Wir haben gestern Deinen niedlichen Brief bekommen und er hat uns große Freude gemacht. Du bist recht artig, daß Du uns so bald geschrieben, wir sehnten uns schon recht. Mutter ist recht wohl und die Kälte hat ihr nichts geschadet, wir sind auch alle Tage zusammen spazieren gegangen, wenn es das Wetter erlaubte. Aber mit mir armen Kinde geht kein Mensch des Abends spazieren, einmal ließ ich mir einfallen, weil es gar zu schön war, mit Röschlaub und Kusine zu gehn, da schlepten sie mich gleich nach Buch, aber ich blieb standhaft und gieng durchaus nicht hinein, sondern grade vorbey nach dem Dorf zu, da mußten sie mir wohl folgen, sonst hätten sie mich wahrhaftig wieder da hinauf in den garstigen Tanzsaal geschlept. So geht es uns Kinderchen, wenn Du nicht da bist, kom nur bald wieder. Von Deinem Schwesterchen hast Du doch auch nicht ein Wort geschrieben, wie sie Dir gefällt, ist das nun nicht recht schlecht?
Nun stell Dir unser Unglück vor, mit dem schönen Logis bei Hofrath Faber ist es wieder nichts; der Herr Hofrath wollte es wohl sehr gern vermiethen, und mit dem Preis waren wir auch einig, nämlich 5 Carol. für 3 Monat. Aber nun hat der Herr Hofrath noch einen Vater, der Titular Geheimerrath ist und von dem der Sohn, der erstlich dum ist und zweytens viel Schulden hat, abhängt, und dieser will es durchaus nicht zugeben, das vermiethet wird. Röschlaub war selbst bey ihm, aber er hat allerley Vorwände, es wäre keine Frau im Hause, denn der Sohn ist Witwer mit kleinen Kindern, und da könnten Unordnungen entstehen, und es könnte was an den Möbeln verdorben werden und das Haus stünde so im Verkauf, und kurz, er giebt es nicht zu, und der Sohn kann nun nichts machen und steht da, als wenn er die Ruthe vom Papa bekommen hätte. Nicht genug, das die Frauen an diesem Orte Männer haben anderes Sinnes wie sie, um uns zu quälen, die Söhne haben auch Väter, und die Titular Geheimeräthe scheinen uns ganz besonders aufsäßig zu sein. Und was wirst Du erst sagen, wenn ich Dir erzähle, daß dieser halsstarrige Vater derjenige ist, vor dessen abscheulicher Nase wir einsmals nicht zu abend essen konnten, der uns auf dem Spaziergang begegnete.
Mit dem ist es also wieder nichts; ich ärgere mich nur, daß ich Dir schon davon geschrieben habe. Nun haben wir wieder ein andres auf der Spur, von dem wir aber noch nichts gewisseres wissen.
Gestern konnte Dein armes Kind den Brief nicht vertig schreiben, denn es hatte solche Schmerzen in der Schulter, daß es nicht im Stande war, die Feder zu halten, und habe beynah den ganzen Tag auf dem Bett liegen müssen. Heute ist es nun aber wieder vorbey.
Die alte Mad. Schindler, die Unterhändlerin bey dem Faberschen Logi war, weil sie den Hofrath sehr genau kennt, meint, der alte hätte es nicht zugeben wollen aus religions Haß. Selbst religions Haß.
Vom neuen Logi sollst Du nicht ehe ein Wort hören, bis alles in Richtigkeit ist
Mutter will auch noch ganz viel schreiben. Leb recht wohl, Du Mull, und vergiß das Uttelchen nicht, das so gern mit Dir spazieren ginge.
Ich habe das kleine zärtliche Gemüth zur Ruhe verwiesen, denn troz ihrer Versicherung ist sie doch noch nicht wieder besser und hatte Fieber gestern — es wird aber weiter nichts draus entstehn, als daß ich meine Abreise bis auf den 12ten verlege, auch aus der Ursache, weil es so kalt ist, und ich in das kühlere Bocklet nicht mit der Kühlung eintreffen mag. Marcus ist heut nach Nürnberg, und ich hab ihm versprechen müssen seine Rückkehr den 11ten Abends abzuwarten. Erst von Bocklet schreib ich, was ich hier ausgerichtet habe — Wir haben Tag und Nacht zu sorgen gehabt, seit Du weg bist, und ich könt ein Lied nach alter Weise mit einem doppelten Refrain dichten — „wenn er doch nur bey uns wäre!“ und „gut daß er nicht bey uns ist!“ Bald hätte ich Dich mir zur Entscheidung gewünscht, und dann war ich wieder so froh Dich aller dieser Plage überhoben zu wissen, zumal ich selbst allein sie besser zu tragen vermochte. Nur das war mir im Wege — meine Schüchternheit an Deiner Stelle zu handeln, da ich es ganz als Deine Sache ansehe — Du weist, ich folge Dir, wohin Du wilst, den Dein Leben und Thun ist mir heilig, und im Heiligthum dienen — in des Gottes Heiligthum — heißt herrschen auf Erden. Doch konnt ich nicht aus dem Gesicht verlieren, daß unser Aufenthalt hier schon wie gemacht, erklärt und bereitet ist, daß er so manche Vortheile für Dich anbietet, und das bestimmte mich, allen Verdruß zu ertragen, den ich sonst oft auf den Punkt war von mir zu stoßen, und ohne weiter etwas ausgemacht zu haben, nach Bocklet zu gehn. Erst dort werd ich wahrscheinlich hören, ob Dir die nöthige Ruhe im Hause Deiner Eltern wird, worauf so viel ankömmt — gewiß bekomme ich nun hier keinen Brief mehr von Dir. Daß ich einen andern, nehmlich von meiner Mutter, noch hier abwarten kann, weil ich am Mittwoch noch da bin, ist mir lieb. Du giebst mir nicht eine einzige militairische Nachricht. Fast sollt ich vermuthen, ihr würdet Kaiserliche bekommen. Das wird Dich stören.
Vorgestern hat mich Marcus zu seiner einen Schwiegerin geführt, wo ich auch die andre, sammt der Gräfin Rothenhahn und Hofmarschall Redwitzens traf. Beyde Schwägerinnen sind artige Frauen. Dieser Bruder von Marcus, der krank ist an Krämpfen, sieht natürlich wie der idealisirte Hofr. Schütz aus. Die Rotenhahn war ganz und gar nicht adelich, sie hat sich so gefreut und wir haben unendlich viel mit einander geschwazt — es war auch eigentlich ein Rendésvous mit ihr.
Röschlaub hat mir eben das Geld gebracht. Eben hat mich die Commerzienräthin Markus besucht.