Im Verlauf nächster Woche wird Schlegel gewiß abreisen, er wartet nur auf seinen Gesellschafter. Es ist freylich wieder sehr strenger Winter geworden, aber ich befinde mich wohl. Durch ein Zeitungsblatt erfuhren wir gestern den Tod einer Schwester von Schlegel, die an einen Prediger verheyrathet war. Sie ist kränklich gewesen und hat keine Kinder. Die Ernsten ist also mehr zu beklagen, denn stell Dir vor, sie war nahe daran den schwarzen Staar zu bekommen. Hardenberg ist von seinem Vater nach Weißenfels abgeholt worden, fast hofnungslos, Pezold hat ihn ausgegeben. Die Ernsten stellt sich noch die Möglichkeit der Rettung vor, und ich selbst kann nicht ganz daran verzweifeln. Fünf Tage hat er auf der Reise zugebracht, ist aber doch glücklich angelangt, seine arme Braut begleitete ihn. Es ist recht viel Leid in der Familie, den Hardenbergs Mutter soll völlig melancholisch geworden seyn über den Tod eines Knaben von 12 Jahren, der ihr Liebling war und im verwichnen Sommer ertrunken ist.
Ich kann mir wohl vorstellen, daß Dir Hardenberg nicht wohl will; Du hast ihm Deine Abneigung auch deutlich genug gezeigt. Er wird mir auch gram seyn, und uns beyden einen um des andern willen, dazu wird man ihn schon gestimmt haben. Wir können ihm nicht helfen, wenn ihm Gott nur hilft, es sey zum gefunden Leben, oder zum freudigen Tode. Ich kann ihn nicht beklagen, wenn er dahin ist. Er hat die Schranken gebrochen.
Nun reut mich mein Einfall, Du Lieber Lieber, daß ich nicht schrieb. Was Du mir vorwirfst – ich hab eben Deinen Brief erhalten – daran bin ich unschuldig, ich schickte die Dose allerdings am Dienstag ab, wo reitende und fahrende Post in Einer Stunde gehn – aber nun bin ich nicht mehr unschuldig, ich habe meinen lieben traurigen Freund gewiß gekränkt. Warum bist Du nur so traurig? ich möchte Dir ganz kindisch sagen: ich bin es ja nicht. Ich bin es nicht anders, als ich es ewig seyn muß, und Dein Trost ist der meinige. Unser Kind weicht mir keinen Augenblick von der Seite, ich kenne kein Vergessen, ob ich äußerlich schon lebe wie ein Andrer. Ja, Du weißt es, liebe Auguste, wie Du bey Tage und bey Nacht vor Deiner armen Mutter steht, die kaum mehr arm zu nennen ist, denn sie blickt Dich mehr mit Entzücken als mit Jammer an, die Klage über den herben bittern Tod hat keine Dolche und zerreißenden Schmerzen mehr, ich kann lächeln, freundlich mich beschäftigen, aber ich lebe und bewege mich immer nur in Dir, mein süßes Kind – ach störe mich nicht in meinen sanften Trauren, lieber Schelling, dadurch daß ich bitterlich über Dich weinen muß. Das sollte nicht sein. Hättest Du Dir vorzuwerfen, dann ich tausendmal mehr; aber Gott weiß, es will nicht Raum in meiner Seele finden und haften. Ich habe Dich geliebt – es war kein frevelhafter Scherz, das spricht mich frey, dünkt mich.
Im Frühjahr sehe ich Dich ganz gewiß. Anstalten sind wenig zu machen. Unser ehemaliges Haus bleibt mir offen, ich möchte es freylich ungern bewohnen, und ich sagte Dir schon einmal von dem kleinen Gartenhause am Paradiese; es wäre groß genug für mich. Du möchtest das immerhin miethen.
Ich halte mich zurück Die viel über Deinen schmerzlichen Brief zu sagen – wir können es mit Worten nicht überwinden.
Wir wollen den Wilhelm Tell zusammen sehn. Er kann recht schön werden, und Iffland soll mich auch erfreuen. – Gestern sah ich im Schauspiel Louis Buonaparte, der von Berlin zurückkomt, also hab ich nun etwas von diesem edlen Blut mit Augen erblickt.
Lieber, ich las in diesen Tagen den Tancred wieder im Boccaz, bey Gelegenheit von Bürgers Lenardo und Blandine, das eine so unwürdige Parodie davon ist. So viele Thränen hab ich darüber vergossen, wie Gismonda auf das Herz ihres Geliebten herabströmt, eben um diese Zeit war es, daß Auguste die Erzählung zu übersetzen anfing – ich habe mir vorgenommen sie zu vollenden, und so lange daran zu arbeiten, bis sie möglichst gelungen, und das Original wieder giebt in seiner Grosheit. Wie liebte mein Kind diese Erzählung – sie war doch ein recht tiefes Gemüth.
Schickst Du mir wohl nicht die Canzone zurück? – Ich kann durchaus das Lied von Dir nicht finden und weiß doch gewiß, daß ich es aufgeschrieben hatte. Erzeige mir die Liebe und schreib es nieder aus Deinem guten Gedächtniß. Versäum es nicht.
Zum Spaß zeichne ich hier eine Grabschrift des Aretino auf, die mir kürzlich vorgekommen ist:
Qui giace l'Aretino poeta tosco
Chi disse mal di tutti suor di Cristo
Scusando se col dir: non lo conosco.
Sag, ob Du die fernere Uebersetzung des Quixote gelesen hast, und wirklich besitzest, sonst liegt der dritte Theil, den ich einmal gekauft habe, immer noch für Dich hier.
Adieu, mein lieber lieber Schelling. Erquicke mich durch ein freudigeres Herz.