Gott sey Dank, Du bist uns wiedergegeben, liebes Weibchen! und Deine rückkehrende Gesundheit verscheucht alle die finstern Phantome, welche Dir Dein kränklicher Körper schuf. Frag mich nicht, ob ich das begreife. Ich weiß nur gar zu wohl, daß unsre Seele ein Clavier ist, auf dem körperliche Leiden spielen, was für ein Getön sie wollen.
Weibchen, es geht Dir wie dem Kinde am Weihnachtstage; die neuste Puppe ist immer die schönste; denn sonst begrif ich nicht, wie Therese ungleich schöner seyn sollte als die gute Auguste, die, wie es scheint, bey der Frau Mama ein bischen ins alte Register kömmt, daß sie klug und lebhaft ist, wird ihr zwar zugestanden — aber hübsch?, schön? — wie, denn nun ist Therese da. Caroline, laß mir Augusten mehr Gerechtigkeit widerfahren — sonst bleiben wir keine Freunde.
Die Idee, daß ich doch im August nach Goettingen kommen möchte, ist nicht viel minder unausführbar, als eine Reise nach Kamtschatka. Gegen die Zeit werden meine Collegia duplirt, wenigstens das eine, und da lese ich Nachmittags 3 Stunden hinter einander, die Vormittags Stunde ungerechnet. Überhaupt kann ich Dir auf die Frage, wie ich lebe, kurtz antworten, ich bin ein Ding, das Collegia ließt. Gott sey Dank, daß ich nicht bloß unter den Geschäften, sondern nach und nach unter den sogenannten Vergnügungen (eine Tete à Tete mit Carolinen macht freylich eine Ausnahme) nicht leicht einen für mich angenehmeren Zeitvertreib kenne.
Jedem Narren gefällt seine Kappe, mir die meinige, und es ist ein großes Glück, daß sie mir so gefällt. Es war von ieher meine Lieblingsneigung Profeßor zu werden, und die Neigung ist gewachsen, iemehr ich Vergleichungen anzustellen Gelegenheit hatte. Ich weiß, daß die meisten Menschen sehr anders darüber denken, und weiß auch wohl, bin nicht blind dagegen, daß das Profeßorleben auch seine Unannehmlichkeiten hat. Aber ietzt fühle ich sie noch nicht. Vielleicht einmahl, wenn ich den Bauern predigen soll.
Da hast Du also eine encyclopaedische Vorstellung von meiner Lebensart, so wie Du sie wünschtest. An Jung habe ich zwar einen Schwärmer, aber warmen theilnehmenden Freund gefunden. So hätte ich deren hier also zwey, nur Schade, daß beyde für mich zu alt sind, und über die meisten Gegenstände sehr verschieden von mir denken; doch mit ein bischen wechselsweiser Tolerantz in der Welt kömmt man gar weit....