie der Hofarchitekt Paul du Ry und die Kaufmannsfamilie Grandidier eine Rolle gespielt haben.78
Edikt von Potsdam
Unterzeichner
Als fürstliches Edikt ist das Dokument durch Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg unterzeichnet.
Unterhändler
Aufgrund der fehlenden Aktenüberlieferung79 ist nicht eindeutig, welche Personen an der Entstehung des Edikts beteiligt waren. Wahrscheinlich wurden die Inhalte in Zusammenarbeit des Kurfürsten mit seinen Geheimen Räten Joachim Ernst von Grumbkow und Paul von Fuchs festgelegt; das Konzept ist in der Handschrift des Geheimen Kammersekretärs Heinrich Rüdiger Ilgen abgefasst und zeigt Korrekturen der Hand von Fuchs.80
Inhalt↑
Edikt von Kassel
Das als »Freyheits Concession und Begnadigung« bezeichnete Edikt enthält in 15 Artikeln die Rechte und Privilegien, die Karl von Hessen-Kassel einwandernden reformierten Manufakturisten erteilt.
Der Fürst nimmt alle Reformierten, die sich in seinen Landen niederlassen, in seinen Schutz. Nach Ablegung des Huldigungseids dürfen sie von niemandem vertrieben oder belästigt werden, müssen sich jedoch an das allgemeine Recht halten (Art. 1).
Die Einwanderer dürfen in diversen aufgelisteten Städten oder an anderen Orten Häuser und Bauplätze kaufen (Art. 2). Wenn sie die deutsche Sprache nicht beherrschen, können sie auf eigene Kosten eine Kirche bauen sowie Prediger und Lehrer anstellen. Diese Personen müssen jedoch vom Landesherrn oder dem landesherrlichen Konsistorium geprüft und approbiert werden sowie den Huldigungseid ablegen (Art. 3). Wenn die Zuwanderer ganze Ortschaften errichten wollen, werden ihnen auf Antrag Plätze angewiesen, an denen sie auf eigene Kosten bauen können (Art. 4). Streitigkeiten unter den Einwanderern sollen durch die Regierung, das Konsistorium oder örtliche Beamte gütlich beigelegt werden (Art. 5).
Manufakturinhaber und Kaufleute dürfen uneingeschränkt mit den in Manufakturen hergestellten Waren handeln, sollen sie jedoch zuerst innerhalb der Landgrafschaft und der zugehörigen Gebiete anbieten (Art. 6). Für außer Landes verkaufte Waren fällt der gewöhnliche Zoll an; im Inland verkaufte Waren sind zollfrei (Art. 8).
Zur Ausübung ihrer Handwerkstätigkeiten dürfen die Einwanderer Meister, Gesellen und Lehrlinge anstellen (Art. 7). Wenn sie für bestimmte Manufakturen Privilegien verlangen, wird der Fürst dies wohlwollend prüfen (Art. 10).
Um ihre Handwerkstätigkeit zu fördern, werden die Zuwanderer für die ersten zehn Jahre von allen Steuern, Diensten und sonstigen Belastungen befreit. Sie sollen lediglich die städtische Bürgersteuer und die Pflichtabgabe für Vieh entrichten. Neu gebaute Wohnhäuser und Werkstätten sind ebenfalls zehn Jahre lang von allen Abgaben befreit (Art. 9). Für steuerpflichtige persönliche Güter fallen hingegen die üblichen Abgaben an (Art. 11). Nach Ablauf der zehn Jahre kann der Fürst auf Antrag diese Befreiung verlängern (Art. 12). Möbel, Werkzeuge und andere Gegenstände, die Manufakturbesitzer und ihre Mitarbeiter für ihre Arbeit oder ihren Haushalt benötigen, sind bei der Einreise zollfrei (Art. 13). Beim Kauf von Lebensmitteln sollen Einwanderer und andere Bürger gleichberechtigt sein (Art. 14).
Der Landgraf nimmt alle, die Manufakturen und Handwerkstätigkeiten betreiben und sich dazu in seinen Landen niederlassen wollen, in seinen besonderen Schutz (Art. 15).
Edikt von Potsdam
In der Vorrede erklärt Friedrich Wilhelm von Brandenburg, verfolgten französischen Reformierten in seinen Landen Zuflucht und besondere Rechte gewähren zu wollen.
Der Hauptteil enthält in 14 Artikeln diese Rechte und Privilegien:
Die diplomatischen Vertreter Brandenburgs in Amsterdam, in Hamburg und bei den niederländischen Generalstaaten verschaffen französischen Reformierten, die in die Lande Friedrich Wilhelms gelangen wollen, Transportmittel und alles, was sie sonst benötigen (Art. 1). Bei Reformierten aus Südfrankreich, die auf direktem Weg reisen, sorgen brandenburgische Vertreter in Frankfurt und Köln für den Transport ins Herzogtum Kleve. Die dortige Regierung unterstützt die Flüchtlinge bei der Niederlassung in Kleve und in der Grafschaft Mark oder der Weiterreise in andere brandenburgische Territorien (Art. 2).
Die Einwanderer dürfen sich an beliebigen Orten niederlassen; einige Städte werden besonders empfohlen (Art. 3). Gegenstände und Waren, die sie bei der Einreise mit sich führen, sind zollfrei (Art. 4). Verfallene Häuser werden ihnen als Eigentum überlassen und von Hypotheken befreit; die bisherigen Besitzer werden entschädigt. Zur Instandsetzung erforderliche Materialien werden bereitgestellt. Die neuen Eigentümer müssen sechs Jahre lang außer der üblichen Verbrauchssteuer keine Abgaben bezahlen (Art. 5). Auch brachliegende Grundstücke werden eintreffenden Reformierten als Eigentum überschrieben und von allen finanziellen Lasten befreit. Baumaterialien werden zur Verfügung gestellt; die Besitzer solcher neu erbauten Häuser müssen zehn Jahre lang nur die Verbrauchssteuer zahlen (Art. 6).
Wenn sich französische Reformierte an einem Ort niederlassen, erhalten sie unentgeltlich Bürger- und Zunftrechte und sind anderen Untertanen rechtlich gleichgestellt. Es wird keine Fremdensteuer erhoben (Art. 7). Die Einwanderer jedes Orts dürfen eine Person wählen, die interne Streitigkeiten schlichtet. Auf diesem Wege nicht beigelegte Konflikte sowie Streitigkeiten zwischen Einwanderern und Einheimischen werden in Zusammenarbeit zwischen dieser Schiedsperson und der örtlichen Verwaltung entschieden (Art. 10).
In jeder Stadt wird der Kurfürst für die Einwanderer einen eigenen Prediger bestellen und einen Ort festlegen, an dem reformierte Gottesdienste in französischer Sprache und der bisher in Frankreich üblichen Form gehalten werden (Art. 11).
Einwanderer, die Manufakturen einrichten wollen, werden mit Geld und anderen Notwendigkeiten unterstützt und erhalten Privilegien (Art. 8). Denjenigen, die Landwirtschaft betreiben wollen, wird ein Stück Land zugewiesen und alles Notwendige zur Verfügung gestellt (Art. 9). Französische Adlige können alle Ämter bekleiden, für die sie geeignet sind. Sie genießen die gleichen Rechte wie andere adlige Untertanen (Art. 12).
Alle genannten Privilegien sollen nicht nur künftigen Einwanderern zugute kommen, sondern auch bereits eingetroffenen Reformierten aus Frankreich, nicht jedoch Katholiken (Art. 13). In allen seinen Territorien will der Kurfürst Kommissare bestellen, die als Ansprechpartner für die Einwanderer fungieren sowie dafür sorgen, dass diese von den Privilegien Gebrauch machen können und ihnen kein Unrecht zugefügt wird (Art. 14).
Überlieferung und Textvorlage↑
Edikt von Kassel
Handschriften
In den einschlägigen Archiven sind keine Handschriften des Edikts überliefert.81
Druck
-
Freyheits Conceſſion || und Begnadigung / || Welche || Der
Durchleuchtigſte Fuͤrſt und Herr / || Herꝛ CARL / || Landgraff zu Heſſen /
Fuͤrſt || zu Herßfeld / Graff zu Catzenelnbogen / || Dietz /
Ziegenhain / Nidda und Schaumburg ꝛc. || denen jenigen / welche ſich
in dero Fuͤrstenthume / || Graff- und Herꝛſchafften
niederlaſſen / und ſolche Ma-||nufacturen / ſo biß dahero in dero Landen
nicht ge-||trieben worden / oder auch andere nutzliche Hand-||Arbeit
entweder ſelbſt machen / oder welche die Ar-||beit verlegen wollen / alß da
sind Kauff und- Han-||dels-Leute / und wer ſonſt darzu erfor-||dert wird /
gnaͤdigſt ertheilen || wollen.
Kassel: Salomon Kürßner 1685, 2 Bl., 2° (VD17 7:708915A).
Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign. 4 J STAT II, 6681:1,1 (88) [Digitalisat]
Textvorlage
Der Edition liegt der genannte Druck zugrunde. Es handelt sich um den bislang einzigen bekannten Druck des Jahres 1685. Zumal dieser vom fürstlich hessischen Buchdrucker Salomon Kürßner stammt,82 stellt er höchstwahrscheinlich die editio princeps dar.
Edikt von Potsdam83
Ausweislich des überlieferten Konzepts wurde der Text ursprünglich in französischer Sprache abgefasst.84 Neben Ausgaben in französischer (Abschnitt 4.2.1) und deutscher Sprache (4.2.2) liegen diverse zweisprachige Ausgaben (4.2.3) vor.85
Französischer Text
Handschriften
- 1) Berlin, GStA PK, I. HA Rep. 122 6a Nr. 1 Vol. I, fol.
13r-21r (Konzept).
- 2) Fischer, Kolonie, vor S. 25 (Foto einer
Urkunde aus dem Geheimen Staatsarchiv Berlin, laut Fischer
Originalausfertigung).86
Drucke
- 1) EDIT || De Sa Serenité Electorale de Brandebourg, || Qui expoſe || Tous les Droits, Franchiſes &
Privileges que Sa dite || Serenité Electorale accordera aux
François de la || Religion Reformée, qui viendront
s’etablir || dans ſes Etats. || donné â
Potsdam le 29. d’Octobr. 1685. ||
[o.O.: o.Dr. o.J.], 4 Bl., 4° (VD17 1:041628F)
Benutztes Exemplar: Berlin, SBB PK, Sign. Gr 3506-5 [Digitalisat]. - 2) EDIT || De Sa Serenité Electorale de Brandebourg || Qui expoſe || Tous les Droits, Franchiſes &
Privileges que Sa dite Se-||renité Electorale accordera aux
François de la Religion Reformée, || qui viendront
s’etablir dans ſes Etats. Donné â
Potſdam le 29. d’Octobre 1685. || [...] ||
[o.O.: o.Dr. o.J.], 2 Bl., 2°.
Benutztes Exemplar: Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, Sign. Pflt 12298 [Digitalisat]. - 3) EDIT || De Sa Serenité Electorale de || Brandebourg, || Qui expoſe Tous les Droits, Franchiſes &
Privileges que || Sadite Serenité Electorale accordera aux
François de || la Religion Reformée, qui viendront
s’etablir || dans ſes Eſtats. || Donné
à Poſtdam [!] le 29 d’Octobre 1685.
Den Haag: Jacobus Scheltus 1685, 4 Bl., 4°.
Benutztes Exemplar: Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, Sign. Pflt 12296 [Digitalisat]. - 4) EDIT || De Sa Serenité Electorale de
|| Brandebourg, || Qui expoſe || Tous les Droits, Franchiſes & Privileges que
|| Sa dite Serenité Electorale accordera aux
François de || la Religion
Reformée, qui viendront s’etablir || dans ſes Etats. || donné â Potsdam le 29. d’
Octobr. 1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 4 Bl., 4°.
Benutztes Exemplar: Marburg, HStA, Sign. Slg 15 Nr. 332/6. - 5) EDIT || De Sa Senerité [!] Electorale
de || Brandebourg, || Qui expoſe || Tous les Droits, Franchiſes & Privileges que
Sadite || Senerité Electorale accordera aux
François de la Religion || Reformée, qui viendront
s’etablir dans ſes || Eſtats. || Donné â Poſtdam [!] le
29. d’ Octobre 1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 4 Bl., 4°.
Benutztes Exemplar: Marburg, HStA, Sign. 5/9690, Bl. 23r-26v.
Deutsche Übersetzung
Handschriften
Obwohl eine der vorliegenden Übersetzungen vermutlich in zeitlicher Nähe zum französischen Text im Umfeld des brandenburgischen Hofes entstand,87 ist keine Handschrift davon überliefert.
Drucke
- 1) Chur-Brandenburgisches || EDICT, || Betreffend || Diejenige Rechte
/ Privilegia und andere || Wolthaten / welche
Se. Churf. Durchl. zu Bran-||denburg denen Evangelisch-Reformirten
Frantzoͤ-||ſiſcher Nation ſo ſich in
Jhren Landen nieder-||laſſen werden daſelbst zu verſtatten
gnaͤ-||digſt entſchloſſen seyn. || Geben zu Potſtam / den 29. Octob. 1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 6 Bl., 4° (VD17 1:041626R).
Benutztes Exemplar: Berlin, SBB PK, Sign. Gr 3506-4 [Digitalisat]. - 2) Chur-Fuͤrſtlich-Brandenburgiſches || EDICT, || worinnen
enthalten || Alle Berechtigungen / Freyheit- und Privi-||legien, welche Jhro Chur-Fuͤrſtl. Durchl.
denen-|| der Reformirten Religion zugethanen Frantzosen / || ſo ſich in dero Landen
niederlaſſen wollen / || zu goͤnnen verſprochen. || Geben
Potsdam den 29. Octob. 1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 4 Bl., 4° (VD17 155:700928V).
Benutztes Exemplar: Regensburg, Staatliche Bibliothek, Sign. 4 Hist. pol. 541(14) [Digitalisat]. - 3) Chur-Fuͤrſtlich-Brandenburgiſches || EDICT || worinnen
enthalten || Alle Berechtigungen / Freyheit- und Privi-||legien, welche Jhro Chur-Fuͤrſtl. Durchl.
denen-|| der Reformirten Religion zugethanen Frantzosen / || ſo ſich in dero Landen
niederlaſſen wollen / || zu goͤnnen verſprochen. || Geben
Potsdam den 29. Octob. 1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 4 Bl., 4° (VD17 12:204433T).
Benutztes Exemplar: München, BSB, Sign. Res 4 Eur. 378,30 [Digitalisat]. - 4) Chur-Fuͤrſtlich-Brandenburgiſches || EDICT || worinnen
enthalten || Alle Berechtigungen / Freyheit- und Privi-||legien, welche Jhro Chur-Fuͤrſtl. Durchl.
denen-|| der Reformirten Religion zugethanen Frantzosen / || ſo ſich in dero Landen
niederlaſſen wollen / || zu goͤnnen verſprochen. || Geben
Potsdam den 29. Octob. 1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 4 Bl., 4°.
Benutztes Exemplar: Marburg, HStA, Sign. 5/9690, Bl. 19r-22v.
Zweisprachige Ausgaben88
- 1) Chur-Brandenburgisches || EDICT, || Betreffend || Diejenige Rechte /
|| PRIVILEGIA || und andere Wolthaten / welche Se. Churfuͤrſtl. ||
Durchl. zu Brandenburg denen Evangelisch-Refor-||mirten
Frantzoͤſiſcher Nation, ſo ſich in Jhren
Landen || niederlaſſen werden / daſelbst zu verſtatten gnaͤdigſt
|| entſchloſſen seyn. || Geben zu Potſtam / den 29.
Octob. 1685. || EDIT || De Sa Serenite
Electorale de || Brandebourg, || Qvi expose ||
Tous les Droits, Franchises & Privi-||leges que Sa dite Serenite
Electorale accordera || aux François de la religion Reformee, qui
|| viendront s’etablir dans ses Etats. || donne
â Potsdam le 29. d’ Octobr. 1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 10 Bl., 4° (VD17 1:018353S).
Benutztes Exemplar: Berlin, SBB PK, Sign. 4 in: Gr 3502 [Digitalisat]. - 2) ÉDIT || DE || SA SERENITE ELECTORALE || DE || BRANDEBOURG, || Qui expoſe, || Tous les Droits,
Franchiſes & Priuileges que Sa dite Serenité Electorale ||
accordera aux François de la Religion Reformée, || qui viendront
s’etablir dans les Etats. || Donne à Potsdam le
29 d’Octobr. 1685. || Brandenburgisch || Edict ||
Erklaͤrend || Alle die Gnaden / Befreyungen und Freyheiten / ||
welche Jhre Churfuͤrſtl. Durchl. zu Brandeburg der
Franzoͤſiſchen || Nation ſo der Reformirten Religion zugethan /
und ſich in || dero Landen niederzulaſſen geſinnet ſeynd / || ertheilen
wollen. || Geben zu Potzdam den 29. Octobr. 1685.
Offenbach: Bonaventura Launoy 1685, 11 S., 4° (VD17 3:304956H)
Benutztes Exemplar: Darmstadt, ULB, Sign. Gü 1704-12 [Digitalisat]. - 3) EDIT || De Sa Serenité Electorale de || Brandebourg, || Qui expoſe || Tous les Droits, Franchiſes &
Privileges que Sa dite Serenite Electo-||rale accordera aux François
de la Religion Reformée, qui || Viendront S’etablir dans ſes || Etats. ||
Donné a Potsdam le 29 d’ Octobr. 1685. || Seiner Churfuͤrſtl: Durchl: || Zu || Brandenburg ||
Gnaͤdigſtes Edict / || Darin kund gethan und erklaͤret
werden alle Rechte / || Freyheiten / und Privilegien, welche hochgedachte
Sr. Chur-Fuͤrſtl. || Durchl. gnaͤdigſt zuſtehen und
verſtatten denen Reformirten || Frantzoͤſcher [!] Nation / welche
in dero Laͤnder / Hertzog || und Fuͤrſten-thuͤmern
zu wohnen || ankommen werden. || gegeben Potsdam den 29. October. ||
1685.
[o.O.: o.Dr. o.J.], 8 Bl., 4° (VD17 23:302432D)
Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign. Gm 691(2) [Digitalisat].
Textvorlage
Französischer Text
Druck 1 liegt der Edition zugrunde. Die handschriftliche Überlieferung wird in der vorliegenden Edition bercksichtigt, indem die Edition bei Grieshammer, Studien, S. 36-38, kollationiert wird.
Alle französisch- und zweisprachigen Drucke bieten den gleichen Text. Bei Druck 1 handelt es sich wohl um die im Auftrag des brandenburgischen Hofes bei der Witwe des Hofbuchdruckers Georg Schultze in Berlin gedruckte89 editio princeps: Er stimmt in Typen, Papier, Satzspiegel und Format mit dem in den offiziellen Akten überlieferten deutschen Druck 1 überein.90 Der französische Text des zweisprachigen Drucks A entspricht Druck 1 zwar abgesehen von den Akzenten so exakt, dass ein enger Zusammenhang zwischen beiden Ausgaben anzunehmen ist.91 Dass bei Abweichungen zwischen 1 und A die anderen Drucke mehrheitlich mit 1 gehen,92 spricht aber dafür, dass 1 den offiziellen Erstdruck darstellt, der von der brandenburgischen Regierung verschickt und dann vielfach nachgedruckt wurde.93 Die Existenz verschiedener deutscher Übersetzungen94 erklärt sich ebenfalls leichter, wenn das Edikt zuerst in Form des französischen Drucks 1 bzw. in beiden Sprachen getrennt verbreitet wurde, nicht durch den zweisprachigen Druck A.
Die übrigen Drucke basieren wohl überwiegend unabhängig voneinander auf 1: Druck 4 folgt 1 bis in Orthographie und Zeichensetzung hinein äußerst exakt. Druck 2, B und C weisen gegenüber 1 jeweils unterschiedliche kleinere Varianten auf. Bei den unfirmierten Drucken 2 und C sind die Abweichungen jeweils gering. Der von Bonaventura Launoy in Offenbach95 besorgte Druck B hingegen bietet nicht nur sprachliche Varianten sowie eine für das Französische ungewöhnliche Großschreibung von Substantiven, sondern auch abweichende Begrifflichkeiten, Wortauslassungen und fehlerhafte geographische Bezeichnungen.96 Der in Den Haag bei Jacobus Scheltus entstandene Druck 3 und der unfirmierte Druck 5 weichen von Druck 1 ebenfalls nur geringfügig ab, sind einander aber bis in Umbruch, Drucktypen und vereinzelte Schreibfehler hinein so ähnlich, dass eine Entstehung im gleichen Druckerumfeld anzunehmen ist.
Deutsche Übersetzung
Druck 1 liegt der Edition zugrunde. Die vorhandenen Ausgaben überliefern vier unterschiedliche Textfassungen, die offenbar unabhängig voneinander aus dem Französischen übersetzt worden sind. Bei dem von Druck 1 und A gebotenen Text handelt es sich wahrscheinlich um die ursprüngliche, im Auftrag des brandenburgischen Hofs entstandene Übersetzung, wobei 1 die bei der Witwe Georg Schultzes in Berlin publizierte97 editio princeps darstellt: Zwei Exemplare von Druck 1 sind in den brandenburgischen Akten überliefert,98 ein weiteres in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin.99 Der deutsche Text des zweisprachigen Drucks A entspricht weitgehend Druck 1.100 Einige Varianten legen aber nahe, dass eher A von 1 abhängig ist als umgekehrt.101
Während die von 1 und A gebotene Textfassung sich durch Verwendung französischer Lehnwörter (»zu ihrem établissement erwählen«, »ihr domicilium constituiren« u.ä.) auszeichnet, bietet die Übersetzung, die im von Bonaventura Launoy in Offenbach besorgten Druck B überliefert ist, weniger derartige Lehnwörter, entspricht aber teils genauer dem französischen Wortlaut.102 Letzteres gilt auch für die wiederum eigenständige Übersetzung im unfirmierten Druck C, die weniger kanzleisprachlich, aber recht präzise wirkt. Die vierte, in den unfirmierten Drucken 2, 3 und 4 überlieferte Übersetzung103 formuliert deutlich ungenauer und enthält diverse Schreibfehler. Druck 2, 3 und 4 sind einander so ähnlich, dass es sich wohl um drei Varianten einer Ausgabe handelt.
Literatur↑
Editionen
Edikt von Kassel
- Hessische
Landesordnungen 3, S. 289f. (nach dem Druck).104
Edikt von Potsdam
Französischer Text
- 1) Grieshammer, Studien,
S. 36-38 (nach dem handschriftlichen Konzept).
- 2) Kiefner, Privilegien,
S. 366-379 (Faksimile von Druck A mit Notierung der
Abweichungen von Druck 2, 5 und weiteren Drucken).
Deutsche Übersetzung
- 1) Kohnke, Edikt, S. 271-275 (nach Druck
1).
- 2) Kiefner, Privilegien,
S. 366-379 (Faksimile von Druck A mit Notierung der
Abweichungen von Druck 1 und 4).
Forschungsliteratur (Auswahl)
- Asche, Matthias, Neusiedler im verheerten Land. Kriegsfolgenbewältigung, Migrationssteuerung und Konfessionspolitik im Zeichen des Landeswiederaufbaus. Die Mark Brandenburg nach den Kriegen des 17. Jahrhunderts, Münster 2006.
- Kadell, Franz-Anton, Die Hugenotten in Hessen-Kassel, Darmstadt / Marburg 1980 (QFHG 40).
- Kohnke, Meta, Das Edikt von Potsdam. Zu seiner Entstehung, Verbreitung und Überlieferung, in: JbGF 9 (1985), S. 241-275.
- Niggemann, Ulrich, Immigrationspolitik zwischen Konflikt und Konsens. Die Hugenottenansiedlung in Deutschland und England (1681-1697), Köln / Weimar / Wien 2008 (Norm und Struktur 33).
- Schunka, Alexander, Die Hugenotten. Geschichte, Religion, Kultur, München 2019.
Vollständige Bibliographie
Fußnoten
Anm.: Hofprediger in Brandenburg-Preußen
Anm.: seigneur de Sardan, vicomte de la Houssaye, um 1680 in Hessen-Kassel
Anm.: französischer Adliger, 1684 durch Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg mit der Anwerbung französischer Manufakturisten betraut
Anm.: Prediger der französisch-reformierten Gemeinde in Berlin
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Anm.: Brandenburgischer Diplomat, Gesandter bei den niederländischen Generalstaaten
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Anm.: Gesandter Kurfürst Friedrich Wilhelms I. von Brandenburg in Frankreich
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Anm.: Agent Kurfürst Friedrich Wilhelms I. von Brandenburg in Paris
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Anm.: Geheimer Rat Kurfürst Friedrich Wilhelms I. von Brandenburg
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Anm.: Geheimer Rat Kurfürst Friedrich Wilhelms I. von Brandenburg
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Anm.: Kammersekretär Kurfürst Friedrich Wilhelms I. von Brandenburg
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Anm.: der Jüngere. Künstler, Verleger und brandenburgischer Rat
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Anm.: verhandelte 1685 im Namen einer Gruppe potentieller Einwanderer aus Frankreich mit der Regierung von Hessen-Kassel
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