Die höchste Angst und Betrübniß schreibt nicht, lest kein Wort durch die Lippen, weil man fürchtet, jeder Ton möchte die Tränen hervorlocken, die man so gern nur für sich allein hat — dies war ein Zustand vor Achttagen — ich kahm von der Leßen nach Hauß, wo ich die Paradis gehört hatte, war noch in einen gewißen schwindel, den Musick immer bey mir zurück lest — Breuer führte mich nach Haus — diesen frug ich, wie wir an Dieterichs Hause vorbey giengen, in welchen Zimmer er wohnte — drauf nent er mir alle — auch — dort oben wohnt Profeßor Meyer, der jezt sehr krank ist, er ist ohnmechtig von der Bibliotheck gebracht — ich war nahe beim umsincken... den Morgen weint ich, lief um 8 Uhr zu Böhmers und erfuhr da die Nachricht — M. sey noch schlechter, dies erfuhr ich von Mad. Böhmer — mit Beklagungen, mit Versen, die sie drauf gemacht hatte — ich war wie ein Eißklumpen bey der Erkundigungen durch Georg und Dortchen. Böhmer hat Louisen erzehlt, wie er meinen Namen genant, habe ihn M. die Hand gedrückt und seine andre auf den Mund gelegt, als wolte er mir einen Kuß zuwerfen. — Eine ungedultige Seele soll er jezt seyn, ehr er wieder ausgehn kan. Liebe Beste, ich bin jezt so leicht, so froh — ich mag an die vergangenen Tage nicht denken. Er lebt — er liebt mich — ich werd ihn bald wieder sehen — ich bat den Himmel immer ihn nur dan leben zu laßen, wen er für mich leben solle — Er lebt! dan lieber sterben — wir verstehn unns... Ich erfuhr von Louisen des Tags wohl viermal Nachricht. Das liebe Mädchen — sie liebt — ich darf nur wie von Tarent der Aebtißin von etwas reden — und sie hat mitleiden — versieth mich — hat auch tränen, wen ich weine — wen ich weinte — nun keine tränen mehr — die des Dancks — der Freüde, auch die sind gefloßen, aber man vergißt sie, die des Kummers erst mit der Zeit.... Dies wort aus Werther Leiden ‒ des Ringsumfangenden Tods — nur diese stelle konte mich wieder ruhig machen — ich begrif dies selbst nicht — jezt versteh ichs. Sey nicht ungeduldig — laß mich ausreden — der vergangene Kummer will auch von meinen Herzen. Wen ich ihn nun wieder sehn werde?...
Gestern den ganzen Morgen von 9 Uhr bis 12 Uhr bin ich mit Louisen bey der Paradis gewesen, die uns beiden sehr lieb hat und ein liebes Mädchen ist mit viel Geist bey ihrer Blindheit, sie Singt nicht schön, aber mit ausdruck, den nur die haben können, denen sonst ein Sin fehlt, Pfeffel hatte sie der Leßen empfohlen — die Leßen ist ganz bezaubert — Bürger ist außer sich gekommen, wie er das Tralirum larum leyer von ihr gehört hat, und hat gesagt, das wäre einen Kieselstein in Gold gefast. Sie spielt sehr schön, vorzüglich eine Cantate von Pfeffel... Sie Reist mit ihrer Mutter und einen Herrn, um doch eine Mansperson bey sich zu haben. Die Mutter ist eine gute eüßerst ofne Frau, die allgemein gefelt, und die mich sehr lieb hat, sie nent mich nur, „ihr lieb Herzele“, zur Leßen sagte sie von mir, es ist ein lieb Schätzle, hat ein weich Herzle, was ihr aus den Augen kukt. Die Therese Paradis kent mich unter den Namen das Kniende Mädchen, weil ich nach meiner gewöhnlichen Art vor ihr niederkniete, sie fühlte mich — die Leßen sagte ihr — ich wers, die kniete — sie Küßte mich und sang mir ein Lied auf ein junges Mädchen — das eüßerst paßend war: in ihr Stambuch schrieb ich mich und da muste ich drunter schreiben „das Kniende Mädchen“. Sie hat Louisen ein Lied gelernt, wo diese Meyern mit empfangen will,
Wohl und immer wohl dem Mann
Der sein Liebchen sehen kann rc.
... Gester abend waren wir bey der Meiners... erst spielte Louise die Ariadne und ich deklamirte, und dan spielte die Paradis Medea und ich deklamirte diese auch — und nicht schlecht, den es war das lezte, was mir Meyer lehrte... viele sahßen einige Zeit auf der Erde um uns eine Wiese vorzustellen — die Par. war die Nachtigall — Auf einmal fieng die Par. ein Lied an zu spielen und zu singen, das mich immer auf eine Stunde Närrisch macht — wie ich das hörte, sprang ich auf, lief zu ihr — Louise mir nach — und nun fieng sie an zu lachen und sagte, sie hette mit Gerwin und der Leßen ausgemacht dies Lied zu singen, und sie hetten gewettet, ich würde von der erde auffliegen...
Am Sontag ließen wir uns bey Bürger und seiner Frau Molly melden, sie nahmen uns aber nicht an — ich hätte es sehr gewünscht, und wäre Meyer wohl gewesen, so wäre es auch geschehen — den der wünschte es sehr. Wen ich mahl ins Conzert gehe, will ihn mir M. vorstellen — Bürger hat eine Nütliche gute Kleine Frau, ich sah sie, und sprach sie am Mittewoch in der Paradis Conzert, das erstaunend voll war
... alles intreßirte sich vor sie — den Dienstag gab ein Violin virtouose mit nahmen Eck, der herlich spielen soll, ein Conzert, aber nur 40 Herren drin — er sagte, künftig wolte er sich für den blinden Eck ausgeben.
... Meine Correspondenz mit Dir hat eine ganz eigne Art — so völlig wie eine unterredung, so alles, was mir in den Kopf komt, was mich Intreßirt, mir gefält, muß meine Caroline wißen, in rheim oder Prosa, lustig und traurig, wen ich was schönes höre oder lese, so ist mein erster Gedancke, Du must es vor Carolinen beschreiben — nur eins bedaure, das ich nicht mit Dir theilen kann — was sich nicht übertragen lest — das ist Meyers vorlesen — seine so alles Natürlich darstellende Deklamation. Eben fällt mir auch ein, das Mad. Böhmer auf den alten Stißer und den schief en Nachtopf einen Vers gemacht Lobgedicht Lottens auf Mad. B. und Antwort. Auf Meyers Assenbléekleid ist dies Impromtü
Der Vetter Meyer hat ein Kleid, den Farben fehlt der Name, Ey! a la Zebra sprach vorwitzig eine Dame.
Und so geth es, wen wir beieinander sind, schlag auf schlag — es fliest uns nur so zu, so gar der blaße Jüngling, wie wir ihn nennen, den Kayser, macht Verse in dieser Art, als
Wischen und Lotte
sind eine böse Rotte.
Und bekömt ehr kein morgenbrodt, bis er seinen Vers gemacht hat — Wen ich ein feüriges schwungvolles Gedicht machen will, so muß ich mich nur plat auf den Boden legen — wir sind alle von einer Narheit beseßen.
Ließ so lange an diesen Wisch, als Du wilst, nur sey nicht ungeduldig — ich weis eine Zeit, wo ich wol 12 Bogen schrieb und fürchtete Deine Ungeduld nicht, weil ich mir nicht vorstellen konte, das, wen ein gewißer Name vorkäme, man langweilig werden könte.