Caroline von Schelling, Band 1


An F. L. W. Meyer.

Clausthal Sontag nach Tisch 1786.

Sie haben sich lezthin beklagt, daß ich Ihnen keine Feder voll Tinte für alle Ihre Mühe gönnte, und ich bin bös, daß Sie meiner gutmüthigen Diskretion so wenig Gerechtigkeit wiederfahren laßen. Da ich aber merke, daß Lotte meine Aufträge wirklich schlecht bestellt, und mir auf zehn Fragen keine Antwort wird, so muß ich grade zu gehn. Sie sagt mir nicht, ob die Bücher, die ich wünsche, nicht da sind, wenn ich nicht ihr Stillschweigen dafür nähme. Nun sind welche gekommen, wie ich sie nicht wünsche; Moores Reisen — warum nicht lieber einen Catechismus? wens doch was seyn soll, was man auswendig weis, und der macht doch keine Jagd nach Wiz.

Sie werden mir wiederholen, es sey ein mühseeliges Geschäft Bücher für mich auszusuchen, allein Ihren Grund dafür laß ich wenigstens nicht gelten, denn grade in meiner Lieblings Gattung giebts noch so erstaunend viel, was ich nicht gelesen habe — Ich bin nur so unglücklich in den Titeln von Büchern, die mir beym Lesen als merkwürdig aufstoßen; sie sind verschwunden, wenn ich sie nicht aufschreibe, wie ich künftig immer thun will; dann schwebt das Ideal von dem, was ich haben möchte, auf meiner Zunge und ich kanns nicht nennen.

Les Mémoires de Louise Juliane Electrice palatine par Fred. Spanheim scheinen nicht auf der Bibliothek zu seyn. ‒ Schicken Sie mir also nur ein großes dickes Historienbuch. Ich mag gern mit aneinander hängendem Intereße an ein Buch gefeßelt seyn, und angelegentlich dahin zurückkehren. Abgerißne Stücke haften nur schlecht in meinem Gedächtniß und unterhalten mich selbst für den gegenwärtigen Augenblick nicht so, daß ich das Brausen des Sturms nicht hörte, der uns hier den Frühling bringt, wie sie sagen, oder den Nebel nicht säh, der den Schnee zwar wegnimt, aber auch alle Aussicht ins Freye. Gustav that mir Genüge, mit Mary Stuart und vielen andern bin ich sehr zufrieden gewesen.

Sie habens mit einem trozigen Armen zu thun, lieber Meyer. Soll ich aber extravagant ? in meinen Forderungen seyn, so bin ichs auch in meinem Dank.

Therese hat mir geschrieben; sie scheint durch eine Unpäslichkeit ihres Mannes vieles gelitten zu haben. Ich kan nichts über sie sagen, aus Fülle des Herzens kans ich nicht.

Leben Sie wohl. C. B.