Ich kan mich durchaus nicht mehr darauf besinnen, was Du mir alles geschrieben — doch halt! in dieser Minnte selbst komme ich auf die Sprünge; Der Hommel und Schmekke. Es ist herrlich! Die Frau spricht freylich das tollste Zeug von der Welt, aber sag, ob nicht ihre Vergleiche, so unbedachtsam sie herausgestoßen werden, immer Stich halten; im Delirium würds ihr kaum fehlen. Es ist übrigens ein unerhörtes Weib. manchmal denk ich, wie einem das so wenig frappirt, womit man aufgewachsen ist — fänd ich hier solch ein Original, so würd ich zum Kielkropf darüber. Auf fremden Boden komt einem alles fremder vor, man wundert sich über Ungethüme, die man sonst alle Tage sah, ohn sie für etwas anders als gewöhnliche Geschöpfe der Natur zu halten. Es ist erstaunlich, wie mechanisch und pflanzenmäßig die Bande sind, die uns an Vaterland und Geburtsort binden, und wie stark und daurend man sie dennoch fühlt. Nun das war auch ein Hoppas von der Fr. Stallmeisters zu — Oberon — denn weist Du, wie er sagt:
Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand,
Sey immerhin unscheinbar, unbekant,
Mein Herz bleibt ewig doch vor allem Dir gewogen,
Fühlt überall nach Dir sich hingezogen,
Dünkt selbst im Paradies sich noch aus Dir verbannt.
Ich kriege auf einmal solch eine Lust nach dem Oberon, daß Du ihn mir gewiß kaufen solltest, wenn er nicht einen Gulden kostete.
Du hast mir ferner wieder von ein paar neuen Profeßoren geschrieben — sie häufen sich wie der Schnee hier. Du wirst mir diese Anmerkung, weil sie ja blos in Rücksicht auf Clausthal gemacht werden kan — denn wo liegt außer Grönland so viel Schnee? hingehn laßen. Hätten die Brodfreßers nur Brod, so hättet Ihrs gut, Mädchen. Es ist doch lächerlich — nehmt mirs nicht übel. Ihr könt mit den Profeßors umher ziehn wie mit einer Bande Puchjungen; allerwärts komt Euch einer in den Weg — bittet um ein Gab — Ihr könt sie dem bittenden um der Art der Bitte willen nicht versagen — Nehmt Euch in Obacht! — Wie ich so las, was Du von Wangenheim berichtest, dacht ich ganz leise, auf dem Menschen ist nicht fest zu bauen, mit dem Kauf wirds schwerlich was seyn — er ist ein Windbeutel. Ich erkundige mich hier nach ihm, wo er einmal gewesen ist, und meine Scharfsichtigkeit bekomt ein himmlisches Compliment über das andre, indem mir ihn auch jedermann so schildert. Ich höre nun auch von Stißer, daß der Prinz wahrscheinlich nach Lüneburg komt — also — arme Schäferinn, mit Deinen Arkadien ists aus! O traue nur nie einer reizenden Hofnung, so lang sie blos Hofnung ist. Wie oft hat mein — doch nicht so sanguinisches Herz sein lebhaftes Schlagen schon mäßigen müßen! Stißer triumphirt, wenn der Prinz nach Lüneburg geht, er hat große Liebe für diese Stadt von Baksteinen — erzählte ich ganz gleichgültig von den Göttingschen Anstalten darauf — so röthete sich schon seine breite Wange, der Mund bewegte sich unwillkührlich, und endlich, wenn ich schwieg, brach er mit einem kleinem verbißnen kollern los. Seitdem mir der Onkel gesagt, er säh einem Schweinskopf ähnlich, kan ich durchaus keinen gleichgültig ansehn, weils wirklich wahr ist. Er kam in der Aßemblee bey Ilsemanns auf mich zu; ich sah schon von weiten, daß ihn die neuen Profeßors wieder quälten; es war auch richtig nichts anders.
Ich muß Dir ein Lob geben, Lotte, und hier hast Du zum thätigen Beweise auch ein Stückchen Mailändischen Kuchen, der erste, der mir gerathen, seitdem ich der Leßen einmal einen verdarb — (wart, ich will auch einen Schnippel für sie beylegen, damit sie sieht, wie ich zunehme an Jahren und Weisheit) es ist noch dazu am 27 Febr. gebacken. Nun aber zum Lob. Laß Dichs nicht anfechten, wenn man Dich um Deiner Sorgfalt für meinen Puz auslacht. Laß Dich nicht hinreißen zu denken, für die Docktorsfrau wär alles gut genug, sondern sez Dich an meine Stelle. Ich putze mich nicht für das Schlaraffenvolk aus den Gebirgen, ich putz mich blos für mich selbst und — Böhmer — mir ists nicht genug, jenen Sand in die Augen zu streun, sondern unerkant in eleganten Verdienst will ich wirklich seyn waß ich scheine, und wenn denn einmal ein Fremder in den Zirkel tritt, sollen seine geschmackvollern Augen gezwungen werden zu sagen, dies ist mehr denn Clausthal! Behalt Du also immer dies Interreße für mich bey, das Du jezt bezeugst. Und im Ernst, Lotte, ohne an meinen Vortheil zu denken, es ist ungleich löblicher wie das egoistische Verfahren andrer, denen nur ihre eignen Schlender und Kappen am Herzen liegen.
Hier sind Deine Bücher nebst vielem Dank wieder. Vergiß doch nicht Dich bey Gelegenheit an die englischen Comödien zu errinren. Mich soll wundern, ob l’homme sauvage ausgelesen ist. Noch eins, Ihr Kinder! Wenn Ihr einmal einen Ludewigskuchen backt, der mir hier der Heve wegen zu schwer wird, so schickt mir ein Stück. Dat is en Gefrete..