Caroline von Schelling, Band 1


An Luise Gotter.

Göttingen d. 23. Oct. 1782.

So muß ichs denn zum zweytenmal meiner lieben gütigen Louise sagen, daß es eine Unmöglichkeit für mich ist, ihrer Einladung zu folgen? Aber soll ich ihr auch sagen, wie schmerzlich dies für mich ist, was es mir gekostet hat, und wie gern, mit welcher unbeschreiblichen Freude ich sie angenommen hätte? O Du weißt es nur zu gut, daß die Erfüllung eines meiner heißesten Wünsche darinn lag, Dich wieder zu sehn. In dieser Brust hätte nicht mehr das Herz voll Freundschaft für Dich und Anhänglichkeit für den Ort Deines Aufenthalts schlagen können, das bisher da wohnte, ich hätte nicht mehr ich selbst seyn können, wenn ich dieser Reise aus einem andern Grunde entsagte, als weil ich muß. Und darum bedaure mich im Stillen, liebe Louise, sage mir aber aus Mitleid nichts davon, denn ich thue mir selbst so herzlich leid, daß ich oft in Versuchung gerathe, vor den Spiegel zu gehn und zu mir zu sagen: Gräme Dich doch nicht zu sehr, Carolinchen.

Und so muß ich denn Louise Schlaeger statt meiner diesen Brief für Dich geben? Vergebens sind Klagen und Wünsche. Man macht so viel Einwürfe gegen die Reise und läßt meine Antworten als partheyisch so wenig gelten, daß ich schweigen und auf beßre Zeiten warten muß. O Zukunft! bring mir die lieben Festtage nur auf eine kurze Dauer zurück. Glaubst Du, daß die ich regrettire jemals wiederkommen? Ach die nicht, wo wir noch in halb kindischer Frölichkeit uns zusammen ein Abendeßen bereiteten, und Du Dich einmahl so herzlich freutest ein Gericht Zwetschen glücklich zu Weg gebracht zu haben. Das fiel mir heute recht lebhaft, da ich mit der Böhmern das nähmliche kochte, ein. Alles das kömt nicht wieder. Und es ist doch das beste des Lebens, denn jeder Mensch fühlt es so, aber selten im Augenblicke des Genußes, und da fühlte ichs! Ich habe alle Freuden eines glücklichen Bewustseyns geschmeckt. Noch erwarten mich gute Tage, schöne mannichfache Auftritte von Glück, aber die ersten bleiben so unauslöschlich wie die freundschaftlichen Verbindungen, die aus ihnen, und aus denen sie entstanden.

Unsre lieben Meiners und Leßens sind wiedergekommen; auf die lezte habe ich mit Ungeduld gewartet. Ich wollte ihr mündlich alles sagen, was indeßen vorgefallen ist, ihr Beyfall sollte das Siegel meines Glücks seyn, und ich habe ihn ganz. Ich bekenne es mit Thränen der Freude, geliebte Louise, ich bin ganz glücklich. Wohl mir, daß ich endlich im ruhigen Hafen bin! Gefährlich war die Fahrt. Unbesonnenheit führte mich auf Irrwege, Leidenschaften warfen mich hin und her, ich hätte sinken können, aber die Hand der Vorsehung hielt mich, und ließ mich nur darum alle Unannehmlichkeiten des Wegs fühlen, um mich seines glücklichen Ziels werth zu machen. Und hier danke ich dem Gott, der es mir bereitete. Dich fordre ich auf, Dich mit mir zu freuen....

Deinen lieben besten Mann küß in meinem Nahmen den Zipfel seines Rocks und seines Mundes, dafür daß er mich Dir zu Gefallen wohl hätte bey sich leiden wollen.

Deine C. M.