Anfang, ein Doppelblatt, fehlt.
...sie schien etwas in stillen Phantasien zu sehn, wonach sich dann ihre schönen Arme verlängernd ausstreckten, das selbst ihre Finger sich auszustrecken schienen. Dann faßte sie fest in meine Haare — einmal zog sie meine Hand fest an ihr Herz — sie pflückte in leisen Krämpfen am Bettuch — und ich verblendete mich noch über dies Zeichen. Dabey war sie ganz bey Verstande — sie begriff mich noch, wenn ich ihr vom Weinachten sagte, den die Großmutter schicken würde — sie antwortete noch — Gusten auch. Den krampfhaften Zustand zu lindern verordnete Friz ein warmes Bad, worinn ich sie in unaussprechlicher Angst meines Herzens sezte. Ich war entzückt, wie es ihr so wohl darinn ward, daß ich es ihr ansah, und sie selbst sagte: gut Gut! mit der innigen Stimme, mit welcher sie ihr Ja aussprach, und wie ich sie wieder ins Bett gelegt hatte, und sie um so vieles beßer schien — es war gegen 4 Uhr Nachmittags — ich konte nicht an ihrer Rettung verzweifeln... Gegen 8 Uhr... ein zweytes warmes Bad — in das ich sie mit einer schrecklichen Anstreugung meiner selbst noch zu sezen die Kraft hatte, indeßen alles zitterte für das Leben des theuren Lieblings, und Lotte in einen heftigen Anfall von Schlucken und convulsivischen Bewegungen sinnlos auf der Erde lag — starke Dosen Moschus — alles wurde gebraucht — von meiner Seite ohne Erwartung — vermuthlich auch von den übrigen. Ihre Krämpfe äußerten sich nicht in Zuckungen, nur in einen leisen Dehnen, auf welches Steifigkeit folgte.
Ich war thätig, bis ich nichts mehr zu thun fand — dann sezte ich mich neben Lotte aufs Canapee — meine Rose wurde still — die Malsburgen und Breidenstein knieten vor ihrem Bett — keins von den Mägden war gegenwärtig — alles wurde still — und ich wünschte sehnlich, daß doch diese Stille nie möchte unterbrochen werden. Ich bebte vor dem Augenblick, wo ich, bewegungslos mit festgehefteter Seele — mich wieder bewegen müßte. Wo bist Du, Geist der Schlummernden? Die Frage trat mir nahe unter Bildern, unter Ideen, von welchen die eingeschränkte Menschheit nur dumpfen Sinn hat — und wenn sich diese Dumpfheit mit Sehnsucht nach deutlichern Wißen mischt — und in denselben Vorstellungen auch das Gefühl des Verlustes erwacht — meine Brust arbeitete entgegen mit der Gewalt — die ich wohl kenne — allein ganz so noch nicht übte — Ich blieb mit Lotten zulezt allein — und rief nun die Leute, damit sie des Nachts bey der Entschlafnen wachen sollten. Sie kamen, und wußten noch nicht, daß sie todt war. Ob ich nachher schlief oder wachte, weiß ich nicht. Ich blieb ruhig — Auguste beschäftigte mich — sie schien es gar nicht zu merken — sie ging allein in die Stube — kam wieder heraus ohne weitre Äußrung, endlich sagt ich ihr, daß Röschen nun nicht mehr mit ihr spielen könte. Da brach es aus — sie schriee mit einem beynah wiederwärtig heftigen Ausdruck: das solst Du mir nicht sagen, Mutter! als wenn sie es vor sich selbst hätte verbergen wollen bis dahin. Ich kan Dir das eigne davon nicht beschreiben — es schien innre Tiefe mit einer so sonderbaren Gedankenlosigkeit verknüpft — ich konte nicht wahrnehmen, daß etwas in ihr arbeitete — und doch, wenn es auch nachher wieder zu Thränen kam, schien es Ausbruch verhehlter Regung zu seyn. Jezt mischt sie viel kindischen Leichtsinn in ihre Errinrungen, welche sehr häufig kommen. Sie ruft Röschen — sie sagt: ich sehe sie, sie will nicht kommen, sie ist bey ihren Vater.
Ich brachte den übrigen Tag in einer Gleichgültigkeit zu, in welcher ich mir nicht ganz bewußt war, wie viel ich dazu beytrug sie zu erhalten — die Erschöpfung sagte es mir. Ich war am Abend so matt, daß ich nicht gehn konte, und wie sich ins Bett kam, wurde mir sehr übel, und ich hustete Blut, welches die ganze Nacht anhielt, und worauf eine große Schwäche folgte. Ich gewann aber meine Kräfte bald wieder, und ward wenigstens nicht unthätig. Meine Gesundheit ist seit dem gewesen, wie Du es Dir bey meiner Constitution denken kaust — nur litt meine Brust und zog sich so zusammen, daß ich nicht grade sizen konte, und mitunter kam immer etwas Blut, welches vermuthlich davon herrührte, daß es sich im Unterleib angehäuft hatte. Es ist mir jezt doch erträglich zu Muth — ich bin zweymal spazieren gegangen — und mein Husten ist nur krampfhaft — die freye Luft stärkt meine Brust wieder....
Lebe wohl, ich kan nicht mehr schreiben. Die La Roche schreibt mir heute, daß sie Dich erwartete — Du bist also vermuthlich da gewesen. Sage Theresen, daß ich ihr wohl mit nächsten Postag schreiben werde — weil ich gern will. Gott erhalte ihr, was ich nicht habe, und was nicht mehr zu haben, ich nie schwächer fühlen kan, da ich es mit voller Besonnenheit fühle. Nur noch ein Kind — und das holde, das mir so viel süße Erwartungen gab — hin — mit allem, was ich für sie hätte thun können.