Freu Dich für mich, ich hab heute schon wieder spazieren gehn können. So gräslich die Welt vorgestern aussah, so schön ist sie jezt, voller Sonnenschein, und Vorbedeutungen des kommenden Gottes — ich weiß nicht, welches Geschlechts der Frühling ist — oder Göttin, also — denn ich will ihnen nicht zu nahe thun wie Du — die nur einen Buben für was rechts hält. Nimmer werdet Ihr verwahrloseten Mädchen doch Eure Natur verläugnen, oder der gemeine Haufen die ersten Vorurtheile ablegen. Ich gebe keinen Heller für einen Jungen, als in so fern ich mich herablaßend schmiege zu andrer Glauben. Und wird es ein Mädchen, so solst Du es wohl gern nennen, denn es kriegt einen Nahmen, der gut lautet, obgleich Basen und Vettern dagegen schreyn, und sich das arme Wesen durch nichts als überschwengliche Liebwürdigkeit von der vorgefaßten Meinung wird retten können, die auf seinem Geschlecht und Nahmen ruht. Aber Du woltest mir ja einen für einen Jungen angeben, thu es bald, oder ich nenn ihn in der Desperation Johann Georg — oder David Ludwig. Ein Unglück ist es, daß Du so oft auf
Fragen nicht antwortest; scheinen sie Dir gleich unbedeutend, so wiße, daß spartanisches Gewicht auf ihnen ruht, keine geschieht überflüßig — als Z. Beyspiel: soll ich meine weißen Kleider plätten laßen, oder nicht.... Weist Du nichts aufzugabeln, was einen Coup d’éclat macht — auch nur, um sich grosmüthig der Menge gleich zu stellen. Schick mir hierüber einmal eine Dißertation mit aller unausstehlichen Gründlichkeit der alten Stißern abgefaßt...
Das kleine Schneiderwomen hat mich eben... Es geht mir eigentlich närrisch, ich denke, Ihr solt immer funkelhagelnagelneue Raritäten aufgethan haben, die mir in dieser Residenzstadt etwa neuen Rélief mittheilten, denn wir schnappen doch immer nach Neuheit so begierig wie nach reiner Luft — und dann wißt Ihr doch nichts, und wenn ich selbst komme, sind ich meist das Alte, und doch auch so vieles neu, was Ihr bey Euren Referationen übergangen habt — Kurz, Abwesenheit ist keine Gegenwart, wenn einen gleich ein Genius in Gestalt der alten Harzbacher Botenfrau alle Woche einmal mit der Nase an einander stößt.
Gut und pfiffig, daß Sie sich selbst verdammt, einem die Worte aus dem Munde nimt, um dem Anhören der beschwerlichen Litaney zu entgehn. Man hat denn doch immer so eine gewiße Zärtlichkeit für den Laut eigner Stimme. Wohl, thu sie nur nach derselben...
Grüß Louisen Michaelis herzlich, und sie sollte gern kommen. Laß sie gleich was zu lesen mitbringen, nach dem Ideal des Chévalier de Ravannes. Anders gilt nichts vor und nach dem Wochenbett. Gott, wie war ich doch das vorigemal so herunter, daß ich, die den Ariost nie mit der geringsten Bewegung las ‒ wie das in der Übersezung auch wohl nicht möglich ist; sondern über das Gethürm von herzbrechenden und lanzenbrechenden Abendtheuern leicht hinweg glitschte, nun mit höchstgereizter Einbildungskraft jeden Riesen und Drachen sah, zischen hörte, und heulen konte, über die Schöne, die ihren unverwundbar geglaubten Hals zur Probe dem Schwerdt darbot. Ganz so arg, dächt ich, könt es auch bey gleichem Leiden nicht wieder werden, denn ich bin vorher gewafnet, und jene Zeiten waren überall eine Crisis der schwärmenden Vernunft: Wörter, die sehr wohl zusammen paßen, ohngeachtet es nicht so scheint. Recht neugierig bin ich, wie es mir dies mal gehn wird. Da komt Auguste: schreiben an Tante Lotte Auta ist ein gut Kind — wie ich schrieb Auta, sagte sie: heißt Auta. Lotte, ich schwöre Dir, Du würdest Dich bis in die Fingerspitzen des Mädchens freuen. Gern hätt ich die Vorrede von Schlözer, und etwa — sonst noch was, nur damit die Botenfrau das Ansehn eines süßen Packesels nicht ganz verliert. Die Dahmen zerfließt in dankbarer Liebe.