Caroline von Schelling, Band 1


An Hardenberg.

Jena 15 Nov. 1798.

Gestern bekam ich Ihre zwei Briefe vom 7 und 11 November auf einmal. Sie müssen doch nachforschen, woran das liegt. Meinen haben Sie auch spät genug erhalten. Sie können denken, wie mir es num auf der Seele brannte, Ihren Auftrag auszuführen, der doch ein wenig unbestimmt gegeben wurde. Die Krankheit Ihrer armen Freundin errieth ich gleich; hätt ich nur auch die Mittel gewußt. Auf das Ohngefähr wollte ich nichts ankommen lassen, da mir bekannt war, welchen fürchterlichen Grad sie erreichen kann. Also entschloß ich mich an Starke zu schreiben, weil Sie selbst ihn Hufelanden vorziehn und ich doch auch mit diesem nicht in so fortgehender Verbindung stehe, wie Sie mit jenem. Da ich indessen daraus, daß Sie sich nicht unmittelbar an Starken wandten, auf irgend eine Ursache dazu schließen mußte, so benahm ich mich vorsichtig und sagte ihm, Sie schrieben mir von einer gemeinschaftlichen Bekanntin in dortiger Gegend das und das — und wünschten, daß ich ihn darüber zu Rath ziehn könnte. Hier haben Sie seine Antwort. Ich hoffe sehr, sie wird zu eurer dortigen Beruhigung beytragen. Als Gesichtsschmerz erkannte ich das Uebel deswegen gleich, weil es Böhmer mehrmals auf dem Harz zu behandeln hatte und ihn die Auffindung der Heilmittel sehr beschäftigte. Ich errinnere mich, daß es bey einer Frau bis zu einem solchen Krampf kam, der in Mundsperre und Wasserscheue ausartete; sie wurde durch Belladonna gerettet. Brauchen Sie ja die vorgeschriebenen Mittel. Der junge Arzt wird es sich wohl gefallen lassen. Ich habe keine Ruhe, ehe ich nur diesen Brief fortgehen sehe, da ich denke, er bringt Hülfe mit. Ihre Patientin ist doch gewiß niemand anders als Ihre Harmonika.

Einen langen lieben Brief, der auch eine rechte Harmonika ist, habe ich von Ihnen, beantworte ihn aber heute nicht. Ich bin zu eilig und habe den Brief auch nur noch im Gedächtnis, weil ihn Friedrich gleich erhielt. Und auf mein Gedächtnis kann ich mich nur im Ganzen und Großen verlassen.

Wir haben die Propyläen noch nicht gesehn. Was brauchen wir auch die Vorhöfe, da wir das Allerheiligste selber besitzen. Er lebt alleweil mitten unter uns; gestern habe ich mit ihm soupirt, heute werde ich mit ihm soupiren und nächstens gebe ich ihm selbst eine Fête. Kommen Sie dann auch. — Ich freue mich sehr auf die Propyläen, das ist auch ein Genuß. Er hat kein Exemplar mitgebracht; denen, die hier etwa sind, mögen wir nicht nachjagen. Er will eins von Weimar kommen lassen. Die Vorrede scheint voll väterlichster Milde. Denken Sie dabey an eine gewisse andre Vorrede oder Ankündigung. Wenn Sie die Allgemeine Zeitung lesen, so haben Sie auch den ächten Bericht von Wallensteins Lager gelesen. Der darin enthaltene Brief ist gewiß von der Hand des Meisters. So viel thut er für seinen Freund, der sich auch im Vorspiel und Prolog als sein Jünger — Göthesker wie jemals zeigt. Was sonst im Almanach von Schiller steht zeigt aber, daß er sich hieran erschöpft hat. Sie können den Almanach und meine paar Worte über Wallensteins Vorspiel von Charlotten bekommen, wenn Sie sie ihr abfordern wollen, denn von selbst schickt sie Ihnen nichts, da ich ihr keinen Auftrag gegeben.

Mit dem Athenäum stockt es, lieber Freund. Vieweg ist unschlüssig, ob er es fortsetzen will, und beträgt sich selbst als bloßer Kaufmann auf die kleinlichste Weise. Er hat zu viel gedruckt — 1500 Exemplare — und auf zu kostbarem Papier. Er macht Berechnungen, nach denen man ihm noch herausgeben müßte. Er sieht nicht ein, daß er in diesem Journal etwas auf die Dauer hat, sondern es soll gleich alles damit auf dem Reinen seyn und der Prosit baar auf dem Tisch. Sie sind noch in Unterhandlungen, und ich will mich also nicht weitläufiger darüber verbreiten. Unsre schönen Gemälde sind noch nicht gedruckt. Ich wollte, sie kämen in die Propyläen. Meine Meinung ist, sie, nämlich die Brüder, hätten kein Journal sich auf den Hals laden, und Wilhelm nicht Profeßor werden sollen. Er ist so mit dem Collegium beschäftigt, daß ihm das mit dem Athenäum kaum eine Sensation gemacht hat. Friedrich triffts desto härter, besonders von der ökonomischen Seite.

Der trotzige Schelling war eben hier. Er hat mir den Prévot für Sie versprochen. Den Le Sage kann er nicht schaffen. Ich habe mich bemüht sehr deutlich zu schreiben. Gewöhnen Sie sich hübsch daran mein undeutliches Geschreib zu lesen. Geben Sie mir bald Nachricht von der Kranken, damit ich auch Starken davon sagen kann, und leben Sie wohl. Wir lieben Sie herzlich.