Caroline von Schelling, Band 2


An A. W. Schlegel.

Jena, 4. Januar 1802.

Da ich gestern Mittag am 3ten Februar Januar von der Vorstellung des Jon zurückkomme, Frölich und voll Begierde Dir zu schreiben, finde ich Deinen unleidlichen ungerechten Brief vom 29. Dez. Ich war trostlos, daß ich so vergnügt war und alle meine Gedanken auf Dich gerichtet hatte und mich nun so disharmonisch an Deiner Ungebärdigkeit ärgern mußte.

Ich habe geschrieben und den Brief zu rechter Zeit hingeschickt. Kann ich dafür, daß die Posten jetzt sämtlich schlechgehn? – Wann habe ich es am Schreiben und Nachricht geben fehlen lassen? Du hast wahrscheinlich noch am nehmlichen Dienstag meinen Brief von vorhergehender Woche erhalten.

Mit den Büchern ist es dasselbe, wie ich Dir schon auseinander gesezt.

Du wirst gesehn haben, daß meine Nachrichten bestimmt waren so früh wie Kotzebue zu kommen. Es ist natürlich, daß er sie nachher nicht mitnahm, und von den Weimarischen Begebenheiten und Schauspielersensationen auch unterrichtet war.

Du hast mir eine reine Freude verdorben, und verdienst es nicht, daß ich Dir ein Wort vom Jon sage. Alles, was ich für Dich thun kann, ist, daß ich Dir den Komödienzettel beylege. Da kannst Du Dir nun alles selbst zusammenbuchstabiren.

Wenn Du mir noch einmal so begegnest, so schreibe ich gar nicht mehr und komme auch nicht.

In dem nehmlichen schlechten Sinn kannst Du Schelling für fähig halten etwas gegen Fichte in die LZ. einrücken zu lassen? Da ich Dir doch kürzlich ganz anders über seine Vorsätze deshalb gesagt. Welcher subalterne Mensch kann Fichte dergleichen hinterbracht haben, und wie kommt Fichte dazu es zu glauben? Sollte sich das Ganze auf den nehmlichen Auftrag beziehn, den Schelling Dir an F. mitgegeben und den Du gänzlich vergessen zu haben scheinst? Dann müßte ihn Paulus erfahren haben – und wer hätte ihn Fichte mitgetheilt? Ich vermuthe aber, die Sache rührt einzig und allein von Schad oder Fichtens ehemaligen Famulus her. Schelling wird das Nöthige darüber schreiben.

Es ist sehr unartig von Catel, daß er mir keine Nachricht von seinem Weggehn gegeben, da er weit früher gereißt ist, als er mir sagte, und noch einmal herkommen, ja mir auch die Zeichnung zum Tisch schicken wollte.

Ich lege das Hemd bey, da Schelling die Journale schickt.

Es ist sehr kalt, meine Stube wird nicht war, ich verbrenne schrecklich viel Holz.

Lebe wohl, unartiger Schlegel, und gieb die Einlage an Mad. Bernhardi. An Sophie Bernhardi.

Da ein Gerücht sagt, daß der Verfasser des Jon in Ihrer Nähe ist, liebe Bernhardi, so ist mir in den Sinn gekommen, ob es Ihnen vielleicht nicht interressant seyn möchte etwas von der ersten Aufführung desselben in Weimar zu hören.

Und so muß ich gleich damit anfangen Ihnen zu sagen, daß es die vollkommenste Vorstellung war, welche ich auf diesem Theater gesehen habe, das doch mit Recht für seine harmonische Ausbildung berühmt ist. Sie schien mit wahrer Liebe dirigirt worden zu seyn, und die unsägliche Mühe, die dabey aufgewendet seyn mußte, war in einem Grade gelungen, der einen sehr glänzenden Beweis abgeben konnte, was sich durch treue Mühe ausrichten läßt.

Das Interresse des Stücks war aber vom ersten Moment an noch durch etwas schöneres, nehmlich durch die äußerst glückliche Persönlichkeit der Jagemann entschieden. Es kann keinen herrlichen Jon geben, sowohl nach der bloßen Erscheinung als auch durch den Ton der Stimme, und die ganze Klarheit, Kühnheit und Sprödigkeit ihres Wesens, das nun hier besonders lieblich durch die innere Beschaffenheit der zarten und frommen Rolle gemildert war.

So wie der Vorhang geöffnet wurde, und die helle Szene erschien, und sie den Morgen, der die Gipfel des Parnassus röthet, begrüßte, wehre es uns wie ein frischer Hauch an, und wie sie nach vollbrachten Dienst zu den leichten Waffen griff, nahm ihr Ton einen schönen Schwung, wahrhaft wie der Klang eines goldnen Bogens, so daß auch jedermann gleich ergriffen schien, und die ersten Worte der Pythia im Applaudissement verloren gingen. – So ist sie gewesen vom ersten Augenblick an bis zum lezten, kleine Nachlässigkeiten abgerechnet, die sich sogar wieder vortheilhaft machten. Mit der grösten Anmuth hat sie die ankommende Königin bewillkomnet, und mit recht heilig jugendlicher Scheu die Worte gesagt: „Sprich keine Frevel, fremde Königin!“ So wie sie auch mit dem ächten Stolz eines geweiheten Knaben die Zärtlichkeit des Königs zurück wies. Eben so schön aber hat sie ihm nachher Stirn und Augen geküßt und den Kopf der Mutter zwischen beyde Hände gefaßt, indem sie sie küßte, wie Amor die Psyche. Unendlich grazios war es, wie sie das Körbchen auspackte und die beyden goldgeringelten Schlangen über beyden Händen beweglich hängend in die Höhe hielt. Und als ein wahrer Götterjüngling hat sie sich gezeigt, wie sie den Vater um das Zeichen bittet: „Jch bitte nicht so kühn wie Phaeton“ – und dann dem Gotte frey und fromm zugleich in die Augen schaut, indeß die andern den Kopf zur Erde neigen.

Es fehlte gar nichts, als daß sie die Hymne nicht singen konnte, weil die Musik erst am Tage zuvor kam. Sie hat dafür desto schöner gesprochen, mehr musikalisch wie deklamatorisch, wie es, dünkt mich, recht war. Das Metrum trat ganz hervor und wurde durch einzelne Takte auf dem fortepiano ackompagnirt, die man aus der eben erhalten Musik genommen hatte, indeß sie auf der Leyer zu spielen schien. Das Stück wird heut noch ohne die Composition wiederholt, die aber der dritten Aufführung einen neuen Reiz geben soll. Sie soll sehr gut gerathen seyn.

Mit Kreusa ging es über Erwartung gut. Die angebohrne allzu holdselige Freundlichkeit und einige kindische Töne ließen sich übersehn. Man begriff freylich nicht recht, wie sie den Jon tödten wollen könnte, (außer aus Leichtsinn, etwa wie Maria Stuart den Gemahl) aber dafür verschwand auch alle zerreißende Bitterkeit, die eine andre vielleicht zu sehr herausgehoben hätte, und sie hat das Verdienst die Knüpfung des Stücks durch ihren Monolog ganz vortreflich bewirkt zu haben. Dieser erschien unter allen längern Reden gerade als die kürzeste und erhielt in einer unaufhörlichen Spannung. Sie hat ihn unbegreiflich gut, richtig in Absicht auf das Metrum, und selbst an tragische Leidenschaft gränzend, gesagt. Ihr Verhüllen hätte allerdings schöner und von größerer Wirkung seyn können, so wie ihr Enthüllen, wie die Entdeckung naht. Aber wirklich war sie durchaus leidlich, und fast am besten gefiel sie mir, wie sie sich in der lezten Szene dem Xuthus darstellt. Sie kniete mit Würde vor ihm nieder, ob sie schon überhaupt zu gemein reizend aussah.

Vom Xuthus möchte ich sagen, er sey besser gespielt, als ihn sich selbst der Verfasser gedacht hat, der ihm nur Pracht und Königlichkeit zutheilte. Voß hat ihn sehr würdig und verständig erscheinen lassen, so daß er nie im Nachtheil da stand, selbst nicht, wo man ihn schmeichelnd an Würde und Verständigkeit mahnt um ihn zu gewinnen. Er hat so männlich wie königlich gesagt: „Steh auf Kreusa, Königin, steh auf.“ Es ist eben durch ihn eine sehr glückliche Harmonie in das Ganze gekommen, weil er so unverrückt anständig blieb. Durch Goethe hatten wir schon vorher gehört, daß Phorbas Graffs allerbeste Rolle sey, und so haben wir es auch befunden. Während der Erklärung über den Jon stand er ganz in den Mantel gewickelt grimmvoll, und brach dann plözlich los, nie kläglich, immer heftig der Königin zusetzend. Die lange Erzählung zu Anfang war bey ihm in den besten Händen.

Mit der Teller hätte man sich versöhnen können. Ihre schlechte Gestalt und ihr fatales Setzen der Füße war durch die unendlichen Gewänder dem Auge entzogen. Sie sprach immer richtig, und ihr Ton machte sich besser, als sich der der Malcolmi würde gemacht haben, der mit der Kreusa in Eins geflossen wäre.

Nehmen Sie nun, daß durch das ganze Stück hin kein Gedächtnißmangel, kein unrichtiges Sprechen der Sylbenmaße, selbst bey den schwersten Stellen nicht, den Eindruck störte, nirgends ein Gehen oder Kommen verunglückte, und selbst die verborgnen Feinheiten in der Darstellung ihre Wirkung thaten, so können Sie ermessen, wie ich mich gefreut habe.

Am wenigsten gelang der Anfang des dritten Aktes. Kreusa stürzte ohne alle Großheit herein, und der Jon war nicht leidenschaftlich genug. Es war sonderbar, daß erst die Erzählung des Xuthus, die wir alle für zu lang und episch gehalten haben, die Sache wieder ins Gleis brachte. Sie wurde vollkommen gut gesprochen, und die Aufmerksamkeit war ordentlich merklich, mit der sie angehört worden ist.

Die Dekorationen waren, wie es sich von der Nettigkeit, jedoch Prachtlosigkeit des Theaters erwarten ließ. Das prächtige Gesäul fehlte allerdings. Ich lege ein Gekrizel bey, wie der Tempel gestaltet war. Die Säulen liefen weiß an ihm hin, das Gemäuer war röthlich. Die Stuffen schienen mir auch zu beyden Seiten hinunter zu gehn. Gefäße mit Wasser aus dem kastalischen Quell und mit Kränzen standen auf den Stuffen – die mit den Kränzen dicht am Tempel, und sie wurden, indem Jon sich damit beschäftigte, von inwendig am Tempel in der angegebenen Gestalt hinaufgezogen. Die Pforte des Tempels war ohne Thor und stand also immer offen. Es fiel auf die in ihr stehenden Gestalten ein Glanz von inwendig. Die Pythia nahm sich hier herrlich aus, während des Monologs der Kreusa. Bey der Erscheinung des Apollo ließ sich ein Gewölk vor dem Tempel nieder, so daß, wie die Pforte wieder frey erschien, und das Gewölk tiefer gesenkt, das Ganze umgebend, Apollo daraus hervortrat, ohne daß man ihn hin treten sehn konnte. Hinter ihm wurde vermuthlich ein Vorhang weggezogen, denn eine transparente Sonne wurde sichtbar, in deren Stralen er stand.

Der Altar war zur linken Hand dem Zuschauer, der Lorbeerbaum zur Rechten. An dem lezten hatte man noch Spuren der Verwandlung auszudrücken gesucht, um ihn als die Daphne selbst zu bezeichnen. Er drängte sich aus einer Scheide gleichsam hervor. Aber leider hat er doch sein heiliges Laub nicht beweget, wie Apollo erschien. Das ist zu schwer gefallen.

An den Geschenken hatte ich auszusetzen, daß sie, zwar artig geordnet, alle auf Einer Bahre getragen wurden, nur von zwey Sclaven. Ein Zug von Sclaven, der sie einzeln gebracht, hätte mir besser geschienen. – Das Körbchen, das die Wiege des Jon vorstellte, muß ich aber billig rühmen, besonders die goldnen Schlangen.

Die freye Aussicht war zur Linken des Tempels, zur Rechten traten Felsen ziemlich dicht heran.

Die Kleidung lassen Sie sich von Ihrem Bruder beschreiben. Sie glich so genau den Zeichnungen, die er kennt, daß es die lebendig gewordenen Bilder zu seyn schien. Keine Falte anders. Der Jon war so schon wie der seinige Apollonischer Haarputz, Unterkleid mit goldner Stickerey, Mantel, Köcher, Bogen, alles ohne Tadel. Phorbas stand einigemal gerade so da. Kreusa hatte ein blaues und ein zu hellblaues Gewand, es war statt Seide, die es allenfals hätte seyn dürfen, gefärbte Baumwolle und fiel nicht stark genug ins Auge. Aber der Xuthus hat uns fast ein Lächeln abgenöthigt durch seine frappante Ähnlichkeit mit der Zeichnung, er schien auch im Gesicht ihr gleich, Haar und Bart kräusten sich ganz genau in dieselben Locken. Das Unterkleid ein unreines Gelb, der Mantel von einem andern Roth wie der des Jon, und gefaßt, wie es vorgeschrieben war. Es sah ganz vortreflich aus. Die Pythia eben so eingewindelt, alle Säume der Gewänder mit breiter Silberstickerey. Kreusens Stickerey war mit bunten Folien gemischt, auch Gürtel und Diadem von Folien. Das hätte nicht seyn sollen.

Nun bleibt noch der Apollo übrig. Ich will nicht sagen, daß unser Hayde den Apollo gemacht hat wie ein Türke. Er hat ihn nicht verdorben; er hat seine Trimeter ordentlich gesagt, und sich in der Entfernung wohl ausgenommen. Wenn aber Jon wirklich aussah wie ein junger Apollo, mit der gebognen Nase, den schön geschweiften Lippen, den blauen Augen und blonden Haupt, so kann man sich über den Apollo ungefähr so ausdrücken: er sah aus wie ein alter Jon.

Aber ungemein erfreulich machte sich der ganze Schluß und die Erscheinung, die ihre Helle durch das ganze Haus verbreitete. Unstreitig würde sie auf einen größern Theater noch eines höhern Grads von Verherrlichung fähig seyn; es entstand indeß auch hier eine allgemeine Bewegung des Wohlgefallens.

Goethe hatte die Jagemann angewiesen sich schon zu Anfang des Stücks, wie sie den Tempeldienst verrichtet hat, in die Pforte eben so zu stellen wie Apollo zuletzt – und da einige Minuten zu verweilen. Es knüpfte sich dadurch eine Erinnerung des Anfangs sehr schön an den Schluß und verband zugleich Vater und Sohn durch eine stärker auffallende Gleichheit.

Auf diese Weise hatte sich Goethe das Stück angeeignet und mit den Geist desselben die Schauspieler zu beseelen gesucht. Er lebte und webte – zunächst dem Verfasser – darin, als der unsichtbare Apollo.

Es war ein recht christallner Tag, wie wir ausfuhren den Jon zu sehn. Wir kamen an der Spitze von sechs Wagen in Weimar an. Nachdem so ziemlich alles beysammen war, standen allein vor den beyden Gasthöfen auf dem Markt 19 Wagen, Reuter und Fußgänger nicht zu erwähnen. Schelling ging gleich zu Goethe, der im Anfang der Woche gemeldet hatte, daß die Vorstellung am 2ten Februar Januar seyn würde, und zugleich, daß man das Stück nicht weniger wie vier Verfassern zuschriebe. Er schickte mir Sechs Billette für die Loge D, wo mir denn der Zufall auf der Einen Seite die Bertuchsche Familie, samt dem alten und jungen Schütz, und auf der andern den Hohepriester nebst Frau und Tochter und Hufelands zu Nachbaren gab. Der alte Schütz hatte sich in eine Ecke gedrückt und regte und rührte sich nicht von lauter Zuhören, ich sollte fast denken, daß Böttiger und er den Euripides in der Tasche hatten. Herder führte zu Anfang ein vornehmes präludirendes Gespräch mit dem geschmeidigen Hufeland über griechische Schauspiele. Ich hörte den Inhalt nicht wörtlich, aber es war offenbar auf lauter Herabsetzung angesehn. Nachher trat er denn doch erschrecklich oft auf die Zähen, um recht zu sehn und zu hören, da er vornen keinen Platz bekommen hatte. Seiner Gemahlin schien die Pythia besonders zu gefallen. Zu Ende des vierten Aktes blickte sie mehrmals zu ihm hinauf und frug, ob das nicht sehr hübsch wäre, was er nothgedrungen bejahte.

Im ganzen Hause war wohl niemand, der sich nicht eingebildet hätte zu wissen, von wenn das Stück sey. Das Parterre war mit Studenten angefüllt. Die meisten haben einer bloßen Übersetzung entgegen gesehn, sind dann aber anders belehrt worden, vermuthlich theils durch die jungen Vösse, theils, obwohl ungern, durch den alten Schütz.

Schelling blieb den gestrigen Tag hindurch bey Goethe und hat mir noch allerley Nachrichten mitgebracht. Vor allem hat er bestättigt, was sich gewahr werden ließ, daß das Stück sehr allgemein gefallen und einen angenehmen Eindruck hinterlassen hat, was mir denn hier auch zu Ohren gekommen ist.

Merkwürdig ist es, daß die Erzählung von dem Fest im Parterre (bürgerlichen Theil) großen Beyfall gefunden hat. Meier, Mephistopheles, hat darauf bemerkt, das sey kein Wunder, das hätten die Philister recht gut verstanden, es wäre ihnen wie ein Vogelschießen vorgekommen. Der andre Meyer Majer saß bey Böttiger, den er dann fragte: „nun, wie gefällt es Ihnen?“ worauf sie sich die Frage mehrmal zurück geben, bis endlich Böttiger herausfährt: „Nun, wenn der Schlegel noch ein solches Stück schreibt, so kann ich meine Mythologie ungeschrieben lassen!“ Meier glaubt, das solle andeuten, es sey so viel gelehrte Kenntniß im Stück, aber mit Nichten! „Seine Primaner wüßten das besser, daß die Pythischen Spiele und die Bachanalien nicht zu Einer Zeit gefeyert worden wären“. Man hat sich nun vorgenommen ihn noch viel damit zu necken und zu behaupten: Schlegel habe den Verstoß nur begangen, um zu sehn, ob ers auch merken würde.

Ein paar einzelne eigne Bemerkungen sind: daß sich das Motiv mit der Höle des Trophonius ganz außerordentlich deutlich und nothwendig im Spiel hervorhebt, und die Wiederholung der gesehnen Gesichte einen bedeutenden Rückblick schafft. Ferner: wenn etwas zu lang ist, so ist es die Erzählung des Phorbas. Wenn sie einige minder nothwendige Umstände enthält, was ich nicht recht im Gedächtniß habe, so sollten die billig weggelassen werden. Das Nächste verständigt den Zuhörer schon genug, der doch das Ganze unmöglich auffaßt.

Goethe hat übrigens nicht eine Zeille ausgelassen. Nur einiges weniges hat er geändert, unter andern in der Rede des Apollo: Ob meiner offenbarten Vorgenossenschaft.

Das hieß: Ob meiner offenbarten Neigung zu der Braut.

Er hat sich nach seiner spashaften Art über die Veränderung erklärt, die mir sehr lieb war; ich hatte mich der Worte im voraus erinnert, und mich fast davor gefürchtet. Denn der Apollo steht doch so gar sehr offenbar dabey.

In der Abschrift, die nach Berlin gekommen, steht die Änderung nicht.

Außer vor der Hymne hatte die Musik in den Zwischenakten noch nichts andeutendes, und Reichard hat auch dergleichen nicht componirt.

Goethe hat sich vorgenommen die Aufführung des Jon noch immer weiter auszubilden. Ein paarmal will er die Schauspieler noch ungestört spielen lassen, dann ihn aber von neuen vornehmen.

Die Brüder läßt er vors erste nicht wieder geben, weil sie das leztemal schlecht gespielt haben.

Er hat sehr artig darüber gesprochen, was sie nach und nach den Spielern und dem Publikum zumutheten. Erst hätten sie die drey Stücke von Schiller zu sich nehmen müssen (die sie indessen unverdaut wieder von sich gegeben haben), und überhaupt hätten sie sie recht zum Hören gezwungen. Nun sie auch den Jon hinunter hätten, da könne man wieder etwas tüchtiges darauf bauen.

Am Geburtstag der Herzogin wird die Turandot des Gozzi von Schiller bearbeitet mit italiänischen Masken gegeben.

Ich rechne darauf, daß Sie nach Ostern den Jon hier sehn werden.

Seyn Sie gesund – und grüßen Sie Ihren Bruder.

Einlage mit der Aufschrift: Geben Sie Schlegel diese Einlage erst, nachdem Sie den Brief vollständig mit ihm gelesen haben.

Ja, Freund, es verhält sich so, Du kanst ganz und gar zufrieden seyn. Ich bin entzückt gewesen. Meine Hoffnung war gut nach allem, was Goethe geschrieben hatte, indeß saß ich nicht ohne Herzklopfen da, aber ich wurde ruhig, so wie ich die Jagemann sah und hörte, wir sahn uns gleich an, Schelling und ich, und nun ging es alles in Einem Guß fort. Sch. ist froh gewesen wie ein Kind, ich muß es ihm nachrühmen. Er hat das Stück nun erst gefaßt und tausend Dinge darüber auf dem Herzen. Wenn er sie Dir heut noch nicht mittheilt, so ist es der Drang der Umstände, da die Journale versendet werden.

So aufgeführt macht das Stück einen sehr ungetrübten Eindruck; ich hätte Dir die Freude gewünscht. Wenn sie Dir nur in Berlin wird: Goethe hat keine Antwort von daher. Wird sie Dir gestört, so klage Deine indiskretten Vertrauten an. – Aber sollte nicht im schlimmsten Fall eine der Damen den Jon als ihr Benefiçe fordern können? Indessen glaube ich, es ist nicht möglich, daß die Unzelmann den Jon so glücklich darstellt wie die Jagemann. Du kanst Dir gar nicht denken, wie ganz herrlich sie aussah und sich benahm. Der Herzog hat alle Standpunkte genommen um sie anzusehn. Es traf sich, daß Voß ein wenig stokte, wie er Jon eben die Möglichkeit darthun, daß er sein Vater ist, das Einzige kleine Stocken, was vorfiel. In dem nehmlichen Augenblick hatte sich der Herzog so nahe gestelt auf dem Balcon, daß es auch sie einen Moment zerstreut machte, aber es war nur ein vorüberfliegender Schatten in der Darstellung.

Goethe hat mit unendlicher Liebe an Dir und dem Stück gehandelt. Ich weiß nicht, was Kotzebue dort gesagt hat, aber es kann seyn, daß die Schauspieler anfangs rebellisch waren, ja die Jagemann soll dumm genug gewesen seyn den Jon für eine undankbare Rolle zu halten, aber er hat alles überwunden. Sie sind hoffentlich nun zufrieden, denn sie sind alle sehr applaudirt worden. Heyde kündigte an: den Jon, gleich wieder auf das Nächstemal, und wurde mit lauten Klatschen empfangen und entlassen. Es ist nie bey der Unzelmann so herzhaft applaudirt worden. Auch ist keine Frage, daß es allgemein gefallen hat, gewiß mit manchen Ausnahmen, manchen Rückhalten, und auch wieder Willen, aber gefallen dennoch. Von hier fehlten viele Familien, die gewöhnlich kommen. Loder war da – heute hat er auch seine Frau aus Drakendorf geholt um sie hinüber zu führen. Frommans, Hufelands. Aber Paulus nicht, die Veit nicht, Vermehrens rc. nicht. Sie werden wohl noch kommen! Für Abonnement suspendu waren sogar viel Weimeraner drin. – Goethe hat sich nichts verlauten lassen übrigens von bezahlen. Thut ers nicht, so schenk es ihm diesmal gern, da er sich sonst so gut benommen. Er hat erwähnt, ohne Beziehung jedoch, daß ihnen für die Beschaffenheit ihrer Casse das Stück viel Ausgabe gemacht, was ich auch glaube, da alles neu war.

Hättest Du statt Deiner unartigen Vorwürfe mir lieber gemeldet, wie ich das mit der eleganten Zeitung einzurichten habe. Es ist wesentlich, daß niemand zuvor kommt, wesentlich, daß die Schauspieler gelobt werden. (Die eleg. Z. wird in Weimar von einer Gesellschaft von Hökenweibern gehalten, hat die Vulpius versichert). Da ich nun keine Vorschrift von Dir habe, und wegen der schlechten Beschaffenheit der Posten nicht erwarten darf, bis Donnerstag, so wie ich hoffte, eine von Dir zu erhalten, werde ich mich bis dahin meinen eignen guten Entschluß überlassen, damit nur niemand zuvorkommt. Schelling will es abschicken. Man kann ja in Absicht des Stücks selbst einen Nachtrag liefern. –

Goethe hat versichert, daß er bis diesen Augenblick weder Schiller noch Meyer gesagt, von wem das Stück sey. Er hätte selbst viele Freude daran gehabt, wenn es verschwiegen geblieben wäre, aber es ist ohne Gnade bekannt. Alle Studenten wissens, und wie kann es anders seyn?

Es ist die Rede gewesen, wie Schiller zufrieden seyn möchte – es soll mich doch wundern, hat Goethe gesagt, wie es dem Alten gefallen (den er nicht mehr täglich zu sehn scheint). Meyer, der Professor, hat darauf gesagt, er wäre im 2ten Akt bey ihm gewesen, wo es ihm sehr gefallen hätte,

Ich kann Dir auch nicht genug wiederholen, wie gut sichs machte und gleich Anfangs packte und festhielt.

Schelling ist bange, daß Du auf das Journal gar nicht achten wirst in der Collision mit dem Jon – aber thust Du es heut nicht, thust Du es Morgen.

Goethe komt am 12ten auf mehrere Wochen her, denn um Turandot will er sich gar nicht bekümmern.

Wir denken nun darauf auf den Beyfall für Jon Deine hiesige Vorlesungen zu gründen.

Ich habe fast beständig unter starken Kopfweh geschrieben, das mir die Kälte macht. Wenn ich etwas vergessen haben sollte, so entschuldige es damit.