Caroline von Schelling, Band 1


An Philipp Michaelis ?.

Marburg d. 16 Dec. 1789.

Es liegt mir doch am Herzen Dich nicht ohne Nachricht von uns zu laßen — welches Du sicher daraus schließen kanst, daß ich Dir heute schreibe, wo ich eigentlich nur fähig bin an die — ich hoffe — überstandne Bekünnnerniß zu denken, welche mir Röschen machte. Die Masern gingen leicht vorüber, allein sie ist vorher krank gewesen und es auch nachher geblieben — ein sehr heftiges Fieber, vermuthlich Brustfieber, aber auch mit vielen Unreinigkeiten in den Eingeweiden vergesellschaftet — hat das liebe Geschöpf sehr herunter gebracht. Gestern Abend, wo der Leib hart wurde und ihre Angst sehr groß war, glaubt ich Ursache zu haben für eine Furcht, deren bloße Vorstellung mich mehr, wie ich Dir beschreiben kan, angriff. Ich bin ängstlicher gewesen wie je — ein Zustand, den ich sonst nicht lange tragen kan — aber es war mir nicht möglich ihn zu überwinden. Wenn ich sie verlöre, so wäre ich unglücklicher wie ich vielleicht noch war — und die Überzeugung davon ist mehr wie der Schmerz der Gegenwart — es ist nicht anders — meine Ruh wär auf immer zerrüttet. Und wenn man mehrere Erfahrungen machte, sieht man die Gefahr auch näher — kurz, ich konte mich im Anfang nicht faßen. Nach den gebrauchten Mitteln ist sie weit beßer, ob die Nacht gleich sehr unruhig war, welche ich bey ihr zubrachte. Man versichert mich, und ich glaub es jezt auch, daß die Gefahr ganz vorüber ist. Sie ist immer bey Verstande, und mir sehr liebenswürdig, wenn gleich sehr eigensinnig — aber doch auf eine standhafte Art, welche mir lieber ist als Artigkeit mit hülfeflehender Weichlichkeit. Du würdest sie sehr verändert finden an ihren kleinen runden Körper... nichts von Convulsionen, vor welchen ich zitterte. Sie hat auch noch viel Kraft, und ich denke mit einiger Sicherheit, was mir die andern mit Zuverläßigkeit sagen, daß sie in der Beßerung ist. Sie spricht ganz ordentlich. Ich bin auch 8 Tage beynah bettlägrig gewesen — zu dem Zahngeschwür gesellte sich heftiger Krampf im Kopf und ein Stück Gallenfieber, mir ist auch noch nicht wohl, und seit Du weg bist, bin ich nur wenig Tage im Stand gewesen auszugehn — weswegen ich denn auch die ganze Welt vergeße, mein Zimmer und mein Thal ausgenommen, längst welchen der Strom rauscht und einzelne Raben ihren freundschaftlichen Flug durch daßelbe nehmen. Lottens Gegenwart ist mir sehr lieb, ohngeachtet es mich auch zuweilen drückt, daß andre mein Ungemach theilen. Ich habe genug zu thun um in meinen kleinen Bezirk die Ordnung nicht ausgehn zu laßen — ohne welche ich verkommen müste. Alles dies ist auch Ursach, daß ich Theresen noch nicht geschrieben habe — es ist einer meiner Wünsche, bald Muße dazu zu gewinnen. Ich denke oft an sie — es freut mich, daß die Kleine Clara heißt — wie ich Theresen kaufte, wankte ich zwischen den beyden Nahmen. Ich hoffe, es geht noch alles gut. Du kanst mir wieder schreiben.

Die La Roche ist nun zurück und hat sich sehr mit der Brentano gezankt. Daß Du in die Niece ? verliebt bist, ist eine ausgemachte Sache. Wenn La Roche wieder durch kömt, so findet er schlimmen Weg — alles ist gegen ihn. Die Herren, die seine Feinde waren, haben auch die Damen umgelenkt, und sich der Abwesenheit des Weltüberwinders zu Nutz gemacht. Lotte legt eine Ermahnung bey. Übrigens war der Brief in der Bibel von mir. Rosa ist jetzt recht munter.