Mein lieber Freund, mein Schelling, Du hast die Abrede gehalten und ich nicht. Am Abend des nehmlichen Tags, wo ich die zuletzt schrieb, bekam ich dem Geschenk noch. O du lügst, dein Ring ist stark und stärker wie Ketten, es ist der Ring, an dem die Kette hängt, die mein Leben festhält. Ich suchte gleich nach dem Namen Joseph, und fand ihn durch die Thränen hindurch, die mir die Augen verdunkelten. Du hast nichts vergessen. Denke auch nicht, daß ich etwas vergessen hätte, und wenn ich die den Ring, der zu diesem gehört, niemals geben sollte, so wie ich es bis jetzt nicht gethan habe. Wie leicht hättest du ihn in derselben Stunde erhalten, denn ich habe den Gedanken oft gehabt. Du hast ihn nicht erhalten, und das ist unser Schicksal. Du darfst es nicht meine Schuld nennen. Ja, dieß ist der erste, der einzige ächte Trauring für mich, und er bleibt einzeln. Er sagt sich von der Zukunft los und binden uns nur an eine kurze Vergangenheit. O du liebes treues Herz, er ist gediegen von deinen Schmerzen, ich erkenne sie alle und habe sie mit Dir auszutauschen. Aber ich habe noch welche zurück, die immer nur mein bleiben müssen. Nie kannst Du doch das Wehe der Mutter ganz in Dich aufnehmen. Sey nicht betrübt, wenn Du Die denkst, wie das Deine Freundin zerreißen müsse, was sie in diese Worte ausbrechen läßt – ja, so eben zerreißen müsse. Dieses alles muß mit wieder zur Freude werden, glaubst Du es nicht? – Es lößt sich meine Seele mehr und mehr in jenes Wehe auf, und doch bin ich getrost und stark. Dies erhalte Dir gegenwärtig, wenn ich mich nicht verhindern kan, an Deinen Busen zu weinen. Es quillt ein neues Leben aus diesen Augenblicken, sie sind selbst ein hohes Lebenszeichen, mein Gram ist nicht Niederschlagenheit, kein Verzagen und keine Verzweiflung, und dann kann ich erst volles Vertrauen zu meinen Freunde haben, wenn ich ihm nichts davon zu verbergen brauche. Berühren laß es mich wenigstens, ich will Dich nicht dabei verweilen. Ich verweile selbst nicht. Wenn die Wolken des eignen Jammers mir auch das Haupt eine Weile umhüllen, es befreyt sich bald wieder, und wird vom reinen Blau des Himmels über mir beschienen, der mein Kind einschließt wie mich. Die Allgegenwart, das ist die Gottheit – und meinst Du nicht, daß wir einmal allgegenwärtig werden müssen, alle einer in dem andern, ohne deswegen Eins zu seyn? Denn Eins dürfen wir nicht werden, weißt Du wohl, dann würde das Streben sich zu Eins zu machen ja aufhören.
Mein lieber Freund, ich habe eben einige von den Sonnetten für Dich abgeschrieben, von denen ich Dir lezthin sagte. Das mittelste ist besonders von sehr großer poetischer Schönheit. Du wirst Dich erinnern, daß der König von Tule ihr leztes Lied war. Die Wahrheit machte sich bey diesem Kinde oft schon von selbst zu einem lieblichen Gedicht.
Ich hoffe nicht Dich hart zu unterbrechen in Deinen jetzigen guten Tagen. Nein, das ist eben gut, wenn Deine Erinnrungen gleichsam durch einen Sonnenstral ziehn, in dem auch die dunkle Farbe helle erscheint.
Am Sonnabend erst erhielt ich Deinen Brief vom Montag. Wetter und Wege sind so sehr schlimm, daß man auf keine bestimmte Ankunft mehr rechnen kann. Sie halten auch Schlegel hier zurück, der eigentlich gewillt war, nächsten Sonnabend abzureisen.