Viel kann ich Dir nicht sagen, meine Liebe, denn wir waren bey Trebras, ich habe dann noch an Mutter geschrieben, und Du bekömst die lezten Kraft meines müden Haupts, und meiner schmerzenden Augen.
Ists so mit Dir wie Du schreibst, so bist Du meine liebe Lotte und hast meinen ganzen Beyfall, sowohl in Deinem äußern Betragen als in Deiner innren Bestrebung zu seyn, was Du scheinen mußt. Was ich nicht gewagt haben würde Dir zuzumuthen, das thust Du, giebst trügliche Hofnungen auf ohne Verzweiflung. Der Himmel erhalte Dich dabey. Frey solst Du bleiben, damit Dein Muth nicht geschwächt wird. Vieles komt Dir zu Hülfe — daß Du nicht liebtest, und alles so höchst entfernt und schwankend war.
Aber, Liebe, mir komt er um desto armseliger vor. Wie dumm war das mit den Sonnabend angefangen! Ich erkenne ihn nicht mehr. Er hatte eine undankbare Rolle. Fährst Du hingegen so fort, so verdienst Du keinen Tadel, sondern Achtung, die ich für Dich zu hegen, mit Freuden die erste seyn werde. Laß Dich deshalb nicht verleiten zu glauben, Du habest schon viel und genug gethan, weil man Dich bewundert ‒ einen Fingerbreit nachgeben hieße alles einreißen, und Dich in die gewöhnlichste Claße herabsetzen. Seinen Stolz zu dehmühtigen ist der Mühe werth, weil er unbändig groß ist. Was wolte der Mensch? Läßt er sich nun leiten, oder ists eigne Grille? O Lotte, mach nur, daß Du Dir nichts vorzuwerfen hast, damit ich — ich einmal das Vergnügen habe ihn ohne Scheu zu untersuchen. Ja betracht es als ein fremdes Schauspiel und fürchte auch sonst weiter nichts. Diese Cabale und dieser Wankelmuth sollen Dir wahrlich nicht im Weg stehn. Freylich mußt Du alle Sonnabend nach B. gehn, keinen verfehlen! Ob Du die aufrichtige Erklärung an ihn wagen darfst, weiß ich wirklich nicht, liebe Lotte. Wenn Du gewiß wärst, daß sie Dich nicht über Deine Gränzen führte, so köntest Du, sonst ja nicht. Und dann möcht ich das nicht gern darinn haben: „so lange ich zu Ihrem Glück etwas beytragen konte“, es ist theils zu zärtlich, theils sehr herablaßend Das köntest Du wohl einfließen laßen: Du wärst weit entfernt irgend Prätensionen auf seine Freundschaft zu machen, die ihn beunruhigten. Und dann: er möchte kommen oder nicht, das wär eins, Du wärst bey Louisen als Deiner Freundinn, (und allenfals auch von wegen seines Stolzes) wärst ja lange vorher zu ihr gegangen, ehe er dahin gekommen wäre. Noch begreif ich den ganzen Menschen nicht, aber ich mag ihn nicht leiden. So geringschäzig muß man ein Frauenzimmer, daß man liebt, nicht behandeln, und so muß man nicht Sclav seyn. O ich regrettire den Herrn nicht, doch werd ichs ihm danken, wenn er Lotten Gelegenheit giebt, vernünftig und würdig zu handeln.
Viel Dank für alles Übrige unterhaltende. Ich habe mich diesen Abend sehr gut mit Hrn. von Stein unterhalten. Mein Mann hat den Alcibiades gelesen — bitte, bitte, mit der Botenfrau den 4ten Theil, und bitte, bitte — denn ich bin arm! Archenholz Reisen durch England und Italien, oder Briefe über diese Länder, wies heißen mag, genug, es soll sehr amüsant und wahr seyn, und es ist uns und Dahmens viel daran gelegen: Du magsts nun aus dem Buchladen oder der Leihbibliothek kriegen. Gern hätte ich auch aus dem Buchladen Jacobis Briefe über Spinozas Lehre. Es ist ein Weg für Dortchen, die ich schönstens grüße. Nun muß ich zu Bett — ich kan nicht mehr — Gute Nacht.