Mein lieber Freund, wie bin ich doch in den lezten Stunden des Jahrs so lebhaft bey Dir gewesen. Am Morgen bekam ich Deinen Brief vom Weinachtstag noch, und wußte also, wo Du jenen Abend seyn würdet, das machte mir meine Einsamkeit recht heiter. Ich lebte nicht in mir, sondern völlig in Dir. Ich sah in das Zimmer hinein, wie Du gewiß hinein gesehn hast, und dachte, es müste auch vor meinen Augen etwas vorgehn, aber so weit gingen meine Visionen nicht, daß ich Dir nun etwa schon erzählen könnte, was Du mir zu erzählen haben wirst. Ich weiß nichts, als daß bey Goethe etwas vorgegangen ist; ob ihr euch etwas habt aufführen lassen oder selbst die Schauspieler waret, steht mir zu erfahren. Im lezten Fall kannst Du leicht um 12 Uhr Deiner Freundin Andenken in der sollen Gegenwart ertränkt haben. Ich will Dirs aber verzeihn, mein Liebling; der erste Augenblick, wo „Deine Intelligenz sich wieder durch freye Abstrakzion losriß“, gehörte doch wieder mein. Soll ich Dir auch mein 12 Uhr beschreiben? Es hatte blos ein innerliches Daseyn, rings herum kein Laut, kein einzig festlich Zeichen. Es gab allerley Gesellschaften, aber ich hätte bey keiner seyn mögen, auch die übrigen mochten nicht; Luise ging nur ein paar Stunden auf einen Ball und kam um 10 Uhr zurück. Schlegel befand sich nicht wohl, er schlief in meiner Stube auf dem Sopha den ganzen Abend. Ich war noch zu Luisen hinuntergegangen, denn zu Bett legen wollte sich doch keiner; wir brauten eine kleine Schale Punsch mit huile de Canele, der Schlag 12 überraschte uns, ich wollte Schlegel noch wecken, ehe es ausgeschlagen, denn es war mir, als könten üble Folgen daraus entstehn, wenn einer dabey nicht wachte, gleichsam als ob er das Zusammenklingen seiner Sterne verschliefe – also lief ich hinauf, er hatte den Schlag gehört, sich zusammengerafft und zu uns herunter gen wollen, also begegneten wir uns wie die beyden Jahrhunderte auf der Treppe. Meine Seele aber war bey Dir und dem Ring an Deiner Hand. – Es war nicht eine einzige öffentliche Feyer hier angestellt, so daß sich außer dem Nachtwächter, der ein langes Lied sang, nichts vernehmen ließ. Siehst Du, diesmal hast Du es viel besser gehabt – und wirst es wohl oft noch besser haben als Deine gute Freundin. – Gestern haben wir doch etwas für die neue Zeit gethan: Hr. und Madam Schlegel haben ein Souper gegeben von einer sehr seinen Gattung, seine Leute, seine Speisen, seine Weine, seinen Geist. Zuerst ist der Tristan vorgelesen, dann Paläophron und Neoterpe und zum Nachtisch ein Hanssachsisch Fastnachtspiel, das Schlegel in aller Eil machte, wodurch es nicht schlimmer gerieth; es geht ins transcendente, ist aber doch sehr lebendig und gefiel ungemein. Er wird Dirs gern mittheilen. Höre, ich will Dirs nicht verbergen, auch der Pfarrer ist vorgelesen worden, und es entging niemand der großen Wirkung dieses inkorrekten Gedichts. Anonym blieb es, wie es sich versteht; nur Luise ahndete, es möchte von Dir seyn, und sagte es mir nachher. Schlegel, der es vorlas, wurde selbst wieder ganz davon ergriffen, und ich gerieth in ein Zittern, an dem die Vorstellung, daß dieß Dein Werk sey, wie gewöhnlich keinen kleinen Theil hatte. – Ja, Du triffst meine Schwäche recht gut, indem Du mir die Verkündigung Deiner Größe überschickt, ich lese erschrecklich gern davon, und dieß scheint mir auch ganz geistreich ausgedrückt und mit Sinnabgefaßt zu seyn. Weißt Du, wer es geschrieben hat? Ich bitte mir sogar das Sonett von Wilhelm aus und verspreche Dir es nicht unter die Leute zu bringen.
Schlegel befindet sich immer noch nicht wohl, gestern war es besser, heut hat er wieder Fieber, doch ist weiter nichts dabey
Bogenende.