Caroline von Schelling, Band 1


An Luise Gotter.

Göttingen den 22. Dec. 1781.

... Hr. Schlözer giebt Euch zwar in seinem Reise Journal ein günstigers Urtheil wie ehedem Wieland. Er schreibts zwar nicht selbst, sondern einer seiner Reisegefährten, Hr. von Widow Widau, aber vermuthlich wird Schlözers Urtheil das seinige leiten. Der Name Deines Mannes wird auch genannt, und sehr viel Gutes von Gotha überhaupt gesagt. Jezt ist er in Venedig, und bald wird Dortchen Sr. päbstlichen Heiligkeit sich zu Füßen legen.

... In der Abschildrung, die Mad. Schlaeger von ihr macht, erkenn ich Lotten, wie sie ehedem war und wie sie immer seyn wird. Die Zusammensezung ihres Charakters ist Eitelkeit, halb affectirte Empfindsamkeit, Leichtsinn, und Liebe zum Müßiggange, und zu allem, was Roman heist und im gemeinen Leben dem ähnlich sieht. Welch eine äußerst gefährliche Mischung, für ein junges Mädchen, das nicht ohne Schönheit ist. Und wie wenig dem Bilde einer Freundinn ähnlich, mit der ich leben möchte, und wie ich sie mir aus meiner Schwester zu machen wünschte. Bey dem allen glaubt sie gut zu seyn, weil sie im Grunde kein böses Herz, aber nicht Verstand genug hat, um einzusehn, wie viel dazu gehört es wirklich zu seyn. Ich will indeßen nicht aufhören zu hoffen, ich kan vielleicht viel bey ihr thun, und was ich zu thun im Stande bin, soll zuverläßig geschehn. Sollten meine Bemühungen unbelohnt bleiben, so belohnt mich der Beyfall meines Herzens. — — Hockel ist endlich vorige Woche nach Lißabon abgereist. Seit Jahren hat er diese Abreise verschoben, und er hat Göttingen äußerst ungern, und mit erweichten Herzen verlaßen. Vielleicht fing er schon an das schreckliche der Rolle zu fühlen, die er hier gespielt hat. Er gab Lottens Briefe freywillig zurück. Ich habe sie verbrannt ohn einen einzigen zu lesen, um mich nicht gegen sie zu erbittern. Seine Gesundheit ist so zerrüttet, daß er kaum die Reise unternehmen konte, und wir sehn ihn gewiß nie wieder. Wie er zum leztenmal vorbeyritt, war mir doch der Gedanke erschütternd, ihn, so sehr er Bösewicht war, hier niemals wieder, und vielleicht auch dort nicht wiederzusehn. Wenigstens haße ich ihn nicht mehr, seitdem ich ihn nicht mehr sehe. Möchte Gott ihm Reue, und ewiges Glück geben. Er hätte sehr gut werden könen, wenn er nicht Verführern in die Hände gefallen wäre, er hatte große Anlagen, Fähigkeiten und Talente, aber er ward so böse, als er sonst gut geworden wäre....