Caroline von Schelling, Band 1


An Lotte Michaelis.

Clausthal Donnerstag Abend 27. Dec. 1787.

Ewr Ladyschaft sind heut vermuthlich noch matt und müde von den plaisirs des gestrigen Tags. Ich befinde mich weder beßer noch schlechter als an irgend einem andern, außer der Unterhaltung, die mir die Amtmannin von Hohenweiler gewährt hat, und die wirklich ein Fest für mich war. Eine liebe anziehende Erzählung, und an der ich nichts auszusetzen weiß, als daß sie gegen das Ende für den simpeln kunstlosen Anfang durch das Treffen bekanter Personen zu romanhaft wird — und das liegt wohl in der Natur der Sache, denn die Alte hatte gar viele Kinder, und jeder seinen Anhang, der ganz natürlich bald hinter ihm herkam, und ihr Haus war der allgemeine Sammelplaz. Das mir anfangs ganz unnüz scheinende Mährchen ist nachher so gut genuzt und verflochten. Ich ziehe es Waltern vor und möchte wißen, wer denn der Verfaßer wär? Es thut mir nur leid, daß ich dergleichen immer allein verschlucken muß. Böhmer erzähl und lob ich nur, aus dem Hause geben thu ichs nicht, und das Vorlesen ist nun einmal in Ewigkeit nichts mit Dahmens. Da mich die alte Amtmannin schon allein so ungemein vergnügte, was wärs nun gewesen, wenn Du es mir Z. B. vorgelesen hättest, in einer comfortablen Stube bey abscheulichen Wind und Wetter so recht in sich selbst gehüllt, zur Diversion etwa eine Taße Thee! Es ist besonders, daß Schildrung und Darstellung einen so ganz andern Eindruck auf uns macht als selbst die nehmliche Wirklichkeit, die wir im Abdruck lesen, und daß über der gemahlten Welt man so leicht und gern sich selbst vergißt. Durchaus ist nichts so schrecklich, nichts so angenehm, als es unsre Einbildungskraft empfindet. Deswegen mögen leicht verführerische unreine Bilder die Seele mehr entweihn wie die That, um nur ein Beispiel unter tausenden zu nennen, und ich habe oft gedacht, selbst ermordet zu werden könne nicht so fürchterlich seyn, als die schaudernde Vorstellung.

Augustens Weynachtsfreude übertraf dem ohngeachtet meine Erwartung, und ihre Dankbarkeit war allerliebst. Sie kam mit ausgebreiteten Armen in die erleuchtete Stube, und freute sich dann laut, naiv über jedes einzelne Stück. Die Geberinnen der Puppe erräth sie — ich bedanke mich auch bey den Tanten, daß sie mir das gegeben haben, und bey Grosmama darüber bedank ich; denn das ist ihr gewöhnliches Wort. Erst wurde bey Dahmens ausgetheilt, und hatte sie Taschen, ein paar bunte Schuh und allerhand gekriegt, und dann kamen alle hrüber, wo denn auf des Canapees Mitte die Puppe paradirte, auf beyden Seiten die Kleidungsstücke für die Kinder, und auf der einen besonders der hohe Kinderstuhl, an dem Billys Hosen gespendelt herunter hingen und das übrige Zeug eine sitzende Figur formirte, auf der andern der runde Tisch mit Thereschens Spielsachen und Zuckerbildern, und wieder in der Mitte Augustens mit dem Geräth und Zinn, der Wagen und ein klein Spinnrad und Haspel auf der Erde recht simmetrisch und mit vielen kleinen Wachslichtern verziert. Die Puppe wird noch ein Cabinetstück werden...