Caroline von Schelling, Band 1


An Lotte Michaelis.

Clausthal d. 15ten Junius 1785

als an der Jahresfeyer des Tages, der mich heut zwischen 4 Wände, bey einem geheizten Ofen, wie eine Mistbeetpflanze, die Sonne und Luft nur durch Glas geniest, verbant.

... Übelbefinden. Diese Nachricht ist eigentlich für Mutter, denn ich weiß, daß Dich dergleichen nicht interreßiren. Ach wie gleichgültig hört ich darüber hin, wie ich noch nie krank gewesen war. Noch hab ich seit meiner Niederkunft kein ganz gesundes Gefühl gehabt und ich fürchte nichts mehr wie das Kränkeln, weswegen ich auch alles thun werde, bald wieder hergestellt zu seyn, und wieder gut zu machen, waß ich etwa verdorben — ich muß mir nur selbst predigen, damit ich andern Leuten den Mund zubinde. Meinem guten Mann wolt ichs auch wohl wünschen, daß er eine gesunde Frau hätte...

Das sind mir hübsche Parthien im Walde und auf der Bibliotheck. Ein angenehmes Leben führst Du! — das verdünkt mich. Liebe Lotte, laß die Gewißensruhe, die zum Grunde deßelben liegt, nur fortdauren, sonst wird sich das angenehme Leben bald wieder verwandeln; ein frey und reines Herz, das seine Freuden nicht hinter den Thüren sucht — mögest Du es nicht wieder verscherzen...

Don Carlos wird gut werden, mein ich, wenn er seine Sprache nur ein wenig vom Schwabenland reinigte. Das Übrige der Rheinischen Thalia hat mir gar nicht gefallen. Für den Kinderfreund dank ich recht sehr...

Ja, heut ists ein Jahr, seit ich verheyrathet bin. Wie schnell, wie schleichend ist es dahin gegangen. Mädchen und Mutter sind sich nur um einen Glockenschlag auseinander in dieser Stunde.

Bring dies sogleich Mad. Böhmer.

Leb wohl, Liebe. Es thut mir in allen Gliedern weh, ich kan das Genicke nicht beugen, und wo ich mich anrühre, läufts weiß und roth auf. Ich wollte, daß Du schwarz würdest!

Caroline.