- 1. Historischer Kontext
- 1.1 Die Vorgeschichte bis zum Beginn der Verhandlungen in Passau
- 1.2 Die Aushandlung der Passauer Abrede
- 1.3 Die Überarbeitung der Passauer Abrede zum Passauer Vertrag
- 1.4 Die Annahme, Ausfertigung und Bedeutung des Passauer Vertrags
- 2. Unterzeichner und Unterhändler
- 2.1 Unterzeichner
- 2.2 Unterhändler
- 3 Inhalt
- 4. Überlieferung und Textvorlage
- 4.1 Handschriften
- 4.2 Drucke
- 4.3 Textvorlage
- 5. Literatur
- 5.1 Editionen
- 5.2 Forschungsliteratur (Auswahl)
Historischer Kontext↑
Die Vorgeschichte bis zum Beginn der Verhandlungen in Passau
Der Sieg Kaiser über den französischen König sowie der Waffenstillstand mit dem waren wichtige außenpolitische
Voraussetzungen dafür, dass es 1547
gelang, den Schmalkaldischen Bund, einen Zusammenschluss evangelischer Reichsfürsten und
-städte, im Schmalkaldischen Krieg (1546-1547) zu besiegen.1
, einer
der Führer des Bundes, wurde vom gefangen
genommen. Er musste die Kurwürde und einen Großteil seiner Länder an seinen Vetter abtreten, der während des
Krieges auf die Seite des übergewechselt
war.2 Der zweite Führer des Bundes,
Landgraf , wurde nach seiner
Kapitulation in ebenfalls verhaftet, obgleich und Kurfürst dem garantiert hatten, dass er keine Gefangenschaft zu
befürchten habe.3 Die Gefangennahme und jahrelange
Haft der beiden Reichsfürsten wurden als Affront des gegenüber dem Fürstenstand bewertet.4
Nach seinem Sieg versuchte auf dem
sog. »geharnischten« Reichstag von 1548
seine Stellung als Reichsoberhaupt auszubauen. Er konnte sich jedoch nicht gegen die
ständische Opposition durchsetzen.5 In der Religionsfrage erließ
der auf dem Reichstag 1548 das Augsburger Interim,
eine von altgläubigen Positionen geprägte Übergangsregelung, die bis zu der angestrebten
Wiederherstellung der religiösen Einheit für die evangelischen Stände gelten sollte.6 Diese Wiederherstellung schien allerdings in
weite Ferne gerückt, weil das Trienter Konzil (1545–1563) – von dem sich die Altgläubigen eine
solche Vereinigung erhofften – bereits 1547 unter dem Eindruck des Schmalkaldischen Krieges
von nach und damit in den Kirchenstaat verlegt worden war. Da die Evangelischen eine
Konzilsteilnahme, zumal außerhalb des , verweigerten, fiel das Generalkonzil als Mittel der Wiederherstellung
der religiösen Einheit im
weg.7
Die kaiserliche Interimspolitik stieß auf breiten Widerstand.8 Im
formierte sich nach und nach eine politische Opposition gegen den , welche sich gegen kaiserliche Eingriffe in die Religion und in die
ständische Libertät wandte.9 Als einen
solchen Eingriff empfanden die Stände auch die kaiserlichen Pläne, dass auf König , den Bruder, Stellvertreter und gewählten
Nachfolger des im , der Sohn , , folgen
sollte.10
Für den weiteren Ereignisverlauf entscheidend war, dass der neugekürte Kurfürst eine zweigleisige Politik zu
verfolgen begann: Nach außen demonstrierte er weiterhin seine Nähe zum , als er 1550/1551 für diesen die zur Durchsetzung des Interims
verhängte Reichsacht gegen die Stadt
exekutierte. Allerdings erreichte er, dass der Stadt bei der kampflosen Übergabe günstige
Konditionen gewährt wurden. Im Verlauf der Belagerung nutzte er vor allem die Gelegenheit, um
Truppen unter seiner Führung zu sammeln, die er in einem Krieg gegen einzusetzen plante.11
trat zudem in ein
antikaiserliches Bündnis ein (Torgauer Vertrag, 22. Mai 1551), dem und angehörten.12 Auch Markgraf sagte seine Hilfe zu, falls es zu einer Aktion gegen den Kaiser kommen sollte.13 Den verbündeten Fürsten gelang es zudem im
Vertrag von (15. Januar 1552), die
Unterstützung des französischen Königs zu gewinnen.14 Ende März 1552 schloss sich auch Pfalzgraf den Verbündeten an.15
Im März 1552 begann der Kriegszug der verbündeten Fürsten gegen den .16 Dieser wurde von dem Kriegszug überrascht,
obwohl er im Verlauf des Winters 1551/1552 vielfach vor einem antikaiserlichen Bündnis gewarnt
worden war.17 Die verbündeten Fürsten erzielten
schnelle Erfolge und erzwangen nach der Eroberung der Ehrenberger Klause (19. Mai 1552)
mit ihrem Zug auf , dass sich der mit einem Großteil des Hofs nach zurückziehen musste.18 Der war geschwächt, weil er nun an mehreren Fronten Krieg führte: In
und sowie im Mittelmeerraum waren wieder
Kämpfe gegen den osmanischen Sultan
aufgeflammt. Der Krieg gegen den
war in und den ausgebrochen. Parallel zum Zug der verbündeten Fürsten
rückte zudem der in ein.19
Im versuchten die
verbündeten Fürsten seit Kriegsbeginn erfolglos durch publizierte Schreiben weitere
Reichsstände für ihre Seite zu gewinnen.20 Noch während die Kriegshandlungen andauerten,
bemühten sich die neutral gebliebenen Kurfürsten und einige weitere Fürsten um Vermittlung
zwischen dem , den verbündeten Fürsten und der (Wormser Konvent,
1.-10. Mai 1552).21
Davon unabhängig trafen und König ab dem
19. April 1552 zu Verhandlungen in
zusammen.22 In schien aber nur ein Partikularfrieden zwischen den verbündeten Fürsten und dem
denkbar, während eine übergreifende, reichsrechtlich verbindliche Regelung
der Religions- und Friedensfrage unter Einbeziehung zentraler Reichsstände erreichen
wollte.23 Daher enthielt der Linzer Abschied (1. Mai 1552) die
Einladung an alle Kurfürsten und bedeutenderen geistlichen und weltlichen Fürsten, als
Vermittler am 26. Mai zu weiteren Verhandlungen nach zu kommen.24
Die Aushandlung der Passauer Abrede
In handelten ab dem 1. Juni vier verschiedene Fraktionen die sogenannte Passauer Abrede aus, die als Grundlage für den Passauer Vertrag diente: vertrat die verbündeten Fürsten,25 die kaiserlichen Räte und waren als Gesandte anwesend.26 trat als ranghöchster überparteilicher Vermittler auf.27 Ebenfalls als Vermittler nahmen die Kurfürsten von , , , und sowie bedeutendere geistliche und weltliche Fürsten, persönlich oder durch Gesandte vertreten, teil.28 Zwar war auch der französische Orator (Gesandte) , Bischof von , in erschienen, doch konnte er keinen Einfluss auf die Verhandlungen nehmen.29
Zu Verhandlungsbeginn erläuterte seine Forderungen und legte eine Liste von Beschwerdepunkten vor: Neben der Freilassung des forderte er die Beseitigung derjenigen Gravamina, welche der ständischen Libertät entgegenstanden. Außerdem wurde ein Frieden mit der und die Aussöhnung des mit seinen Gegnern im Schmalkaldischen Krieg und Fürstenkrieg angestrebt. In der Religionsfrage verlangte , dass die Augsburger Konfessionsverwandten anerkannt, in einen allgemeinen Reichsfrieden einbezogen und in das Reichsrecht eingebunden würden.30 Als Grundlage hierfür sollte der Speyrer Reichsabschied von 1544 dienen.31 Neben der Beseitigung des Interims war vorgesehen, dass ein beständiger Frieden bis zum endgültigen Religionsvergleich gelten sollte, auch wenn jetzt die Wiederherstellung der religiösen Einheit misslingen würde.32 Die vermittelnden Stände nahmen in ihrem Entwurf der Religionsartikel großenteils Vorschläge auf, 33 und König stimmte dem ständischen Entwurf der Passauer Abrede mit wenigen Änderungswünschen zu.34 Jedoch konnte bei anderen Verhandlungspunkten wie der Freilassung des keine so schnelle Einigung erzielt werden.35 Daher wurde erst am 23. Juni eine Abschrift der verglichenen Artikel an den nach versandt.36 Anfang Juli lagen in die Stellungnahmen beider Seiten vor. Die verbündeten Fürsten, die noch weitergehende Forderungen als hatten, waren mit den Verhandlungsergebnissen unzufrieden. Dennoch erklärte am 3. Juli, dass diese den Vertrag annähmen.37 Am Folgetag verkündete jedoch, dass der die Passauer Abrede ablehne. Hierfür führte der zwei Gründe an: Zum einen wollte er nicht dulden, dass ein ständisches Schiedsgremium über die ihn betreffenden Beschwerden urteilte. Zum anderen lehnte er einen unbefristeten Frieden in der Religionsfrage ab, da ihn dieser einschränke, künftig Schritte zur Wiederherstellung der religiösen Einheit im zu ergreifen.38 schlug vor, nochmals persönlich mit über die Annahme der Passauer Abrede zu beraten.39 Daraufhin reiste am 5. Juli ins Feldlager der verbündeten Fürsten und in der Nacht zum 6. Juli nach zu 40
Die Überarbeitung der Passauer Abrede zum Passauer Vertrag
Im Villacher Gespräch (9./10. Juli 1552) soll – nach der Schilderung – den gedrängt haben, den
Zugeständnissen der Passauer Abrede zuzustimmen, um die Befriedung des und die in und benötigte Unterstützung im Kampf gegen das sicherzustellen.41 Da der in der Frage der Gravamina nach wie vor kein
ständisches Urteil akzeptieren wollte, blieben die Beratungen hierüber weitgehend
ergebnislos.42 Einen unbefristeten Religionsfrieden lehnte er
erneut unter Berufung auf sein Gewissen ab.43 Um doch noch eine Einigung zu
erreichen, wurden die Religionsartikel aus der Passauer Abrede daraufhin umgearbeitet.
Insbesondere wurde aus dem neuen Text, dem Passauer Vertrag, der Passus entfernt, dass ein
beständiger Frieden fortdauernd gelten solle, auch wenn der Religionsvergleich
scheiterte.44 Der
Gewaltverzicht wurde bis zum nächsten Reichstag beschränkt und die Zusage, den
Religionsvergleich nur friedlich herbeizuführen, gestrichen.45 Nur Verstöße gegenüber der altgläubigen Seite wurden explizit als
Landfriedensbruch bezeichnet.46
Am 14. Juli teilte , zurück in
, den Ständen den neuen Vertragstext mit.47 Diese einigten sich nur darauf, die Förderung des Friedens auf
dem nächsten Reichstag zuzusichern.48
Danach entsandten
und die Stände
ihre Gesandten in das Lager der verbündeten Fürsten vor .49 Während die verbündeten
Fürsten die Stadt , in der größere
kaiserliche Truppenkontingente stationiert waren, belagerten,50
organisierte der von aus die Vereinigung von im , in und angeworbenen Truppen. Den
Zeitgenossen war unbekannt, ob er diese gegen die verbündeten Fürsten oder den einzusetzen plante.51 Die militärische Lage des hatte sich also verbessert, als bei und im Feldlager bei für die Annahme des veränderten Vertrags
warb.52
Die Annahme, Ausfertigung und Bedeutung des Passauer Vertrags
Am
2. August unterzeichneten und stellvertretend für die verbündeten Fürsten, also auch im Namen von und
, im Feldlager
den Passauer Vertrag.53 Drei Vertragsexemplare
wurden ausgefertigt, von denen jeweils eines für den , die verbündeten Fürsten und die vermittelnden Stände bestimmt war.54
Am 6. August wurden in
und die Stände ebenso wie in der
über die Annahme des Vertrags informiert.55
Nach Unterzeichnung des Vertrags durch die verbündeten Fürsten und die vermittelnden Stände
sollte eine kaiserliche Ratifikationsurkunde ausgestellt werden.56 Jedoch erwog immer noch die Option, militärisch gegen die verbündeten Fürsten
vorzugehen. Nach einer Intervention wurde
die Ratifikationsurkunde zwar am 15. August in ausgestellt, jedoch ohne die kaiserliche Versicherung, niemanden mit
Waffengewalt zu bedrängen.57 Wohl aufgrund der ablehnenden Haltung des gegenüber dem Passauer Vertrag wurde keine
offizielle habsburgische Druckfassung gefertigt. Vermutlich im Auftrag von erstellte , der viele amtliche Schriften für den
kurfürstlichen Hof in anfertigte, 1552 eine
Druckfassung des Passauer Vertrags.58
Auch nach dem Vertragsschluss waren die kriegerischen Unruhen nicht endgültig beendet:
Markgraf schloss sich nicht dem Passauer Vertrag
an, sondern führte einen Plünderungszug im Südwesten des .59 Während den geplanten Feldzug gegen das in
umsetzte,60 begann der die
vom besetzte Stadt zu belagern.61
Die Bedeutung des Passauer Vertrags liegt in der Rückschau darin, den Weg zum Augsburger Religionsfrieden geebnet zu haben. Diese Entwicklung war 1552 keineswegs absehbar.62 Der Passauer Vertrag legte fest, dass der nächste Reichstag innerhalb eines halben Jahres zusammentreten sollte, um über die Wege zur Wiederherstellung der Einheit der Religion zu beraten.63 Erst 1555 kam der Reichstag in zustande, auf dem bei der Beratung der Religionsartikel auf den Passauer Vertrag und stärker noch auf die Passauer Abrede zurückgegriffen wurde.64 Der Augsburger Religionsfrieden löste nicht nur die Bestimmungen des Passauer Vertrags ab, sondern ging weit über diese hinaus.65
Unterzeichner und Unterhändler↑
Unterzeichner
Als Vermittler: König .
Für die
vermittelnden Stände: Kanzler für Erzbischof , der Gesandte
für Kurfürst ,
Administrator und Herzog .
Für die verbündeten
Fürsten: Kurfürst und Landgraf
.
In
einer separaten Ratifikationsurkunde: Kaiser , sein Minister und sein Sekretär .66
Unterhändler
Für die verbündeten Fürsten: Herzog , der kursächsische Kanzler und der kursächsische Rat , Herzog , der hessische Kanzler , der hessische Gesandte und der pfalz-neuburgische Gesandte .67
Für : Vizekanzler und der kaiserliche Rat ; zeitweise waren auch der kaiserliche Hofmarschall und der kaiserliche Rat vertreten.68
Als königliche Vermittler: der römische König und sein Sohn, der böhmische König , sowie die königlichen Räte , und .69
Die sog. »neutralen« Stände als Vermittler: für Erzbischof : , , ; für Erzbischof : , ; für Erzbischof : , , ; für Pfalzgraf : , , , ; für Markgraf : , , , .
Persönlich vertreten waren der
Salzburger Administrator , Bischof
, Bischof , Herzog .
Für Bischof : , ; für Markgraf : , , ; für Herzog : ; für Herzog : , , , ; für Herzog : ; für Herzog : , , , .70
Der französische Orator (Gesandte) , Bischof von , blieb ohne Einfluss auf die Verhandlungen des Passauer Vertrags.71
Inhalt↑
Der Vertragstext setzt mit der Schilderung der Vorgeschichte ein. Die ersten Artikel regeln die Beendigung der Kriegsrüstungen und die Freilassung des , worauf die Artikel zur Religionsfrage und zu den Gravamina, die die ständische Libertät betreffen, folgen. Hieran schließen sich Bemerkungen zu den französischen Angelegenheiten sowie Regelungen zur Aussöhnung der Stände mit dem und zur Beilegung von Einzelkonflikten an. Am Ende erfolgt die Verpflichtung auf den Frieden und die Siegelung.
Einführend erklärt , dass als Hauptursache
des gegenwärtigen Krieges die Gefangennahme des Landgrafen gelte. Der
genehmigte , in Friedensverhandlungen zu beginnen, welche man unter Beteiligung kurfürstlicher und
fürstlicher Unterhändler in fortführte. Dort
erarbeiteten die Unterhändler auf Grundlage zweier Schriften, des Vortrags von und der Aufstellung der Gravamina,
die Friedensartikel.
Im ersten Artikel wird die Entlassung der Truppen der verbündeten
Fürsten bzw. ihre Indienstnahme durch König
geregelt (Art. 1). Der
soll sich auf eine modifizierte Fassung der Kapitulation von verpflichten. Auch die Bürgen der Kapitulation, die Kurfürsten von und sowie der Pfalzgraf von , müssen ihre Verpflichtungen
erneuern. Im Gegenzug wird der kaiserliche Truppenabzug und die Freilassung des zugesagt (Art. 2). Die
landgräfliche Befestigung von darf bestehen bleiben.
Während der Gefangenschaft des gefällte
Reichskammergerichtsurteile im Streit mit den Grafen von Nassau (um das Katzenelnbogische Erbe)
sollen innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Passauer Vertrags neu verhandelt werden
(Art. 3). Andere Punkte von und
sollen ebenso wie Ansprüche, die wegen des Schmalkaldischen Krieges gegen Landgraf erhoben werden, erst nach Beseitigung der
allgemeinen Gravamina behandelt werden (Art. 4, 5). Die Beschwerdeprozesse, die u.a. am
Reichskammergericht während der Haft des gegen ihn angestrengt wurden, müssen ruhen, bis der nächste Reichstag nach
Anhörung des Landgrafen eine Entscheidung fällt (Art. 5).
In Fragen von Religion,
Frieden und Recht soll sich der an den in gemachten Zusagen orientieren (Art. 6). Binnen eines
halben Jahres soll einen Reichstag
einberufen, auf dem ein von beiden Religionen paritätisch besetzter, interkurialer Ausschuss
darüber beraten soll, ob die religiöse Einheit durch ein General- oder Nationalkonzil, ein
Religionsgespräch oder einen Reichstag wiederhergestellt werden soll (Art. 6, 7). In der
Zwischenzeit sollen , und Reichsstände die Augsburger Konfessionsverwandten völlig
unbehelligt bei ihrer Religion bleiben lassen (Art. 8). Die Stände, die der Confessio Augustana anhängen, verpflichten sich, die Religionsausübung und
kirchlichen Ordnungen der altgläubigen Stände, darüberhinaus ihre Güter, Länder, Leute,
Kircheneinkünfte und Herrschaftsrechte nicht anzutasten. Übergriffe gegen altgläubige Stände
sind dem Landfrieden gemäß zu bestrafen (Art. 9).
Hierauf folgt ein
Derogationsartikel und die Anordnung, den Friedensvertrag dem Reichskammergericht mitzuteilen.
Das Kammergericht muss den Artikeln dieses Friedensvertrags folgen und ungeachtet der Religion
Recht sprechen. Künftig darf der Eid am Reichskammergericht entweder auf Gott und die Heiligen
oder auf Gott und das Evangelium geleistet werden (Art. 10). Die Überarbeitung der
Reichskammergerichtsordnung, die u.a. wegen der Berücksichtigung von Anhängern der Confessio Augustana als Beisitzer notwendig ist, soll auf dem Reichstag
oder aber durch eine ordentliche Visitation erfolgen. In Religionsfragen sollen einfache
Mehrheitsentscheidungen nicht zulässig sein. Der nächste Reichstag soll über die notwendigen
Reformen beraten (Art. 11). Auf Bitte der Unterhändler hin soll der die wichtigsten Änderungen schnellstmöglich aus eigener
Machtvollkommenheit vornehmen. Hierzu gehört die Genehmigung, Anhänger der Confessio Augustana als Beisitzer beim Reichskammergericht vorzuschlagen und anzunehmen
(Art. 12).
Die Beschwerden über Beschränkungen der Freiheit der Deutschen Nation
werden auf den nächsten Reichstag oder eine andere Reichsversammlung verschoben
(Art. 13, 14). Bis dahin solle man sich mit dem Linzer Abschied und der kaiserlichen
Versicherung zufriedengeben, dass beim Hofrat deutsche Räte über Reichsangelegenheiten beraten
und der die deutsche Libertät achte
(Art. 14). Die Vermittler versprechen, sich beim für die Erledigung der ihm gegenüber bestehenden Beschwerden einzusetzen. Über
sonstige Gravamina soll der nächste Reichstag gemeinsam mit dem beraten (Art. 15). Alle Punkte zu Frieden und Gravamina im , die vom vorgebracht wurden, sind ausschließlich von
,
und Ständen zu beraten. Die Forderungen, die speziell den betreffen, kann an und dieser an weitergeben (Art. 16).
Es folgt
die Aussöhnung des mit den geächteten und in
Ungnade gefallenen Gegnern im Schmalkaldischen Krieg, die am Fürstenkrieg beteiligt waren
(Art. 17, 18). Daran schließen sich die Regelungen zur Rückkehr der vom Begnadigten, die außerhalb des in Diensten stehen (Art. 19), und zur
Rückerstattung der von den verbündeten Fürsten eroberten und eingezogenen Herrschaften,
Städten, Orten, Ländern, Leuten und Gütern an (Art. 20). Aus eigener Machtvollkommenheit
entscheidet der , dass beide Seiten (sonstige)
Reparationen nicht fordern dürfen. , und Stände wollen aber Wege suchen, die
Kriegsschäden der Stände und Städte zu kompensieren (Art. 21). Pfalzgraf darf das Fürstentum behalten (Art. 22). Alle am Fürstenkrieg
Beteiligten werden wieder in die kaiserliche Gnade aufgenommen und für ihre während des Krieges
begangenen Taten nicht belangt (Art. 23). Alle Gefangenen sollen ohne Lösegeld
freigelassen werden (Art. 24). Markgraf kann, wenn er den Waffenstillstand einhält und seine Truppen
fristgerecht entlässt, dem Vertrag beitreten (Art. 25).
Im Hinblick auf die
Restitutions- und Schuldforderungen der Braunschweigischen Junker gegen soll
eine kurfürstlich-fürstliche Kommission innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Passauer
Vertrags eine gütliche Einigung erreichen oder die Junker restituieren (Art. 26).
Hierbei stehen die Kommissare unter dem Schutz namentlich benannter Kurfürsten und Fürsten
sowie des und (Art. 27). Ein kaiserliches Mandat soll die Acht androhen, wenn
er sich an Herren und Junkern oder ihren Gütern vergreift (Art. 28). Die gleiche
Kommission soll zwischen und den Städten und vermitteln. Der soll beide Seiten unter Androhung der Acht auffordern, auf jegliche
Gewaltanwendung zu verzichten (Art. 29).
Abschließend sagt der zu, in einer gesonderten Ratifikationsurkunde sich und seine
Nachkommen auf die Einhaltung und Durchsetzung des Vertrags zu verpflichten
(Art. 30-32). Sowohl Kurfürst , Pfalzgraf , Herzog
und Landgraf
(Art. 33) als auch , und die vermittelnden Stände erklären für
sich, ihre Erben, Nachkommen und Verbündeten die Einhaltung und den Schutz des Vertrags
(Art. 34). Vertragsverstöße müssen den Unterhändlern gemeldet werden, die einen
verbindlichen Schiedsspruch fällen (Art. 34). Die Unterhändler sollen unparteiisch über
den Vertrag wachen, ohne vom wegen ihrer
Entscheidungen belangt zu werden (Art. 35). Einzelheiten zur Ausstellung der Urkunden,
Siegelung und Unterzeichnung beschließen den Passauer Vertrag (Art. 36).
Überlieferung und Textvorlage↑
Handschriften
- 1) Wien, ÖStA HHStA, Allgemeine Urkundenreihe (AUR), 1552 VIII 2 [kleinere Schachtel; Exemplar der Habsburger, aus
der Wiener Reichskanzlei].
- 2) Wien, ÖStA HHStA, Allgemeine Urkundenreihe (AUR), 1552 VIII 2 [größere Schachtel; Exemplar der vermittelnden
Stände, aus dem Mainzer Erzkanzlerarchiv].
- 3) Wien, ÖStA HHStA, MEA Religionssachen 3, fol. 298r-315v [Entwurf].
- 4) Marburg, StA, Urk. 1, Nr. 4071 [Exemplar der verbündeten Fürsten].
Eine Liste weiterer Handschriften (Entwürfe und Kopien) findet sich bei .
Drucke
- 1) Abdruck des Paſſaw-||iſchen Vortrags: ſo || den andern Monats tag Au-||guſti / Anno
etc. Lij. || auffgericht worden.
[Dresden: Matthes Stöckel d.Ä., 1552], [21] Bl., 4° (VD16 ZV 4458).
Benutztes Exemplar: Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Sign. Ve 1682 d(8) [Digitalisat]. - 2) ABdruck des Paſ-||ſawiſchen Vortrags / ſo || den andern Monats tag Auguſti / || Anno
etc. LII. auffge-||richt worden.
[Wittenberg: Georg Rhau Erben, 1552], [21] Bl., 4° (VD16 ZV 4459).
Benutztes Exemplar: Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Sign. Vg 1298,QK [Digitalisat]. - 3) ABdruck des Paſ-||ſawiſchen Vortrags / ſo || den andern Monatstag Auguſti / || Anno
etc. LII. auffge-||richt worden.
[Wittenberg: Georg Rhau Erben, 1552], [21] Bl., 4° (VD16 D 1231).
Benutztes Exemplar: München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. 4 Germ.sp. 6 m#Beibd.4 [Digitalisat]. - 4) ABdruck des Paſ-||ſawiſchen Vortrags / ſo || den andern Monatstag Augusti / || Anno
etc. LII. auffge-||richt worden.
[Augsburg: Valentin Otmar, 1552], [22] Bl., 4° (VD16 D 1230).
Benutztes Exemplar: München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. 4 J.publ.g. 7 [Digitalisat]. - 5) ABdruck || Des Paſſawiſchen || Vortrags: ſo den || andern Monats tag Auguſti / || Anno
etc. Lij. auffge-||richt worden.
s.l. 1552, [21] Bl., 4° (VD16 ZV 27165).
Benutztes Exemplar: Berlin, Bibliothek der Stiftung Deutsches Historisches Museum, Sign. R 55/2575 [Digitalisat]. - 6) VErtrag zu Paſſaw || auffgericht vnd Ratificiert || Anno 1552 den 2. || Augusti.
s.l. 1552, 15 S., 4° (VD16 D 1229).
Benutztes Exemplar: München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. Res/4 J.publ.g. 1232,28 [Digitalisat].
Textvorlage
Druck 1 liegt der Edition zugrunde. Der Dresdener Drucker , der mit zahlreichen amtlichen Schriften für den
kurfürstlichen Hof hervortrat, fertigte 1552 diese Druckfassung des Passauer Vertrags, die im
Auftrag von entstanden sein
dürfte.72
Die handschriftliche Überlieferung wird in der vorliegenden Edition berücksichtigt, indem
die Edition in kollationiert wurde. Der Edition von Drecoll liegt die oben genannte
Handschrift 1 zugrunde, wobei dort verschiedene weitere Dokumente kollationiert werden,
darunter die Handschriften 2 und 4. Die Artikelzählung folgt . Die dortige
Edition orientiert sich ihrerseits an .
Literatur↑
Editionen
Forschungsliteratur (Auswahl)
- Becker, Winfried (Hg.), Der Passauer Vertrag von 1552, Neustadt an der Aisch 2003 (EKGB 80).
- Drecoll, Volker Henning, Einleitung, in: Drecoll, Volker Henning (Hg.), Der Passauer Vertrag (1552). Einleitung und Edition, Berlin 2000 (AKG 79), S. 1-94.
- Fuchs, Martina / Rebitsch, Robert (Hg.), Kaiser und Kurfürst. Aspekte des Fürstenaufstandes 1552, Münster 2010 (Geschichte in der Epoche Karls V. 11).
- Herrmann, Johannes, Wartenberg, Günther, Winter, Christian, Einführung. Die Ereignisse vom 9. Januar 1551 bis zum 1. Mai 1552, in: Herrmann, Johannes / Wartenberg, Günther / Winter, Christian (Hg.), Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Bd. 5: 9. Januar 1551-1. Mai 1552, Berlin 1998, S. 13-47.
- Herrmann, Johannes, Wartenberg, Günther, Winter, Christian, Einführung. Die Ereignisse vom Mai 1552 bis zum Sommer 1553, in: Herrmann, Johannes / Wartenberg, Günther / Winter, Christian (Hg.), Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Bd. 6: 2. Mai 1552-11. Juli 1553, Berlin 2006, S. 19-59.
- Luttenberger, Albrecht P., Glaubenseinheit und Reichsfriede. Konzeptionen und Wege konfessionsneutraler Reichspolitik 1530-1552 (Kurpfalz, Jülich, Kurbrandenburg), Göttingen 1982 (SHKBA 20) [Digitalisat], bes. S. 566-713.
Vollständige Bibliographie
Fußnoten
-
Darstellung
-
Zugriff
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-
Alexandra Schäfer-Griebel , Passauer Vertrag (2. August 1552) - Einleitung, in: Europäische Religionsfrieden Digital, hg. von Irene Dingel und Thomas Stäcker, URL: https://purl.ulb.tu-darmstadt.de/vp/a000008-0106 (22.12.2024)