Caroline von Schelling, Band 1


Auguste Böhmer an Cäcilie Gotter.

Jena den 18 Februar 1799.

... Du wirst Dich errinneren, daß voriges Jahr zu Loder seinen Geburtstag eine Kinderkomödie aufgeführt wurde. Dieses mal wird wieder gespielt, aber eine ordentliche von großen Personen, und die Mutter und ich spielen auch mit. Die Stücke, die gespielt werden, sind die Heurath durch ein Wochenblat und der Schwarze Mann. Das erste Stück ist recht drollig... unter andern macht die Mutter die Rolle einer Schneidersfrau, die sich für eine Gnädige Frau ausgiebt und einen Schneiders Purschen als ihren Jockey verkleidet, daß ist nun ganz zum todtlachen... den verkleideten Schneiders Purschen werde ich die Ehre haben vorzustellen, und die Mutter läßt mir deswegen eine ordentliche Jungenstracht machen...

Du wirst wohl schon wissen, daß neulich in Weimar Picco lomini, der erste Theil von Schillers Wallenstein, aufgeführt ist. Wir fuhren hinüber. Das Stück ist äußerst intereßant, es enthält die Trennung der beiden Piccolomini wegen Wallensteins, und deßen öfentlichen Abfall von dem Kaiser. Schiller hat der anhänglichkeit des Jungen Piccolomini noch einen andern Grund gegeben als in der Geschichte; er liebt Wallensteins Tochter Thekla, die sehr liebenswürdig geschildert ist. Das Gastmahl ist auch drin, wo sich alle Generals der Armee unterschreiben ihm unumschränckt zu dienen. Und wie der Vater Piccolomini sie durch List und Versprechungen und indem er ihnen vorstellt, daß sie dem keine Treue schuldig sind, der selbst ein Verräther an seinem Herrn ist, wieder auf die Seite des Kaisers lockt, und Wallenstein, der so fest auf die Treue seiner Armee baut, auf einmal von lauter Feinden umringt ist. Daß alles ist so hinreißend geschildert, so intereßant daß ich ganz außer mir war, und ich kanns noch nicht verwinden. Der Astrolog Seni kömmt auch schon vor und eine Scene, wie sie die Sterne beobachten in Wallensteins Astrologischen Thurm. Daß war eine sehr schöne Dekoration. Überhaupt war vors Auge ebenso gesorgt wie für den Geist, die Dekorationen waren sehr Prächtig, wie auch die Kleidung. Bald wird nun auch wohl Wallensteins Todt aufgeführt werden. Daß wird erst was werden! Da wird man nicht ganz auß dem Theater kommen vor interesse...

221. Friedrich Schlegel an Caroline.

Berlin den 19ten Febr. 1799.

Gestern war hier Piccolomini! aber nicht für mich, vielleicht noch nicht so bald. Ich lebe und webe ganz in der Lueinde und begnüge mich vor der Hand mit Ihrer Darstellung des Weimarschen Darstellens, da diese ohnehin potenzirter ist als das Stück selbst. Sie haben mir große Freude damit gemacht, und ich wollte, ich könnte Ihnen lohnen. Aber heute ist mir alles schief gegangen: die Bogen vom Don Quixote habe ich nicht erhalten, von den Aushängebogen des Athenäums fehlt mir auch noch der 10te und mit diesem der Schluß Eurer Gemählde. Darum schicke ich lieber beydes erst künftigen Posttag, und dann vielleicht auch eine Fortsetzung der Lucinde, wenn Henriette Zeit haben wird, denn Dorothea ist mit der einen Abschrift beschäftigt und arbeitet auch schon am Faublas, den wir für Fröhlich übersetzen und umarbeiten.

Schleiermacher ist jezt in Potsdam in Amtsgeschäften und ich also bey mir allein. Er wird wohl bis Ostern da seyn müssen, und ist auch allein da, die Religion ausgenommen. Die wird so gedruckt wie der Fürstenspiegel und wir thun also das unsrige für die neuen Lettern.

Religion ist übrigens nicht viel darin, außer daß jeder Mensch ein Ebenbild Gottes sey, und der Tod vernichtet werden soll. Indessen ists doch ein Buch wie mein Studium der alten Poesie, revoluzionär und der erste Blick in eine neue Welt. Ich glaube, Ihnen wird es wohl gefallen: denn es ist gebildet und fein, ein classischer Essay!

Sie werden nun schon wissen, daß es ein Misverständniß ist mit den Reptilen so! und daß Ihr Lucinden und die Novellen, die ich ins Athenäum geben will, in Eins gemischt. Die werden, wenn Gott will, durch und durch witzig seyn, und brauchen es nicht für einen Raub zu achten, wenn sichs grade trifft, solche Personalitäten auszuhauen wie etwa Tieck in der klassischen Mühle des guten Geschmacks. Nun schreibt mir also von neuem Eure provisorische Meynung in Rücksicht auf das Athenäum, bis ich schicke. Ich bin bald so weit in der Lucinde, daß ich mit ganzem Ernst fürs IVte Athenäum arbeiten kann. —

Der Fürst Reuß ist gestorben und hat zuvor noch declarirt, daß er mit Marianne heimlich verheyrathet war. Ich habe sie noch nicht gesehn, sie ist unwohl und fast krank. Hoffentlich ist alles gründlich und rechtlich gemacht und sie hat reichlich zu leben. Dann zieht sie wohl zu Euch nach Weimar, denn hier möchte es sie doch in Verlegenheit setzen, daß sie nun Durchlaucht ist.

Herrlich, göttlich und mehr als göttlich ists, daß Sie so entschlossen sind ‚nach Berlin zu kommen. Thun Sie’s doch nicht, so verpfände ich Haus und Hof und komme zu Euch. — In dieser Rücksicht ists auch gut, daß Sie der alten Bestie so artig geschrieben haben. Mich verdroß es nur, daß der Brief außer seiner Artigkeit auch noch schön war, und daß Sie noch oben drein ein so schlechtes Buch darin in Protection nehmen, das es fast so wenig verdient wie die Ungeheuern Ihre Briefe. Indessen nehmen Sie das nicht so schwer. Schreiben Sie nur lieber nichts, aber kommen Sie auch, c’est le principal.

Auf die Elegie freue ich mich unaussprechlich. Sie wird recht sehnsuchtsvoll erwartet, denn ich rede allermeist davon. Die Gedichte aus dem Griechischen schicke Wilhelm recht bald; das ist gut und köstlich. Gegen die οαριστυς kann ich nichts haben fürs Athenäum: überlegen Sie es also mit Wilhelm. Warum denn nicht? — Reichards sieben Töchter brauchen uns ja nicht zu lesen.

An Fichte schreibe ich mit nächstem; auch an Schelling, der mir seine Naturphilosophie versprochen hat.

An dem Aufsatz von Hülsen haben wir, glaube ich, ein Juwel. Es ist eine heilige Schrift im eigentlichen Sinn. Dessen Religion von Familie, von Eltern und Kindern gefällt mir doch besser wie Schleiermachers, um so mehr, da er nicht weiß daß es Religion ist. Auch ist mehr Nerv und Nachdruck darin, als wenn Schl. so umherschleicht wie ein Dachs um an allen Subjekten das Universum zu riechen.

Viele viele Grüße und alle Freundschaft an Auguste und Wilhelm. Alles andre nächsten Posttag. Dorothea und Henriette grüßen was sie können.

Friedrich.

Fröhlich wünscht sehr, daß das IVte Stück des Athenäums bald erscheine. Elegie, Elegie!!