Mit Friede und Freude komm ich zu Dir. Nimm mich mit einem theilnehmenden Herzen auf, beste Louise. In einen halben Jahr darf ich meinen Bruder erwarten, hier schlägt dies Herz, hier werden Freudenthränen geweint — so hast Du mich nur in Deinen Armen nach einer langen Trennung gesehn. Ich muste bey allen ängstlich seyn und hoffen und fürchten, diese vier ewigen Jahre über, es würde eine Zeit kommen, die mich für alles belohnte, ein Augenblick, wies nur einen im ganzen Leben giebt. Sie ist da und er wird kommen! kommen! Aber ich fürchte ihn, ich fürchte das Uebermaaß der Freude! — O laß mich nur schweigen, liebe Louise Ich weis nicht, waß ich mit meinem eignen Herzen anfangen soll, es ist im Taumel tausenderley Vorstellungen und Empfindungen, das läßt sich nicht schreiben, muß auch nicht beschrieben werden.
Die Meiners hat mir die erste Friedens Nachricht gebracht, ich habe versprochen es ihr auf meinem Sterbebett noch zu gedenken. Sie gab den Abend einer Gesellschaft junger Herren und Damen ein Souper und da feyerten wir das Friedensfest. Es war eine rauschende Feyer, aber ich hatte noch keine Worte und keinen Gesang für meine Freude. Jezt hat sie sie erst gefunden. Wie wohl ist mir, sie auch so allgemein um mich herum verbreitet zu sehn. Ich bins nicht allein, die einen Bruder erwartet. Es kommen mehr Brüder, es kommen Väter und Söhne und Geliebte zurück. Aber so werden doch wenige erwartet.
Freust Du Dich auch mit mir, meine Louise? So recht für mich, und um meinetwillen? Ich kans ja unmöglich allein. Ich bitte alle Leute mir zu helfen.
Ich erhielt am Sontag von Wilhelminen einen Brief, der mir viel Vergnügen und viel, viel zu Lachen machte, denn ich kan mir nichts Lächerlichers denken als so entführt zu werden. Ja wens auch noch ernstlicher wäre, und es ließe mich jemand in einer Chaise hinterrücks nach Gotha tragen, so ließ ich mirs gefallen. Ich sehne mich zuweilen mit Wehmuth dahin, nicht um der Annehmlichkeiten des Orts willen, sondern bloß um meine Freunde zu sehn, um Dich wiederzusehn, und Dir für Deine daurende Freundschaft mit der Zärtlichkeit und Wärme danken zu können, die keine Feder ausdrückt, und wo immer ein Blick, eine Umarmung mehr sagt, wie tausend Worte. Es ist so süß geliebt zu werden, und kein Herz fühlt das mehr, keins ist dankbarer und giebt so Liebe für Liebe als das meinige.
Madam Schlaeger schrieb mir von einem Tagebuch der Friederike Münter, und rieht mir, wonn ich neugierig wäre, Dich darum zu bitten. Ich war neugierig, und wollte Dich bitten, als mir einfiel, hundert Schritt wären doch näher wie 11 Meilen, und die Leßen hätte es gewiß auch. Da ich wuste, daß es halb und halb als Geheimniß behandelt würde, so frug ich auf Umwegen, und sie konte nicht ableugnen, daß sie es besäße, und da ich es von Dir ohndem zu erhalten hofte, so gab sie mirs unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß Caroline nie bricht. Ich habe es heute gelesen und den guten Charakter, das vortrefliche Herz auch hier gefunden, daß ich vorzüglich an ihr schätze. Ihre Anhänglichkeit für die Personen, die auch ich meine Freunde nenne, macht sie mir lieber wie jemals. Da kan und weiß ich mit ihr zu empfinden, wenn sie von Lonisen spricht, und Gottern mit Entzücken lesen hört. Ists nicht sonderbar, daß wir uns so wenig fanden und gefielen, da grade die Personen, an die sie sich so wohl hier als in Gotha am mehrsten heftete, meine besten Freunde sind? Der Ort, an dem ich sie sah, stellte sie mir wenigstens von der Seite, von der sie mir besonders auffiel, in einen falschen Licht dar. Ich verkannte ihre Bescheidenheit, deren sie bey so viel Talenten dennoch wirklich viel hat, und wer weiß, wodurch sie mich miskannte. — Daß mir das übrige ihres Tagebuchs ganz gefiele, kan ich nicht sagen. Mich däucht, es sind so viel Wiederholungen und Worte, mit denen sie kaum selbst immer einen Sinn verbindet, weil sie nicht selbst gemacht und gedacht, sondern aus Dichtern genommen sind, die ihr so im Gedächtniß zu schweben scheinen, daß sie sich mit ihnen verwechselt. Sie hat sich in den sehr poetischen Schwung geworfen, und nichts ist wohl verzeihlicher, da sie so jung ist, aber dies müste gemildert, ihr Herz fester und ihr Verstand schärfer gemacht werden. Das erste würde dann jene Weichheit, die so leicht in Empfindeley ausartet, und der zweyte seine Sonderbarkeit verlieren. Sie schien mir überhaupt mehr Talente als Verstand zu haben, wenn ich das Verstand nenne, Menschen und Sachen nach ihren wahren (unpoetischen) Gesichtspunkt zu beurtheilen, und die Leßen und Therese bestätigten das. Verzeih mir, liebe Louise, daß ich so lange über sie moralisiert habe, aber sie ists wohl werth, weil sie Deine Freundinn, und im Ganzen ein Mädchen mit so viel Anlagen zu etwas sehr vorzüglichen ist.
Gieb mir nun noch einige Aufklärungen. Ich kan nicht herausbringen, wer die S—dt in Braunschweig sind, wer S—m und ihre Vettern in Gotha, und die Sophie, mit der sie reiste, und Auguste von W. sind. Das übrige interreßirt mich nicht, denn die interreßanten erkenn ich. Z. E. Leisewitz und Jerusalem. Der lezte hat neulich meinen Vater geschrieben, um sich nach meinen Bruder zu erkundigen, nach dem liebenswürdigen jungen Mann, schreibt er, den er nie vergeßen würde, dem er immer so viel Grüße nach Amerika schickte, der ihm sein Herz
genommen hätte. Es war ein vortreflicher Brief, so schön geschrieben, daß man wohl sah, sein Geist altert nicht. Mein Bruder mochte seine jüngste Tochier am liebsten leiden, er hielt die andern doch beynah für zu stolz....
Der Canonikus Meyer kam vor einigen Wochen von seiner Reise durch die Schweiz und Teutschland zurück. Er überraschte uns am Geburtstage der Königinn, den wir eben in unsern Hause durch eine zahlreichere TanzGesellschaft als gewöhnlich feyerten. Im Böhmerischen Hause war er schon einige Stunden gewesen, aber ich ward da erst herunter gerufen und fand ihn, und wir führten ihn in Triumph hinauf. Wir haben seitdem viel angenehme Parthien gehabt, nur seufzen wir noch nach Schnee, und es ist Frühlingswetter, en dépit de nous. Meyer hat sich gebildet, er ist ein liebenswürdiger Mann — geliebt auch. Denn was soll mans verhehlen, was Worte, Geberden und Werke täglich und stündlich verrathen? Wenn er von seiner nächsten Reise durch Frankreich und Italien zurückkömt, verlobt er sich mit Friederike Böhmer und nach einen jährigen Aufenthalt in Hamburg heyrathet er sie gar.
Küße Deine lieben Kinder in meinen Nahmen, Paulinchen ein Duzendmal, weil sie seyn soll wie der Vater, aber Cäcilien wenigstens noch ein halb Duzend mal mehr, weil sie ist wie die Mutter. Wie theuer, wie lieb mir die Freundschaft des lieben Vaters ist — das magst Du Dir selbst und ihm sagen.
Denk oft an mich und meine Freude, Du Beste.