Caroline von Schelling, Band 2


An Schelling.

Braunschweig Dienstag früh Oktober 1800.

Ich habe den Himmel recht gebeten mich zu erleuchten und mir gute Gedanken zu verleihn, ehe diese Post abginge, und er hat mich auch erhört. Wenn ich Dir wollte oder vielmehr vermöchte alles hinzuschreiben, was in mir vorgegangen ist, es würde so tief und so wehevoll werden wie Deine Blätter, aber ich muß mich schonen und gebe Dir nur den Frieden von Gott, in dem sich mein Herz aufgelöset hat, voll fester Hofnung, daß ich ihn Dir auch mittheilen werde. Ich habe Dich innig lieb, ich küsse Deine Stirn, Deine beyden lieben Augen und den süßen Mund. Das ist recht das selige Zeichen des Kreuzes.

Wenn ich Die auch könte lange Vorstellungen erwiedern über Deine Vorstellung, und eine Menge begeisterte Vernunft gegen Deine irrigen Ansichten setzen, es wäre eine bloße Redeübung – genug daß ich meinem Freunde verspreche, daß ich leben will, ja daß ich ihm drohe, ich werde leben, wenn er so zur unwahren Stunde den Tod sucht. Du liebst mich, und sollte die Heftigkeit des sich in Die bewegenden Wehes Dich auch einmal mit Haß täuschen und mich damit zerreißen, Du liebst mich doch, denn ich bin es werth, und dieses ganze Universum ist ein Tand, oder wir haben uns innerlich für ewig erkannt.

Ich wiederhol es noch einmal, warum kann ich dem Goethe nicht sagen, er soll Dich mit seinem hellen Auge unterstützen. Er wäre der einzige, der das nöthige Gewicht über Dich hätte. Gieb Dich wenigstens seiner Zuneigung und seinen Hoffnungen auf Dich ganz hin, und denke, daß Du doch liebe Freunde hast – so gut, wie das Jahrhundert sie vermag. Schreib mir, was Du eigentlich jetzt arbeitet, am Journal, das errath ich wohl, weiß aber nicht welches Thema. Friedrich seine Querspiele haben mich sehr amüsirt. Ich habe hier beyläufig von Wilhelm vernommen, er sähe seine Vorlesungen aus einem sehr sublimen Standpunkt an, nehmlich er könne sich der Ironie nicht dabey enthalten, die Studenten wären gar zu dumm. Die Ironie ist doch zu allen Dingen nütze. Euer Conversatorium wird übrigens zu allerley Partheywuth, Streichen, Nücken und Tücken Anlaß geben, deswegen hat es mir gleich nicht besonders gefallen. Gieb Du dem Wickelmann immer nur ein humanes gutes Wort, damit er Deine Divinität wieder bekennt. Man muß nichts vernachläßigen im Spiel. Paulussens sind ein jüdisch und judassisches Volk, aber ihnen ganz aus dem Wege gehn solltest Du doch nicht. – Über die Veit denkt Wilhelm nun nach und nach fast wie wir – ich habe ihm auch gesagt, daß sie so über das Innre unsers Hauses geschwazt und gelogen hat, was er als einen sehr schlechten Dienst gegen sich selber anerkannte.

Hast Du das neuste Stück der Propyläen schon gesehn?

Sey nur nie besorgt, was Deine Briefe betrift; ich bekomme sie aus der Hand des Briefträgers immer zu eignen Handen, beantworte sie aber nur manchmal so überzwerch, wie Friedrichs Philosopheme sind. Ich muß doch auch probiren, ob ich nicht aus Tod Wonne Schmerz Liebe, Leben und Frieden herausbringen kann. Woher mir die Ursätze kommen, darum wirst Du mich wohl nicht so scharf befragen. Es ist doch arg, wenn man etwas gewiß hat, und soll nun auch noch Rechenschaft geben, woher man es nimmt.

Goethe tritt Die nun auch das Gedicht ab, er überliefert Dir seine Natur. Da er Dich nicht zum Erben einsetzen kann, macht er Dir eine Schenkung unter Lebenden. Er liebet Dich väterlich, ich liebe Dich mütterlich – was hast Du für wunderbare Eltern! Kränke uns nicht. Und hast Du wohl bey Deinen lezten Vorsätzen an Deinen guten Vater und die gute Mutter gedacht, die einfältiger, aber eben so kraftvoll und liebreich Dir das erste Leben gaben? Ob welch ein schwarzer Nebel hatte das Haupt meines Freundes umzogen.

Ich wollte Dir selbst schon vorschlagen, ob ich Dir etwas für Dein geplagtes Schwesterchen schicken sollte. Nur daß ich gar nicht ausgehe, hat mich verhindert, es schon zu thun. Ich möchte wohl wissen, ob Du ihr lieber etwas zum Anzug oder zum Andenken gäbest und ob sie Ohrringe trägt.

Es ist vielleicht ein seltsamer Contrast, daß ich Dir so heiter schreibe nach einem solchen Brief. Aber ich habe viel gelbet in diesen wenigen Tagen, und das ist mein innerstes Wesen, daß ein Lächeln gränzen kann an die unsäglichste Noth. Du hast mich wieder geweckt, und gewiß, wir quälen uns nun wohl recht mit hin und her schreiben, und tausend Widersprüche fallen vor, aber am Ende werden wir doch uns etwas bilden, das alle löset. Verlaß mich nicht, ich liebe Dich, ich wollte, ich könnte Dir sagen wie sehr, aber in Deinen Armen selbst würde ich es Dir nicht ausdrücken können.