Hier siz ich in einer ländlichen Laube meines neuen Gartens, und bin ganz bey Euch, meine Besten. Die Einsamkeit von einigen Stunden, beynah die ersten seit so langer Zeit, sey Euch gewidmet. Wenn ich Euch hier bey mir hätte, und statt des langweiligen Schreibens, bey dem so unendlich viel verlohren geht, erzählen könte! Denn wie ich Euch durch 4 solche Wochen hindurchführen werde, mit der Feder, weis ich nicht. Erspaart mir wenigstens die Geschichte meiner Empfindungen; was sie waren, könt Ihr aus dem Geschehnen errathen, und wie — kan ich doch nicht beschreiben. Welch einen Taumel von Liebe, Freundschaft und Glück hab ich durchlebt, und mit welcher süßesten Wehmuth — immer die Gränze, wo Schmerz und Freude sich treffen ‒ mit welchem Dank genoß ich ihrer.
Es wär wohl unnatürlich, wenn eine junge Frau nicht beym Hochzeitstag anfienge. Meiner war ganz schön. Böhmer frühstückte bey mir, und diese Morgenstunden waren mit der frohsten Heiterkeit bezeichnet, mit einer Ruhe, die blos aus der vollen Ueberzeugung glücklich zu machen und glücklich zu seyn entstehn konte. Keine hochzeittägliche Furcht — nur die Seelen tauschten sich um. Mein Bruder kam. Wir blieben bis 11 beysammen, und beym Abschied segnete er uns durch Thränen ein. Unter Tisch ließ ich mich friesiren, Friederike und Lotte banden indeß den Brautkranz von natürlichen Myrthen. Dann redte ich noch mit meinem Vater und zog mich an. Während dieser Zeit schickte mir die liebe Meiners schöne selbst gestickte Strumpfbänder nebst einen Billet, verschiedne meiner Freunde schrieben mir, und zulezt bekam ich die Silhouette von Lotte Nieper und Friederike in ganzer Figur auf Glas gemahlt, beschäftigt den Brautkranz zu winden. Wie ich mit meinen Anzug fertig war, war ich eine hübsche Braut. Der Saal war durch meiner Mutter Hände allerliebst zurechtgemacht. Nach 4 Uhr kam Böhmer und die Gesellschaft, die aus 38 Personen bestund. Dem Himmel sey Dank, alte Onkels und Tanten waren nicht dabey, sie war also sehr viel erträglicher, wies bey solchen Gelegenheiten zu seyn pflegt. Ich stand da von meinen Freundinnen umringt, und dachte das am lebhaftesten, welch ein Zustand der meinige seyn müste, wenn ich den Mann vor mir nicht liebte. Mein Vater, der noch beyweiten nicht ganz gesund war, führte mich vor den Prediger, und in diesen Augenblick sah ich mich nun neben Böhmer auf mein ganzes Leben, und zitterte nicht! weinte nicht während der Trauung! aber wie sie vorüber war, und Böhmer mich mit aller Gewalt der stärksten Liebe umarmte, und Eltern, Schwestern, Brüder, Freunde mit Wunsch, Seegen und Liebe mich begrüßten, wie noch je eine Braut begrüßt worden, mein Bruder außer sich war vor freudiger Rührung, da schmolz mein Herz und strömte über von Seeligkeit.
Das übrige des Tags sah kaum einer Hochzeit ähnlich, so ungezwungen war alles. Hofrath Feder versezte die Theilnehmung in einen rauschähnlichen Zustand, der wenigstens 8 Tage dauerte. Schlözer, der wirklich mein Freund ist, wie ers von wenig Menschen seyn mag, sah aus wie die Freude, meine Leßen, Niepern und mehrere — Ihr könt Euch die Freundschaft kaum denken, mit der man unsern Tag feyerte. An alberne Ceremonien, nicht einmal Strumpfband, war irgend zu denken. Am folgenden Morgen ward ich durch ein Lied vor der Thür geweckt, und sah mich sogleich von der ganzen Schwesterschaar umgeben. Bis Mittag war Gesellschaft da, und um 4 fuhren unsre beyden Familien zu der Leßen, wo diese und die Meiners uns ein kleines Fest geben wolten. Nach dem Caffee führt mich Leß in den Garten, und hier ward ich so entzückend überrascht, daß ichs jezt noch fühle. Die Leßen stand am Eingang mit ihrem Sohn, der wie Hymen gekleidet, ein Körbchen mit Blumen in der Hand, die er streute, uns zu der entgegenstehnden Laube führte, in der ein Thron von Moos und Blumen mit hohen Stuffen, einem Thronhimmel, Ehrenpforte, und wie nenn ich das alles? errichtet war. Hinter einen kleinen Gebüsch stand ein Harfenspieler und Sänger. Wie wir uns sezten, sangen sie:
Die Liebe, die dies Paar entzündet rc.
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Auf einem Thron von Blumen findet
es stets die Kunst beglückt zu seyn rc.
Mit welchen Gefühl ich in Böhmers Arme sank, das weis Gott! Die Liebe dieser vortreflichen Menschen legte mir neue heilige Verbindlichkeit auf, gut zu seyn. Es war ein herrlicher Nachmittag, der mein Herz so erschöpfte, daß ich Abends recht gern in einer unbedeutenden Gesellschaft bey Osaun war. Die Meiners und Leß waren die Schöpferinnen des schönen Auftritts. Leß segnete Böhmer und mich — Meiners war bis zu naßen Augen gerührt. Wenn ich Euch alles sagen wollte, Lieben, wie die besten Seelen unsre Verbindung gefeyert haben, wie man so ganz allgemein Theil drau nahm, von allen Seiten sich drängte es uns zu bezeugen, so würdet Ihr glauben, es wär zu viel, wie ichs selbst dachte. Böhmer ist sehr beliebt hier — ich interreßirte viele — die Familienfreude war solch ein freudelockender Anblick, und so zogen wir beynah die ganze Stadt mit unsern Glück fort.
Donnerstags gab mein Bruder ein großes Dejeunée von 40–50 Personen in des Onkels Garten. Hier waren Heynens und Blumenbachs. Wieder ungewöhnliche Bezeugungen von jedermann. Die Heynische Familie interreßirt sich so wahrhaftig für mich, sogar der Alte kam expreß mir Glück zu wünschen. Blumenbach nahm Böhmer allein, redte ihm so viel zu meinem Lobe, war so gerührt — die Leute hatte zuverläßig eine Art von Schwindel ergriffen, und dergleichen ist dann ansteckend. Wir tanzten. Mein Bruder macht den Wirth wie sonst niemand; er streut das Vergnügen mit vollen Händen aus.
Bey Böhmers waren wir zum Souper. Eine Gesellschaft an zwey Tischen. Das war ein englischer Abend! Du soltest den alten herrlichen Vater einmal sehn. Bey Tisch ward ich unter dem Vorwand der Hitze hinaus in den Garten complimentirt bis in die Clause des Profeßors, wo eine kleine Illumination braute, mit dem Spruch: wohl dem der ein tugendsam Weib hat, des lebt er noch eins so lang. Eine artige Idee vom Einsiedler. Wie wir zurückkehrten, kam der Punch, und Punch und Freude ließ uns die halbe Nacht im schönsten Rausch hinbringen. Was ist doch das für ein Anblick, eine Familie, die in jedem Glied sich liebt, und gut ist, und nun darinn empfangen zu werden wie eines jeden Braut! Mit meinen Bruder und Böhmer hatt ich auch einige Auftritte, die meine Seele matt machten.
Freytag früh standen wir lezt genannten drey beym zweyten Onkel zu einem neugebohrnen Söhnlein Gevatter. Das muß ein Junge werden, weil die Gevatterschaft so allerliebst ausgedacht war. Er ward genannt Friedrich Willhelm Theodor. Den lezten Nahmen von dem meinigen Dorothea, weil der älteste Sohn grade schon Carl hieß. Apropos, Ich werde von den meisten Leuten, von Heynens, Spittler rc. Frau oder Madam Caroline genannt. Nachmittag führen wir herum Visiten zu geben. Abends bey Gräzels. Hr. Gräzel brachte dem Prinzen einen Pokal zu, unsre Gesundheit zu trinken, und in dem Moment ließ sich Musick hören. Der Prinz führte mich hinauf in seine Etage, alles folgte, und wir tanzten bis nach ein Uhr. Da brachte er uns ein Ständchen. Sonnabend wieder ein Dejeunee. Abend Ball bey Schlözer, der bis aus der Thür des Gartens mir entgegen kam und feyerlich sagte: Sie sind Königinn! Und ich wars auch, und es ist ein Glück, daß meine Vernunft sich bey allen Reizungen der Eitelkeit wie eine Schnecke zurückzieht. Sontag früh bekamen wir Visieten, Nachmittags machte ich welche und war 3 Stunden bey Theresen allein, bis ich von da zu Feders ging, wo wir soupierten. Montag früh ging mit Abschiednehmen hin — ich ließ mich noch für meine Mutter mit Böhmer und Fritz auf ein Tableau silhouettiren. Mittag reisten wir von beyden Familien begleitet ab, trennten uns in Nörthen, und nun fühlt ich zum erstenmal, daß ich verheirathet war, da ich dem Mann folgen mußte und alles zurückließ. Die Nacht brachten wir in Osterode zu, wo Louise Nieper ist, den andern Nachmittag um 6 Uhr war ich hier.
... Von meinem Glück schweig ich noch. Wer würde die Schilderung nicht auf die ersten 6 Wochen des Ehestands rechnen? Und doch glaub ich, es wird bleibend seyn, weils nicht übertrieben ist. Böhmer mus ein guter Ehemann seyn, so lang ich ihn liebe, und meine Zärtlichkeit für ihn trägt nicht das Gepräge auflodernder Empfindungen.