- 1. Historischer Kontext
- 1.1 Vom Januaredikt bis zum Ausbruch des Ersten Religionskriegs (Januar bis April 1562)
- 1.2 Der Erste Religionskrieg bis zum Edikt von Amboise (April 1562-März 1563)
- 1.3 Bedeutung und Rezeption des Edikts von Amboise (1563-1568)
- 2. Unterzeichner und Unterhändler
- 2.1 Unterzeichner
- 2.2 Unterhändler
- 3 Inhalt
- 4. Überlieferung und Textvorlage
- 4.1. Französischer Text
- 4.1.1 Handschrift
- 4.1.2 Drucke
- 4.1.3 Textvorlage
- 4.2. Deutsche Übersetzung
- 4.2.1 Drucke
- 4.2.2 Textvorlage
- 5. Literatur
- 5.1. Editionen
- 5.1.1 Französischer Text
- 5.1.2 Deutsche Übersetzung
- 5.2 Forschungsliteratur (Auswahl)
Historischer Kontext↑
Vom Januaredikt bis zum Ausbruch des Ersten Religionskriegs (Januar bis April 1562)
Das Januaredikt, das auf der Versammlung von im Januar 1562 verkündet hatte, um die religiösen Unruhen zwischen seinen Untertanen vorläufig zu befrieden, garantierte den Protestanten die freie Abhaltung von evangelischem Gottesdienst außerhalb der Städte und bei Tageslicht, legalisierte ihre kirchliche Organisation unter königlicher Aufsicht und gab ihnen einen rechtlichen Bezugsrahmen für ein friedliches Zusammenleben mit den Altgläubigen vor.1
Die protestantischen Prediger akzeptierten das Edikt trotz aller Beschränkungen, die es ihnen weiterhin bei der Verwaltung, Finanzierung und Verteidigung ihrer Religion auferlegte, als vorläufige Grundlage für ihre Religionsausübung und hielten ihre Anhänger zu seiner Einhaltung an.2 Gleichwohl setzten sie langfristig weiter auf die Durchsetzung der Reformation in ganz . Eine solche Vorstellung spricht aus einem Brief, mit dem der Reformator den Pastoren der Städte und im April 1562 von den Entwicklungen der letzten Monate berichtet, und in dem er die Hoffnung ausspricht, der minderjährige möge zu einem »zweiten Josias« werden.3
In den altgläubig dominierten Parlamenten traf das Januaredikt auf Widerstand. Mehrere Provinzialparlamente verweigerten dem Edikt die zur Ratifikation notwendige Registrierung, und das Parlament von nahm es erst mit dem Zusatz einer königlichen Deklaration an, die das Edikt als erneut provisorisch auswies und festhielt, dass damit keine Anerkennung von zwei Religionen verbunden sei. Mit diesen Einschränkungen erfolgte nach sechs Wochen schließlich die Registrierung des Edikts.4
Die militante Adelspartei unter den Altgläubigen sah im Januaredikt ohnehin nichts weiter als einen Verrat, der die Monarchie in ihrer Existenz bedrohte.5 Ihre Anführer, , (kurz François de Guise) und seine Brüder, die Kardinäle und , gehörten einer Nebenlinie der Herzöge von im Dienst der Könige an. Sie hatten sich der religiösen Ausgleichspolitik der Regentin schon lange widersetzt und im Oktober 1561 ihren spektakulären Abschied vom königlichen Hof genommen.6 Im Februar 1562 erhielten die Hoffnungen der Altgläubigen auf einen Widerruf des Januaredikts jedoch neuen Auftrieb, als seine lange gepflegte religiöse Mehrdeutigkeit ablegte, sich (wieder) zur römischen Kirche bekannte und den Gegnern des Januaredikts anschloss. Antoine war nicht nur König von , sondern auch ranghöchster unter den »Prinzen von Geblüt«7 und Generalstatthalter für den minderjährigen . Seine Bekenntniswechsel löste einen politischen Umschwung aus, bei dem wieder an den Hof zurückkehrte.8
Im Gegenzug verließen zwei Leitfiguren des protestantischen Lagers, Admiral und seine Bruder , den Hof. Ebenso wie die Altgläubigen hatten auch die Protestanten hochadlige Anführer am Hof und im königlichen Rat, so dass sich die politischen Spannungen zwischen den Adelsfamilien in den religiösen Gegensätzen spiegelten. Nach dem Ende des Italienischen Krieges 1559 kehrten adlige Offiziere und ehemalige Soldaten nach zurück, schlossen sich den verfeindeten Glaubensparteien an und trugen zu deren Radikalisierung bei.9 Während beide Seiten mit der Aufstelung bewaffneter Milizen begannen, schloss sich mit dem und dem zu einem Bündnis zusammen, das sich die Bewahrung des beim alten Glauben zum Ziel setzte und von seinen Gegnern als »Triumvirat« bezeichnet wurde.10 In dieser aufgeheizten Situation, in der es bereits zu einzelnen gewaltsamen Übergriffen zwischen den Anhängern der beiden Glaubensparteien gekommen war, fehlte nur noch ein Auslöser, um das ganze Land in einen Krieg zu stürzen, und diesen Auslöser lieferte das sog. »Blutbad von «.11
Am 1. März 1562 passierte in Begleitung , und seines Gefolges auf dem Weg nach die Landstadt , die zu seiner Gerichtsherrschaft gehörte. Dort wurde die herzogliche Reisegesellschaft zu Zeugen eines evangelischen Gottesdienstes, der in einer Scheune abgehalten wurde – ob diese Scheune innerhalb der Stadt lag oder außerhalb, wo der Gottesdienst gemäß dem Januaredikt stattfinden durfte, ist strittig. Nach gegenseitigen Provokationen und Übergriffen zwischen den protestantischen Gläubigen und den Gefolgsleuten von François de Guise gingen die bewaffneten Gefolgsleute gegen die unbewaffneten Gläubigen in der Scheune vor und töteten mehrere Dutzend von ihnen.12
Die Frage, ob es sich bei diesem Zwischenfall um einen spontanen Gewaltausbruch oder eine geplante Provokation gegen die Verständigungspolitik der Regentin handelte, wird bis heute diskutiert. Der Familie Guise war die protestantische Ortsgemeinde ihrer Untertanen in seit langem ein Dorn im Auge gewesen. Und erst wenige Tage vor dem Zwischenfall waren und seine beiden Brüder, die Kardinäle, in mit und seinen Theologen und zu Gesprächen zusammengetroffen. Sollten diese Gespräche dazu dienen, die Neutralität der evangelischen im aufziehenden Religionskieg zu verabreden? Die Einordnung des »Blutbads von Wassy« hängt davon ab, welchen Zweck man dem Treffen von Zabern zuschreibt, und seine Bedeutung entsteht erst unter dem Eindruck der nachfolgenden Ereignisse.13
Rund zwei Wochen nach der Gewalttat in Wassy, am 16. März 1562 hielt seinen triumphalen Einzug in , wo er von der stark antiprotestantisch gesinnten Bevölkerung wie ein Befreier begrüßt wurde; anschließend übernahm er zusammen mit seinen Partnern im »Triumvirat« die Herrschaft über die Stadt. Da sich zunächst auch der protestantische Anführer , (kurz Louis de Condé) weiter dort aufhielt, scharten sich in den folgenden Tagen Tausende von bewaffneten Anhängern beider Parteien um ihre Anführer und verwandelten Paris in ein Heerlager. Louis de Condé verfügte jedoch über deutlich weniger Anhänger in der Stadt als das Triumvirat und zog sich nach einer Woche auf Befehl der aus der Stadt zurück.14
Der königliche Hof hatte sich unterdessen nicht in , sondern in aufgehalten. Erst Ende März 1562 begaben sich die Männer des Triumvirats dorthin und geleiteten den und seine nach Paris. Mit diesem Schachzug erlangte das Triumvirat zwar die Kontrolle über die Person des Königs, erweckte aber auch den Eindruck, der König und dessen Mutter seien ihre Gefangenen – ein Eindruck, den die protestantische Propaganda gerne aufgriff, und dem die Regentin mit einer Deklaration entgegentreten musste.15
Nach seinem Rückzug aus hatte in einem bewaffneten Handstreich die Stadt eingenommen und zu seiner Operationsbasis gemacht. Dort veröffentlichte er am 8. April eine Deklaration, in der er sein bewaffnetes Vorgehen rechtfertigte und die Absicht verkündete, den , die Regentschaft und die Ruhe des zu verteidigen. Zugleich beteuerte er seinen Gehorsam gegenüber König und und bot die Niederlegung seiner Waffen und die Verabschiedung seiner Anhänger an, falls die Regentin dem Triumvirat dasselbe befehlen würde. Er bat um die Einhaltung des Januaredikts und charakterisierte die Männer des Triumvirats als Putschisten. Drei Tage nach seiner Deklaration verband sich Louis de Condé mit 73 französischen Adligen zu einem Bündnis »zur Aufrechterhaltung der Ehre Gottes, der Ruhe im Königreich und der Freiheit des Königs unter der Regentschaft der Königinmutter«.16 Die Argumentation dieser Texte war offenbar unter dem Einfluss des Reformators und des Publizisten entstanden. Bèze selbst versandte am 20. März in Paris sowie erneut am 5. April zusammen mit dem Reformator in Orléans eigene Aufrufe zur Mobilisierung der protestantischen Kirchengemeinden.17
Der Erste Religionskrieg bis zum Edikt von Amboise (April 1562-März 1563)
Nach dem »Blutbad von « begann in der erste von insgesamt acht religiös motivierten Kriegen zwischen 1562 und 1598. Der genaue Kriegsbeginn wurde von den Konfliktparteien unterschiedlich angegeben: Während das protestantische Lager bereits das Ereignis von Wassy am 1. März 1562 als verabredetes Startsignal für den bewaffneten Konflikt ansah, markierte für die katholische Seite erst die Einnahme von durch am 2. April die Eröffnung der Kampfhandlungen.18 Legitimiert durch den Vorstoß und die Deklaration von Louis de Condé eröffneten die Protestanten ihre Offensive im April 1562 und konzentrierten sich zunächst auf Städte entlang der großen Flüsse und Verkehrswege. Etliche Provinzstädte an der (u.a. , , , ), an der (, ), im Tal der (u.a. , , , ) und beiderseits davon in der (, ) und im (, , ) fielen in den Protestanten in die Hände. Selbst schien zeitweise bedroht, so dass zusätzliche Arbeiten zur Befestigung der Stadt befahl.19
Die militärische Basis für die protestantische Offensive lieferte die kleine Kernmannschaft von , die in den einzelnen Landesteilen durch größere regionale Freiwilligenverbände verstärkt wurde. Diese rekrutierten sich zum einen aus dem Landadel, der sie mit Hilfe von Netzwerken in den Kreisen seiner Verwandtschaft und Nachbarschaft aufstellte, zum anderen aus militärisch angeleiteten Mitgliedern der örtlichen protestantischen Kirchengemeinden, die sich unter den Schutz von Obristen, Hauptleuten oder Protektoren aus dem benachbarten Adel gestellt hatten. Zusätzlich hatte im mehrere Tausend Landsknechte und Reiter angeworben. Finanziert wurde die Kriegführung der Protestanten durch Spenden aus den Kirchengemeinden sowie aus beschlagnahmten Gütern altgläubiger Eigentümer oder des Königs.20 Der Vertrag von , den am 20. September 1562 mit abschloss, sicherte den Protestanten weitere 100.000 Kronen an Hilfsgeldern und ein Hilfskontingent von 6.000 Soldaten zu. Als Gegenleistung sollten die Protestanten den Engländern als Pfand für eine spätere Abtretung von an England überlassen.21
Den Protestanten stand die reguläre Armee des gegenüber, angeführt von und den Männerns des »Triumvirats« (, , ) und ebenfalls verstärkt durch geworbene Söldner aus dem und der . François de Guise empfing auch Hilfsgelder und Hilfstruppen vom .22
Der Erste Religionskrieg war von Anfang an von Greueltaten zwischen den Anhängern der beiden Lager begleitet. Sie ereigneten sich bei der Einnahme von Städten durch die Protestanten ebenso wie später, als die Altgläubigen viele Städte zurückeroberten. Die Gefangennahme oder der Tod einzelner prominenter Feldherren aus beiden Kriegsparteien wurden für den Verlauf des Kriegs und für die Versuche zu seiner Beilegung ebenso wichtig wie die militärischen Ereignisse selbst.23
Die Stadt war bereits in der Anfangsphase des Kriegs an die Protestanten gefallen und wurde seit dem Vertrag von mit Hilfe verteidigt. Ihre Rückeroberung galt als strategisches Kriegsziel. Während die Stadt im Oktober 1562 von einer königlichen Armee belagert wurde, zog sich ihr Befehlshaber eine Verwundung zu, an der am 17. November 1563 starb.24 Kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember 1562, trafen die Hauptarmeen der beiden Lager in aufeinander und lieferten sich die erste Feldschlacht der Religionskriege. Zwar trug die königliche Seite den Sieg davon, doch wurde bei der Schlacht einer ihrer Feldherren, , getötet; der andere, Connétable , geriet ebenso wie sein protestantischer Gegenspieler in die Gefangenschaft der jeweils anderen Seite.25 Die großzügige Behandlung des gefangenen Louis de Condé durch , aber auch die sorgsame Pflege des verwundeten Anne de Montmorency im protestantischen Lager ließen im Januar 1563 Hoffnungen auf baldige Friedensverhandlungen zwischen Louis de Condé, seinem Bruder, dem , und François de Guise aufkeimen. Sie scheiterten jedoch an der Forderung von Louis de Condé nach freier Ausübung der evangelischen Religion, welche die nicht zugestehen wollte, sowie an den weiterreichenden Plänen von François de Guise zur Bildung einer umfassenden europäischen Allianz zur Bekämpfung des Protestantismus.26
Der Krieg ging daher vorerst weiter und wurde erst im Februar 1563 vor dem protestantischen Hauptquartier in entschieden. Während der Belagerung der Stadt wurde von einer Kugel getroffen und erlitt eine Verletzung, an der er wenige Tage später starb. Der Schütze, der Adlige , wurde gefasst und gab im Verhör vor seiner Hinrichtung zu Protokoll, von und dem Theologen zu seiner Tat angestiftet worden zu sein. Für den Augenblick wurde die Belagerung von Orléans abgebrochen, aber langfristig sollte das Geständnis die Verbitterung der Familie Guise gegen die Protestanten verstärken.27
Der Tod der beiden wichtigsten königlichen Feldherren und hinterließ das altgläubige Lager ohne Anführer und öffnete den Weg für neue Friedensgespräche. Dabei fiel den überlebenden, aber gefangenen Feldherrn der beiden Parteien, und , eine Schlüsselrolle zu. Sie trafen am 7. März 1563 auf einer -Insel bei zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammen, das am folgenden Tag unter Hinzuziehung von fortgesetzt wurde. Nachdem sich beide Seiten auf einen Waffenstillstand und auf die Rahmenbedingungen für eine Friedensregelung geeinigt hatten, reiste Louis de Condé für mehrere Tage ins protestantische Hauptquartier nach Orléans, um sich mit seinen Glaubensgenossen zu beraten. Während die dort versammelten evangelischen Prediger jede Änderung an den Errungenschaften des Januaredikts für die Protestanten ablehnten, unterstützten die adligen Militärführer die kompromissbereite Haltung von . war nicht an den Beratungen beteiligt, da er sich noch auf seinem Feldzug in der befand und erst nach dem Ende der Friedensgespräche nach Orléans zurückkehrte.28
Nach der Rückreise von an den königlichen Hof mündeten die Friedensgespräche am 12. März 1563 in eine Übereinkunft, auf deren Grundlage am 19. März das Pazifikationsedikt von verkündet wurde.29 Das Edikt war seiner Einleitung zufolge nach Beratungen des mit seiner Mutter, , mit einigen Fürsten aus den Kreis der »Prinzen von Geblüt«30 und der Pairs de France31 sowie mit weiteren Mitgliedern im königlichen Rat zustandegekommen. Unter den »Prinzen von Geblüt« werden und sein Bruder, der , erwähnt. Unter den Pairs de France werden der und , zwei Brüder des verstorbenen , zusammen mit dem Connétable aufgeführt. Ein weiterer Feldherr der Protestanten, , erscheint unter den Beratern aus dem königlichen Rat.
Bedeutung und Rezeption des Edikts von Amboise (1563-1568)
Das Edikt von beschränkte die Abhaltung von evangelischem Gottesdienst, den das Januaredikt außerhalb der Städte bei Tageslicht generell erlaubt hatte, auf diejenigen Orte, an denen er bis zu einem Stichtag (7. März 1563) abgehalten worden war, auf je einen städtischen Vorort in jedem Verwaltungsbezirk und auf die Wohnhäuser protestantischer Grund- und Gerichtsherren. Im Gebiet der Hauptstadt blieb evangelischer Gottesdienst ganz verboten. Ebenso wie im Januaredikt sollten die Protestanten alle von ihnen eingezogenen Kirchen, kirchliche Besitzungen und Einkünfte an die katholische Amtskirche und ihre Geistlichen zurückgeben. Geflohenen oder vertriebenen Protestanten gewährte das Edikt ein Rückkehrrecht in ihre Besitzungen, Einkünfte, Berufe und Ämter. und seine Anhänger wurden von jeder Strafverfolgung oder Schadenersatzleitung für ihre Handlungen während des Krieges ausgenommen.32
Wie schon beim Januaredikt wehrten sich die Parlamente und Provinzialstände gegen die Ratifikation des Edikts, stellten dessen Registrierung unter Vorbehalt oder verzögerten sie. Das Parlament von registrierte das Edikt zwar am 27. März 1562, verlieh ihm jedoch nur eine vorläufige Gültigkeit bis zur Volljährigkeit des , dann sollte ein Nationalkonzil neu darüber befinden. In verzögerte das Provinzialparlament von die Registrierung des Edikts um drei Monate. Einer seiner Räte, , verfasste eine »Remonstration«, einen parlamentarischen Einwand, in dem er die Legalisierung von Andersgläubigen unter Berufung auf Beispiele aus der antiken Philosophie und der frühchristlichen Geschichte als unvereinbar mit der französischen Monarchie abwies.33 Unmittelbar nach der Registrierung durch die verschiedenen Parlamente setzte die Verbreitung des Edikts durch eine Vielzahlt von Drucken ein. Ihre Entstehung konzentrierte sich auf Paris und wenige andere Städte.34 Die Ausführung des Edikts wurde vom König an spezielle Kommissionen übertragen, die unter der Leitung der Marschälle auf Rundreisen durch die Provinzen die Anwendung und Umsetzung des Edikts sicherstellen sollten.35
Die Protestanten reagierten mit Wut und Enttäuschung auf die Einschränkung ihrer Gottesdienste. Die in versammelten Geistlichen beschuldigten , den Verlockungen am königlichen Hof erlegen zu sein. missbilligte das Edikt und argumentierte, die Beschränkung auf je eine evangelische Kirche in jedem Verwaltungsbezirk zerstöre mit einem Federstrich mehr Kirchen als die Feinde in zehn Jahren Krieg.36 warf Louis de Condé vor, die Protestanten durch seinen »Verrat an Gott« (en trahissant Dieu) in tiefe Verwirrung gestürzt zu haben, und rechtfertigte Widerstand gegen das Edikt.37 Gleichzeitig war das Edikt von das erste, das den Begriff der »Gewissensfreiheit« (liberté de leurs consciences) benutzte.38
In der Öffentlichkeit, die stark gegen die Protestanten eingenommen war, führte schon die Verlesung des Edikts zu Tumulten: In wurden die königlichen Herolde angegriffen, in anderen Städten begannen die Protestanten nach der Verlesung damit, die von ihnen genutzten Kirchengebäude zu demolieren und unbrauchbar zu machen, statt sie an die Altgläubigen zurückzugeben. Die Rückkehr von geflohenen oder vertriebenen Protestanten in ihre Wohnungen oder Ämter konnte erst auf ausdrücklichen königlichen Befehl erfolgen, und auch die Auswahl der Städte, in deren Vororten fortan evangelischer Gottesdienst erlaubt sein sollte, erwies sich als schwierig.39
Auch den königlichen Kommissionen gelang es nicht, für eine landesweite Durchsetzung des Edikts zu sorgen, trotz detaillierter königlicher Ausführungsbestimmungen vom 18. Juni und vom 14. Dezember 1563.40 Noch auf der großen Huldigungsreise, die von 1564 bis 1566 durch ganz unternahm, mussten und ihr Kanzler ihre politische Linie einer bedingten Legitimierung der neuen Religion und ihrer Anhänger erklären und gegen Widerstände verteidigen.41 Nach dem Zweiten Religionskrieg (1567-1568) wurde das Edikt von durch das Edikt von bestätigt.42
Unterzeichner und Unterhändler↑
Unterzeichner
Das Edikt ist unterzeichnet von König und gegengezeichnet von . Publikation und Registrierung des Edikts im Parlament von und in der königlichen Rechnungskammer werden von und bezeugt.
Die Unterschrift von unter den Vermerk über die Verlesung und Registrierung des Edikts am Finanzgerichtshof im französischen Druck fehlt in der deutschen Übersetzung.
Unterhändler
Die Einleitung des Edikts erwähnt Beratungen mit seiner Mutter , mit , mit , mit , mit , mit , mit , mit dem Connétable , mit , mit den Marschällen , und , sowie mit , mit , und mit .
Inhalt↑
Die Einleitung des Edikts motiviert dessen Notwendigkeit mit dem vorangegangenen Krieg. Der Hauptteil regelt die Bedingungen für die Abhaltung von evangelischem Gottesdienst sowie die Rechtsstellung und Wiedereingliederung von Angehörigen der protestantischen Kriegspartei und trifft Vorkehrungen für das friedliche Zusammenleben von Protestanten und Altgläubigen. In der Schlussklausel werden Veröffentlichung, Registrierung und Einhaltung des Edikts angeordnet.
In der Einleitung legt der dar, dass sein seit Jahren unter religiös motivierten Unruhen leide. Als Strafe Gottes sei ein Krieg ausgebrochen, der den Fortbestand des Königreichs bedrohe und die Nachbarn zum Eingrifen ermuntere. Zur Abhilfe setzt der König auf die Gnade Gottes, auf die Ergebnisse eines allgemeinen oder nationalen Konzils und auf seine baldige Volljährigkeit. Nach Beratungen mit der , mit einigen Fürsten und weiteren Mitgliedern seines Geheimen Rats setzt er folgende Ordnung fest:
In den Häusern adliger Lehnsherren soll künftig die Ausübung der evangelischen Religion (»sogenannte reformierte Religion«) für diese selbst und ihren Hausstand erlaubt sein, in den Häusern von Lehnsherrren mit eigener Gerichtsbarkeit auch für deren Untertanen. Außerhalb der königlichen Gerichtsherrschaften soll diese Religionsausübung aber nur mit Erlaubnis der jeweiligen Gerichtsherren stattfinden [Artikel 1].43
In jedem Amtsbezirk unter der Gerichtsbarkeit der königlichen Parlamente soll eine Stadt ausgewählt werden, in deren Vorstadt die evangelische Religionsausübung erlaubt sein soll. Daneben sollen jedoch alle Untertanen ohne Beeinträchtigung in Gewissensfragen in ihren Häusern wohnen dürfen [Artikel 2].
Zusätzlich zu den ausgewählten Städten bleibt die evangelische Religionsausübung in denjenen Städten erlaubt, in denen er bis zum 7. März 1563 stattgefunden hat. Die Protestanten (»diejenigen von der genannten Religion«) sollen dafür jedoch keine Tempel oder Kirchen der Geistlichen nutzen. Stattdessen sollen sie die Geistlichen in ihre Kirchen, Häuser und Besitzungen zur gottesdienstlichen Nutzung wie vor den Unruhen wiedereinsetzen [Artikel 3].
Im Jurisdiktionsbezirk von bleibt die evangelische Religionsausübung verboten, doch können protestantische Hausbesitzer und Bezieher von Einkünften in ihre dortigen Häuser zurückkehren und ihre Besitzungen ohne Behelligung in Gewissensfragen nutzen. Alle Städte sollen zu ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Zustand vor dem Krieg zurückkehren, und ausländische Soldaten auf Boden sollen so schnell wie möglich aus dem Land verabschiedet werden [Artikel 4].
Der König nimmt alle Rückkehrer in ihre Besitzungen, Berufe und Ämter in seinen Schutz und spricht sie von allen Erlassen und Urteilen frei, die seit dem Tod (1559) gegen sie ergangen sind. Dabei soll keine Rolle spielen, ob diese Erlasse und Urteile gegen die Rückkehrer, ihre Kinder, Erben und Angehörigen aus religiösen Gründen oder für die Anwerbung und Bewaffnung im Dienst von ergangen sind [Artikel 5].
Der König erklärt und alle seine Unterstützer während der Unruhen für seine treue Untertanen und hält ihre Kriegshandlungen und Gerichtsbeschlüsse für Taten im königlichen Dienst [Artikel 6].
und alle, die seiner Befehlsgewalt unterstanden, werden von allen Ansprüchen gegen sie für die von ihnen eingezogenen und für den Krieg aufgewendeten Gelder freigesprochen, ebenso für die Münzprägung, für die Herstellung von Waffen und Munition, für die Befestigung von Städten und für die dabei entstandenen Schäden [Artikel 7].
Alle im Krieg oder aus religiösen Gründen genommenen Gefangenen sollen ohne Lösegeldzahlung freikommen, nicht jedoch gewöhnliche Kriminelle [Artikel 8].
Zur Aufhebung der Kriegsursachen und zur Versöhnung aller Untertanen sollen alle Beleidigungen und Ereignisse während der Unruhen beigelegt und ungeschehen sein. Gegenseitige Angriffe, Beleidigungen, Vorwürfe und Streitigkeinten wegen des Krieges und über Religionsfragen sind künftig bei Todesstrafe verboten. Stattdessen fordert der seine Untertanen zum friedlichen Zusammenleben auf, bei Strafe gegen Zuwiderhandelnde [Artikel 9].
Die Untertanen sollen auf alle Zusammenschlüsse innerhalb und außerhalb des verzichten und keinen bezahlten Kriegsdienst verrichten. Versammlungen sind nur unbewaffnet erlaubt [Artikel 10].
Abschließend befiehlt der allen Amtleuten und Würdenträgern, das Edikt in ihren Zuständigkeiten verlesen, veröffentlichen und registrieren zu lassen, für seine Einhaltung, Beachtung und Befolgung zu sorgen, seine Anwendung zu gewährleisten und alle entgegenstehenden Hindernisse abzustellen.
Überlieferung und Textvorlage↑
Französischer Text
Handschrift
- Paris, Archives nationales, X1A 8624, fol. 369r-382v, registre [Archivkatalog]
Drucke
- 1) EDICT ET || Declaration fai-||CTE PAR LE ROY || CHARLES IX. DE CE NOM || ſur la pacification des troubles
de || ce Royaume: le XIX iour de Mars, || mil cinq cens ſoixante deux. || Publié en la Cour
de Parlement à Paris, || le vingtſeptieme iour dudict mois. || [Devise] ||
A PARIS || Par Robert Eſtienne Imprimeur du Roy. || M. D. LXIII.
|| Auec priuilege dudict Seigneur.
Paris: Robert Estienne 1563, 12 Bl., 8° (USTC 1255).
Benutztes Exemplar: Paris, Bibliothèque nationale de France, Sign. F-46823 (10) [Digitalisat]. - 2) EDICT ET || Declaratiō fai-||CTE PAR LE ROY || CHARLES IX. DE CE NOM || ſur la pacification des troubles ||
de ce Royaume: le XIX iour de || Mars, mil cinq cēs ſoixāte deux. || [Devise] || A PARIS,
|| Par Rob. Eſtienne Imprimeur du Roy. || M. D. LXIII. || Auec priuilege dudict Seigneur.
Paris: Robert Estienne 1563, 12 Bl., 8° (USTC 21529).
Benutztes Exemplar: Paris, Bibliothèque nationale de France, Sign. F-46823 (9) [Digitalisat]. - 3) EDICT ET || Declaratiō fai-||CTE PAR LE ROY || CHARLES IX. DE CE NOM || sur la pacification des troubles ||
de ce Royaume: le XIX iour de || Mars, mil cinq cēs soixāte deux. || [Devise] || A PARIS, || Par Rob. Estienne
Imprimeur du Roy. || M. D. LXIII. || Auec priuilege dudict Seigneur.
Paris: Robert Estienne 1563, 12 Bl., 8° (USTC 45102). - 4) EDICT || ET DECLA-||RATION FAICTE || par le Roy Charles IX. de ce nom, || sur la pacification des troubles
de ce || Royaume. || [königliches Wappen] || M. D. LXIII. || Par Robert Estienne Imprimeur du Roy. || AVEC PRIVILEGE ||
dudict Seigneur.
Paris: Robert Estienne 1563, 12 Bl., 8° (USTC 77303).
Textvorlage
Für die Edition wurde Druck 1 zugrundegelegt. Er gehört zu einer Gruppe von vier Drucken aus dem Jahr 1563, die auf den königlich privilegierten Drucker zurückgehen. Das königliche Druckerprivileg für Estienne war zuletzt am 25. März 1563 im Feldlager vor erneuert worden, wenige Tage nach dem Erlass des Edikts von am 19. März 1563.44 Anders als die übrigen Drucke Estiennes enthält Druck 1 nicht nur einen Auszug aus der königlichen Privilegierung, sondern bietet schon auf dem Titelblatt einen Hinweis auf die Veröffentlichung des Edikts im Parlament von am 27. März 1563, durch die das Edikt seine Rechtskraft in weiten Teilen erhielt. Daher erhielt er den Vorzug vor den anderen Drucken.
Für die handschriftliche Überlieferung wurde die vorliegende Edition mit der Edition bei , Edikt II, kollationiert. Dieser liegt die oben genannte Handschrift zugrunde.
Die Artikelzählung wurde nach der Edition bei , Edikt II, ergänzt.
Deutsche Übersetzung
Drucke
- 1) Edict. || vnd || Erclerung / von der Koͤniglichen würden in Franckreich / CA=||ROLO
dem IX. auſsgangen / von we-||gen der friedtshandlung vnd hin=||legung der entboͤrungen /
ſo || in gemeltem Koͤnig=||reich entſtan=||den. || [königliches Wappen] || 1563.
[Heidelberg]: [Johann Mayer] 1563, 10 Bl., 4° (VD16 F 2379).
Benutztes Exemplar: München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. Res/4 Eur. 339,40 [Digitalisat]. - 2) Edict. || vnd || Erclerung / von der || Koͤnigklichen würden in Franck=||reich / CAROLO
dem IX. auſsgan-||gen / von wegen der friedtshandlung || vnd hinlegung der entboͤrungen / ||
ſo in gemeltem Koͤnig=||reich entſtan-||den. || [königliches Wappen] || 1563.
[Augsburg]: [Otmar Valentin] 1563, 12 Bl., 4° (VD16 F 2380).
Benutztes Exemplar: München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. Res/4 Eur. 339,41 [Digitalisat]. - 3) Edict || vnd || Erklerung / von der || Koͤniglichen Wirden inn Franck=||reich / Carolo
dem IX. auſzgan=||gen / von wegen der friedshandlung || vnd hinlegung der entpoͤrun=||gen /
ſo in gemeltem Koͤnig=||reich entſtanden. || [königliches Wappen] || M.D.LXIII.
[o.O.]: [o.Dr.] 1563, 10 Bl., 4° (VD16 F 2381).
Benutztes Exemplar: München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. Res/4 Gall.g. 28 Beibd. 22 [Digitalisat].
Textvorlage
Für die Edition wurde Druck 1 zugrundegelegt. Fehlerhafte Stellen wurden nach den Drucken 2 und 3 korrigiert. Da der Hof in enge Verbindungen nach unterhielt, und da der in Heidelberg tätige Drucker des Öfteren Neuigkeiten aus Frankreich druckt, erhält sein Druck (= Druck 1) den Vorzug vor dem Druck von in (= Druck 2) und einem weiteren anonymen und nicht lokalisierbaren Druck (= Druck 3).
Alle drei Drucke aus dem Jahr 1563 bieten dieselbe Übersetzung des französischen Texts einschließlich seiner Publikationsvermerke und unterscheiden sich nur bei einzelnen Schreibweisen.
Literatur↑
Editionen
Französischer Text
Deutsche Übersetzung
Editionen der zeitgenössischen deutschen Übersetzung liegen bislang nicht vor.
Forschungsliteratur (Auswahl)
- Holt, Mack P., The French Wars of Religion, 1562-1629, 2. Aufl., Cambridge 2005 (New Approaches to European History), bes. S. 50-57.
- Jouanna, Arlette, Le temps des guerres de religion en France (1559-1598), in: Jouanna, Arlette u.a. (Hg.), Histoire et dictionnaire des guerres de religion, Paris 1998, S. 1-445, bes. S. 101-120, 143-153.
- Lecler, Joseph, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, Bd. 2, Stuttgart 1965, bes. S. 96-98.
- Simonin, Michel, Charles IX, [Paris] 1995.
- Sutherland, Nicola Mary, The Huguenot Struggle for Recognition, New Haven / London 1980, bes. S. 137-144.
Vollständige Bibliographie
Fußnoten
-
Darstellung
-
Zugriff
- Download der XML
-
Bengt Büttner , Edikt von Amboise (19. März 1563) - Einleitung, in: Europäische Religionsfrieden Digital, hg. von Irene Dingel und Thomas Stäcker, URL: https://purl.ulb.tu-darmstadt.de/vp/a000008-0501 (11.11.2024)