Caroline von Schelling, Band 1


An Wilhelmine Bertuch.

Göttingen d. 2. März 1781.

... Diese Woche beehrte der Herzog von Würtenberg und Gräfin Hohenheim, die mit ihm reiset, unsre Stadt. Er besuchte alle Collegia, sah und hörte Naturalien Cabinet, Bibliotheck, Disputationen, Societäten, alles was nur aufzutreiben war, war sehr höflich, sehr gnädig, tractirte die Profeßores rc. Sie besah mit, und ennuyirte sich die übrige Zeit im Gasthofe. Jeder, der sie gesehn hat, macht die reizendste Beschreibung von ihr, sie soll nicht schön, aber im höchsten Grad annehmlich, gelehrt, voller Einsicht und Verstand seyn. Gelehrsamkeit ist jezt so sein Stekenpferd, daß es ihn lächerlich und zum Pedanten macht. Er ist häßlich, verliebt mag sie wohl nicht in ihn seyn, ob sie gleich ihren Mann um seinetwillen verließ. Seine Unterthanen wünschen, daß er sie heirathet, er traut aber selbst seiner Beständigkeit nicht genug das zu thun. Tugend und Religion ist jezt sein drittes

Wort, er, der Unterdrücker weiblicher Tugend, der Zerstörer der Ruhe so mancher Familie, der Verläugner seiner Religion, wenn sie aus Thaten besteht, wagts diese heiligen Nahmen zu misbrauchen. O er ist mir verhast! Wilst Du sein Bild, so stell Dir einen großen und nicht magern Mann, mit einem rothen Angesicht, großer Nase nebst kleinen ditos drauf, große hervorstehende Augen, einen braunen kurzen Rock, schwefelgelbe Weste, so lang, daß man die schwarzatlaßne Beinkleider, über die graue Strümpfe nach alter Mode gewickelt waren, kaum sah, denn Weste und Strümpfe stießen zusammen, Stiefel mit Fischbein steif gemacht, den Gang eines alten Greises vor. Möchtest Du, ich sage nicht Gräfinn Hohenheim, sondern auch nur um den Preis rechtmäßige Herzoginn von Würtenberg seyn?

Da lob ich mir unsern lieben Bischof von Osnabrück. Wär ich eine Heydinn, so macht ich ihn zum Gott, und eine Chatolikinn, zu meinen Heiligen. Er wird in der That vergöttert, man würde ihn anbeten, wär er auch nur der Sohn unsres guten Königs, unsrer lieben Königinn, aber so da er auch gut, sehr gefällig, schön, und waß weis ichs alles? ist, so ist des Lobes kein Ende. Du solst seinen Schattenriß haben, die Reinbolden schickt mir etliche Exemplare aus Hannover. Hier ist sie schon allerwärts. Was sich nur irgend piquirt vom guten Ton zu seyn, trägt den Bischof in der Tasche, an der Uhr, im Ringe, am Hut, als Nadel, und weh dem, der nicht weis, daß er blonde Haare hat! ...