Caroline von Schelling, Band 2


An Schelling.

Braunschweig, Januar 1801.

Der Mareschino ist gekommen, ich muß Dir nur gleich Bericht davon erstatten. Eine Flasche war zerbrochen, ich aber dankte Gott wie der Optimist, daß sie nicht alle zerbrochen waren, ich hatte mich schon darauf vorbereitet. Denn, dachte ich, wer wird sie packen? wenn es der Freund selbst thut, so sind sie geliefert. Dieser Bruch möchte nun wohl am packen nicht so sehr liegen, obwohl man etwas andres dazu hätte nehmen müssen als eine Schachtel. Das Glas ist sehr dünn. Wegen des Schmeckens, so sieh doch nach, ob auf Deiner auch das Wort Mareschino steht. Auf der, die ich angebrochen habe, und die mir allerdings etwas anders schmeckte, fand sich Rosolio di Ananas, auf der Flasche, die noch versiegelt ist, das rechte, und das wird den schon das rechte seyn. Es ist bey jenen entweder ein Versehn, oder weil der Vorrath nicht mehr so groß gewesen, eine Pfiffigkeit geschehn. Denk Dir nur, wie viel die Franzosen mögen weggetrunken haben. Sie behalten Bamberg, wie es scheint; deswegen werden ja doch die Posten gehn während des abermaligen Waffenstillstandes? Schlegel ist noch da und tief in den Shakesp. hereingerathen. Er wartet auf den Frost. Noch haben wir kalten nassen Nebel und viele Leute sind krank, auch hier im Hause, aber ich nicht, ich habe blos einen bösen, erzbösen Mund, und das sieht schlecht aus, allein Du siehst es ja nicht.

Schick mir nur das Journal, wenns noch nicht geschehen ist; ich kann auf Schlegel nicht warten, er meint noch immer, er müsse hin, und ich glaube es selbst, wenn aus manchen Dingen etwas werden soll. – Ich will es recht studiren, obwohl wenig immer bey mir mehr thut als viel. Was Du mir geschrieben von der Pflanze, die das Wasser, vom thie rischen Organismus, der das Eisen, und von der Vernunft des Menschen, die alles zerlegt, das beschäftigt mich Tag und Nacht. Wenn ich nicht schlafen kann und mir nicht erlauben will zu träumen, so denke ich mir jene wunderbare und doch so natürliche Stuffenfolge und suche davon zu begreifen was in meiner Gewalt steht. Was zerlegt nun unsre Vernunft? Werden wir es nicht selbst einmal thun? O werde mir auch noch darüber ein Prophet.

Ich sehe es klar, wie sich Deine Nachzeichnung der dichtenden Natur von selbst zu einem herrlichen Gedicht ordnen wird. Die entsinnst Dich des kleinen Gedichtes von Goethe, wo Amor die Landschaft mahlt, er mahlt sie nicht, er zieht nur den Schleyer von dem, was ist, und dann kommt Ein Punkt, wo die Sonnenstralen so hell wieder glänzen – ja, so wird Dein Genius die Liebe werden, die alles belebt. – Ich verdenke Dir es ganz und gar nicht, daß Du auch mit mir nicht über das Nähere reden magst, Du mußt es doch ganz allein vollenden. Ich würde selbst nichts im voraus mittheilen können, wenn ich in Deiner Stelle wäre, und wenn ich Dich darum gebeten habe – man bittet oft in Einer Stunde etwas, was man in einer andern anders einsieht.

Wenn Du mir nur einen Übergang machen köntest von meinen Hölen und Bergesöhn zu Deiner Philosophie, nehmlich einen gründlichen, denn übrigens ist mir nichts leichter als gleich da zu stehn, wo die Vernunft –– sich selber faßt. Alles, was Du mir – in Briefen – geschrieben hast, habe ich recht gut zu fassen geglaubt, und es wäre doch ganz vortreflich, wenn Du das ausführtest, wovon Du lezthin sprachst: eine Darstellung, die Du Dir dächtest an mich zu richten. Fange also nur immer damit an. Jetzt wird es noch recht natürlich werden. – Sehr glücklich wird es mich machen, wenn ich nur etwas von der Art begreife, wie Fichte sein System ändert.

Sieh nur, wir haben als ausgemacht angenommen, Fichte stünde still – ja doch! wie die Sonne im Thal Gideon oder wie es heißt. Ich liebe diese Überraschungen

Bogenende.