Caroline von Schelling, Band 1


An Lotte Michaelis.

Clausthal den 13. Sept. um 9 Uhr Morgens 1784.

Böhmer komt eben herunter — ist von 7 Uhr an mit lauter alten Weibern umringt gewesen — wollte sich wie er sagt am Anblick einer jungen Frau erholen, schwazt von Herzenswonne und dergleichen, wahrscheinlich alles im Gegensaz verstanden. Ich versprach Dirs zu berichten.

... Gestern war ich den ganzen Tag bey Euch. Ich sah das Volk zur Kirche wallen, versezte mich in die volle feyerliche Versammlung, die ohne fremde Gedanken horchte einzig und allein auf den gewaltigen Redner — ein paar Leute ausgenonmmen, die vielleicht an die Papiermühle dachten — und denen ich damals nicht gut deswegen war — hörte das Flistern — sah die hin und wieder entschlichne Thräne der Rührung über den Abschied des guten Mannes — hörte nun Mittag das allgemeine Gerede durch ganz Göttingen, wies gewesen wär und was? und wo? und wie? und merkte, wie am Nachmittag in einer zerstreuenden Gesellschaft der ganze schöne Eindruck des Morgens und alles Gesinge und Gesage rein vergeßen war, rein verwischt aus denen Herzen, die samt und sonders bersten wollten.

Was machst Du, meine Lotte? Ich kan mich nicht in Deinen Ton finden. Dein Leichtsinn ist mir fürchterlicher wie Deine Liebekrankheit. schreib mir bald. Mit nächsten Postag schreib ich an Mutter.

Caroline.