Caroline von Schelling, Band 1


Dorothea Veit an Caroline.

Berlin 26. Merz 1799.

Freilich stehen die Sachen ganz anders, als wir sie uns hier ausdachten; aber wer hat das vermuthen können?... Friedrich findet seinen Einfall mit der Chambre garnie noch immer vorzüglich, aber ich bin nicht ganz seiner Meynung; würden Sie diese beßer annehmen können als mein Hauß? Sie hat Ihnen doch immer noch keine Ursache gegeben Ihr Versprechen nicht zu halten! Zu Ungers müßen Sie nun einmal, und ich hoffe noch immer, daß sich in dieser großen Zwischenzeit wohl noch ein Weg finden wird, um das gute Vernehmen auch mit Friedrich wieder herzustellen. — Belohnen Sie mich für meine Resignation, lieben Freunde, halten Sie Wort, so viel Zeit für unser Beysammenseyn zu gewinnen als möglich! — Das Wetter muß entscheiden, ob wir Ihnen nach Potsdam entgegen fahren, oder Sie bis dorthin zurükbegleiten; denn zu Potsdamms Herrlichkeiten gehört auch die niedliche Gegend, die wir in Berlin doch nicht haben. Auch muß die Revue und das Mannövriren vorüber seyn, sonst ist alles voller Fremde und Soldaten, und man bekömmt schwerlich ein ordentliches Quartier. Doch wünschten Sie es etwa mit anzusehen, so können wir, wenn es einige Tage vorher bestellt wird, doch auch haben. Bei diesen Mannövres hätten Sie die beste Gelegenheit die schöne Königinn zu sehen. — Henriette kömt wahrscheinlich von Leipzig aus zu Ihnen, sie hat Ihnen ja wohl neulich darüber geschrieben; ich sehe sie jezt seltner, als ich es wünsche. Ihre Grüße und Theilnahme werde ich ihr mittheilen, so bald ich sie sehe. Sie werden in Friedrichs lezten Brief nicht auf den Ihrigen gehörige Antwort gefunden haben; er hat ihn aber erst den Tag nachher im Manuscript gefunden, das Sie ihm zugeschickt hatten. — Seyen Sie nicht ungeduldig, daß Sie noch keine Lucinde wieder erhalten haben; aber Friedrich meynt, es wäre wohl beßer, noch zu warten, bis die Sendung recht ansehnlich werden könnte. Besonders die Lehrjahre dürfen nicht zerstückt werden. Schön haben Sie gestrichen, liebe Caroline! Daß hoffte ich gleich, und darum mußte es Ihnen zugeschickt werden, darum schrieb ich es in aller Eile ab, wie Heuriette nicht mehr Zeit dazu hatte. Daß der Druck nicht immer weiter ging, konnte ich nicht verhindern, aber es wird nach Ihrer Veränderung wieder umgedruckt. — Wie schön haben Sie es beschrieben, wie es einem geht mit dem tadeln und ändern und streichen! geht es Ihnen gar so, was sollte ich mich beklagen. Ich mit meiner Unerfahrenheit und Ungeschick! ich werde Ihnen, wenn wir uns sehen, recht viel Noth und auch manchen Spaß erzählen — aber Ihre Aenderungen und des Bruders Tadel hat er doch recht graciens aufgenommen, nicht wahr? — O, ich hoffe, Sie sollen doch Ihre Freude am Lucindchen erleben, wenn Sie nur erst mehr davon gelesen haben. Mich, liebe Caroline, klagen Sie wegen einzelner Stellen nicht weiter an, meine Rechtfertigung steht im Buche selbst, in der dithyrambischen Fantasie; auch getrau ich mir zu behaupten, daß es doch für die meisten Einwürfe seine Rechtfertigungen enthält.

„Vier ungeleckte Bären!“ — Liebe Schlegel, soll ich Ihnen die schenken? Nein, nicht, und wenn Sie noch dreimal witziger wären. Hätte ich nicht so entsetzlich viel Respert — ich wollte schon etwas drauf sagen, aber ich denke, so Gott will, soll der Respect sich wohl legen; wenn nicht eher, so geschieht es gewiß, wenn ich nach Jena komme.

Liebe Caroline, mit diesen Antrag sind Sie meinen Wünschen zuvorgekommen! — ich wünsche recht sehr, einmal eine Zeit lang mit Ihnen leben zu können! — Art und Weise wollen wir mündlich verabreden. Ich hielt die Schwierigkeiten für unüberwindlich und wollte meinen Wunsch gar nicht laut werden laßen; aber nun Sie es für thulich halten, so habe ich wieder Muth zur Ausführung des großen Plans bekommen. In Berlin kann ich aus vielen Gründen nicht immer leben; wo könnte ich lieber seyn wollen als bey Ihnen, mit Ihnen. Und welches Heil für Friedrich! — Sehen Sie, Liebe, wenn es wahr ist, was Sie vom Friedrich sagen: daß er nemlich seine Freunde verläumdet und die ihm in diesem Augenblick am nächsten ist nicht, so wäre es ja nur aus Liebe zu seinen Paradoxien, oder er findet hier mehr zu entschuldigen. Aber im Ernst sollten Sie nicht länger an diesen Verläumdungen nur glauben. — Habe ich früher nichts gethan, mich Ihnen zu nähern, so war es meiner eignen Ungeschicklichkeit zuzuschreiben; nun ich es aber einmal gewagt habe, und Sie mich so gütig aufnahmen, so gebe ich mich Ihnen ganz mit ungetheiltem Vertrauen. — Ich schreibe Ihnen nächstens wieder. Da kommen nun eine Menge Menschen und erwarten meine Ordres wegen des Umziehens, das nun zu unsrer Freude in diesen Tagen geschieht, und ich bin recht damit beschäftigt. Leben Sie wohl.

Dorothea.

Ich grüße Augusten. Will sie denn mit der ältern Schwester auch gar nichts zu schaffen haben?