Briefe sind leidige Tröster — deswegen habe ich geschwiegen bis jezt, da ich hoffen darf, meine Louise ruhig zu finden. Hätte ich mit Dir, unter Deinen Augen, so leiden können, wie ichs abwesend gethan habe, so würde es Deinen Schmerz in Wehmuth verwandelt haben — Du kenst ja die besänftigende Gewalt der Freundschaft; ihr Mittragen erleichtert die schwere Last, die auf unsern Schultern ruhte — aber in dem Raum, der uns trennt, verweht der heilende Balsam. Darum kont Deine Freundinn nur spät, um Dir bey mehrerer Faßung sagen zu können, daß die Wunden Deines Mutterherzens auch das ihrige getroffen haben.
Dein Kummer, Louise, wär immer der meinige gewesen, doch so lebhaft, als ich diesen Verlust, in der Vorstellung der Möglichkeit eines ähnlichen, fühle, habe ich nie etwas empfunden. Du kanst meinem Theilnehmen trauen, glauben an die Thränen — die ich noch vergieße, denn ich kenne den ganzen Umfang Deines Grams. Wirf Dich mit ihm in meine Arme, in die Arme einer Mutter, die ihr Kind wie ihre eigne Seele liebt, deren höchste Glückseeligkeit es ist — aber nicht verzweifeln solst Du da, sondern nur eine Stütze finden, die Deinen Muth erhalte. Ich weiß, daß Du mit Standhaftigkeit gelitten hast — ich habe die meinige geprüft, und darf hoffen, sie würde nicht gesunken seyn, also habe ich doppelten Grund Dich um fromme Ergebung zu bitten.
Ach Du haft ja auch noch nicht alles verlohren. Gustav war nicht Dein einziges Kind; noch bleiben Dir zwey, und Deine mütterliche Zärtlichkeit findet es nicht leer um sich her. Es ist hart, daß er Dir genommen ward, deßen Ankunft in das Leben Dir vielleicht am meisten Freude gemacht hatte, aber soll diese Freude dem Schöpfer unsrer Schicksaale nun nicht eben so wohl dankbar angerechnet werden, als der Schmerz? Hast Du sie nicht eben so wirklich genoßen, als Du den leztern fühlst? Er hat jene verdrängt — und bald wird das Andenken an beyde ein Zustand der Seele seyn, den nur das Gedächtniß empfindet.
Die Zeit
streut weiße Lilien ins schwarze Grab,
sie haucht ans Aug und trocknet es geschwind,
Verweht die Thränen in den weiten Wind!
Die Ursache von beiden bleibt ewig, es ist ein unsterblicher Geist, um den Du Dich freutest und littest. Mich dünkt überhaupt keine Schwermuth süßer als die um liebe Verstorbne, und kan je eine Sehnsucht hofnungsvoller seyn? Liebe Louise, man muß sich, wenn man solche vorangehn sah, einheimisch dünken in einem Lande, das sonst unsrer glühendsten Einbildungskraft fremd ist.
Warum Deines Sohns Daseyn auf dieser Welt nur eine Erscheinung war — wer wollte so verborgnen Bestimmungen nachgrübeln, und wer könte sich nicht ohne Grübeln beruhigen, der da überzeugt ist im Innersten der Seele, daß Gott uns eben so väterlich liebt, wie wir das Kind in unsern Armen. Es ist ganz vergeblich hier, nachzudenken, es verwirrt unsre Begriffe, und verwirrte Begriffe machen muthlos.
Ich hoffe, Deine Gesundheit hat bey diesen wiederholten Angriffen nicht gelitten. Man wird und muß alles gethan haben, Dich bestes Weib zu schonen.
Mein Bruder war eben bey mir, als ich die unerwartet traurige Nachricht bekam; Du weist, welchen Antheil er daran nehmen muste. Er hatte ihn selbst gesehn, so gut ists mir, mit meinen Ansprüchen auf ihn, nicht geworden. Wenn ich einst zu Euch komme, kan ich nur seinen Grabhügel besuchen. Ich kan mich in Clausthal nie eingewöhnt dünken, außer wenn ich über den Kirchhof gehe, denn da liegen schon Lieblinge von mir, die ich hier gefunden hatte.
Du wirst durch Wilhelmine wißen, daß ich diese Zeit über Gesellschaft gehabt habe. Jezt bin ich seit 5 Wochen zuerst wieder allein, und nun ist der einsame Winter vor mir, den ich aber liebgewinnen werde, wenn er Wort hält, denn er kündigt sich mit reiner Luft, heitern Sonnenschein, diamantnen Bäumen, und einer mäßigen Schneefläche, die aber von der Abend Sonne mit der sanftesten Rosenfarbe geschminkt wird, aber vor allen Dingen mit Gesundheit, an. Wens so lebhaft um uns her gewesen ist, so kostets mir freylich immer einige Tage, eh ich mich wieder an die Einsamkeit gewöhne, in die ich plözlich versezt werde, weil Böhmer zu überhäufte Geschäfte hat, um sie mich durch seine Gegenwart vergeßen zu laßen. Indeßen wir kennen uns und vertragen uns nach einem kleinen Zwist um desto beßer. Vor 8 Tagen holte Blumenbach Mariannen ab, und blieb einen Tag bey uns. Das Haus war voll von Gästen, denn denselben Abend zog eine Familie bey uns ein, die Clausthal verließ, und der wir unser Haus für die lezten Tage ihres Aufenthalts angeboten hatten. Das gab eine eigentliche Studenten Wirthschaft. Marianne hat uns ungern verlaßen. Therese hofte Gutes von einer kleinen Entfernung aus ihrer Eltern Haus, und es war ihre lezte Bitte sie zu mir zu nehmen, aber ich hoffe wenig. Wenn auch das Schauspiel unsres ruhigen Glücks einen guten Eindruck auf ihr Herz machte, das oft so unverdorben und fein zu fühlen weiß, so wird doch alles bald wieder ins alte Gleis kommen. Launen, die so tief eingerißen sind, und unglückliche Verhältniße beßert keine vierwöchentliche Abwesenheit. Außerdem hat Marianne sehr viel Gutes, viel Verstand wie alles was Heyne heißt, aber der Genius ihrer Familie waltet auch über ihr. Es ist ein Glückzerstörender Geist, doch wolt ich ihn nicht gern Dämon nennen.
Jene Familie hat uns erst gestern verlaßen. Sie hat 40 Jahr hier gewohnt, aber die lezte Zeit viel Unannehmlichkeiten gehabt. Doch schändet es die Herzen unsrer Einwohner, daß man sie mit der härtesten Gleichgültigkeit ziehn ließ, und wir, die Fremdlinge, ihre lezte Zuflucht seyn musten. Sie sind zwar tant soit peu mit uns verwandt, und alte Bekante meiner Eltern, aber wir kanten sie doch nur so kurze Zeit....
Ruh und Trost sey mit Deiner sanften Seele, und in Deinem Herzen ein freundschaftvolles Andenken an