Caroline von Schelling, Band 1


An Luise Gotter.

Clausthal Febr. 1788 Montag Abend 9 Uhr.

Einen lieben Bekanten unsres Hauses Dir und Deinen Mann nur mehr gradezu zu empfehlen, als es für sich selbst geschehn würde — das veranlaßt diese eiligen Zeilen. Ich glaube, meine Louise, ich schrieb Dir noch nicht — Du weist aber, daß meine Briefe an Wilhelmine ganz für Dich mit sind, so als stünde

Deine Adreße darauf. Hr. Blankenhagen wird Dir sagen, daß ich ziemlich wohl bin — ich darf nicht zu genau seyn im Berechnen schwerer Stunden. Er wird Dir vielleicht auch sagen, daß ich leidlich ruhig scheine, und damit darf und muß sich Deine Freundschaft für jezt trösten. Sanft zu leiden ist die größte Anstrengung, deren ich jezt fähig seyn kan, die nothwendigste, denn die Ausbrüche meines Kummers, die ungestümen Thränen des Jammers schaden mir unmittelbar. Man gewinnt doch viel, wenn man sie unterdrückt, man geräth in eine traumähnliche Betäubung. Nicht als sucht ich mich fühllos zu machen, oder als wären die Bilder der Vergangenheit weniger lebhaft — ein lebendes Monument des Abgeschiedenen ist Deine Caroline, er lebt in meinem Herzen aufs allergegenwärtigste — noch spiegelt sich der lezte dankende lächelnde Blick seiner Augen in den meinigen — so ist mir — und doch, weil diese stets um mich schwebenden Erscheinungen mich von der Wirklichkeit abziehn, erleichtern sie meinen Zustand. Auch von meinen Kindern kan Dir der Ueberbringer sagen, was Du hören wilst. Er sah sie täglich.

Gott segne Dich meine Beste nebst den Deinigen. Caroline B.