Wenn Du gemeint hast, mein Schweigen bedeute nichts Gutes, entweder als in so weit es äußerliches Übelbefinden anzeigte, oder innerlichen Mismuth oder Mangel an freundseligen Andenken – so hat sich mein Kind in allen diesen drei Stücken gänzlich geirret. Verhindert bin ich freilich dann und wann worden, wenn ich eben zu schreiben gedachte, ich bin aber übrigens recht wohl, und meinen wenigen Lieben von Herzen zugethan, so daß ich auch Deinen letzten Brief mit der größten Freude über den so durchaus richtigen und braven Entschluß Deiner Mutter gelesen habe. Was sie zu thun gesonnen ist, ist eben das, was ich ihr schon oft, nur in Ansehung Dresdens, vorschlagen wollte, mir aber die Ausführung davon, besonders in Absicht der kranken Tante, unmöglich dachte. Es bewährt sich mir die ganze Vortrefflichkeit Deiner Mutter von neuen dadurch, daß sie für ihre Kinder thut, was, wie ich mir leicht vorstellen kann, ihr sehr schwierig scheinen müßte. Ist in Gotha erst alles geebnet, in Cassell wirds auch nicht fehlen, am wenigsten an einem guten logis.... Die Gegend wird euch sehr erfreuen, das Theater euch doch auch einige Belustigung gewähren, und in Absicht auf Umgang hättet ihr in Dresden wahrscheinlich noch weniger gefunden. Cecilien muß man nun ihrem guten Genius empfehlen, sie muß sich selbst helfen – daß Nahl nicht das rechte ist, weiß sie. Mag sie sich nun eine eigne Art herausarbeiten.
Es ist endlich auch nöthig, daß ich Rechenschaft von mir gebe. Im May oder Junius verlasse ich Jena auf lange Zeit und gehe erstlich in ein Bad in Schwaben, dann aber im Herbst nach Italien, und der Winter wird in Rom zugebracht, so Gott will. Um aber hierzu völlige Freyheit zu haben und auch niemand in seiner Freyheit hinderlich zu seyn, wird vorher, oder ist vielmehr schon, das Band der Ehe zwischen Schlegel und mir aufgehoben – das einer herzlichen Freundschaft und Achtung wird hoffentlich immer bestehen. – Ich zweifle nicht, daß Dir dieses in diesem Augenblick keine Neuigkeit mehr ist. Alles andre hierüber lassen wir aber abseits liegen und halten uns an das, was ich euch unmittelbar mittheile, und was an Dich zu richten, meine junge Freundin, ich nicht das geringste Bedenken trage, noch, so wie alles der Wahrheit nach und in meinem Herzen steht, tragen darf. ☉
Indem mir das Schicksal oft seine höchsten Güter nicht versagt hat, ist es mir doch zugleich auch so schmerzlich gewesen, und hat so seinen auserlesensten Jammer über mich ergossen, daß wer mir zusieht nicht gelockt werden kann, sich durch kühne und willkührliche Handlungsweise auf unbekannten Boden zu wagen, sondern Gott um Einfachheit des Geschickes bitten muß, und sich selbst das Gelübd ablegen, nichts zu thun um es zu verscherzen. Nicht als ob ich mich anklagte; was ich jetzt zu thun genöthigt bin, ist bey mir vollkommen gerechtfertigt, nur verleiten kann das Beyspiel nicht. Ich habe nun alles verlohren, mein Kleinod, das Leben meines Lebens ist hin, man würde mit vielleicht verzeihen, wenn ich auch die lezte Hülle noch von mir würfe um mich zu befreyen, aber hierin bin ich gebunden – ich muß dieses Daseyn fortsetzen, so lange es dem Himmel gefällt, und das einzige, was ich dafür noch bestimmtes wünschen kann, ist Ruhe, wahrhafte Ruhe und Übereinstimmung in meinen nächsten Umgebungen. Diese kann ich in der Verbindung mit Schlegel nicht mehr finden; mannichfaltige Störungen haben sich dazwischen geworfen, und mein Gemüth hat sich ganz von ihr abgewendet; das habe ich ihm vom ersten Momment an nicht verhehlt, meine Aufrichtigkeit ist ohne Rückhalt gewesen. Es hätte seitdem vielleicht manches anders werden können, allein andre bemächtigten sich seiner, da ich zurücktrat, und nicht die löblichsten Menschen, wie Du weißt, und ich gewann immer mehr Ursache mich für eine entschiedene und öffentliche Trennung zu entschließen, nicht ohne Kampf, weil es mir schrecklich war, auch noch durch dieses gen zu müssen, das ich aber endlich durchaus für Pflicht hielt; ich konnte und wollte Schlegeln nicht mehr alles seyn und hätte ihn nur verhindert, ihn, der in der Blüthe seines Lebens steht, auf andern Wegen sein Glück zu suchen. Dazu kam, daß meine Gesundheit mir nicht die Hoffnung läßt Mutter zu werden; und so wollte ich ihn auch dessen nicht berauben, was mir ihm zu gewähren versagt war. Kinder hätten unstreitig unsre Verbindung, die wir unter uns nie anders als wie ganz frei betrachteten, unauflößlich gemacht. Das sind die Seiten meines Geschicks, wo das Verhängniß eintritt und von keiner Verschuldung die Rede seyn kann. Dagegen hätte ich behutsamer seyn sollen die Heyrath mit ihm nicht einzugehn, zu der mich damals mehr das Drängen meiner Mutter als eigner Wille bestimmte. Schlegel hätte immer nur mein Freund seyn sollen, wie er es sein Leben hindurch so redlich, oft so sehr edel gewesen ist. Es ist zu entschuldigen, daß ich nicht standhafter in dieser Überzeugung war, und die Ängstlichkeit andrer, dann auch der Wunsch mir und meinem Kinde in meiner damaligen zerrütteten Lage einen Beschützer zu geben, mich überredeten, allein dafür muß ich nun doch büßen. In so weit Du Schlegel kennst, Julchen – ich muß an Dein unbefangnes Gefühl appelliren – glaubst Du, daß er der Mann war, dem sich meine Liebe unbedingt und in ihrem ganzen Umfange hingeben konnte? Unter andern Umständen hätte dieses bey einmal getroffner Wahl nichts verändert, so wie sie hier indessen nach und nach statt fanden, durfte es Einfluß über mich gewinnen, besonders da Schlegel mich selbst mehrmals an die unter uns bestehende Freiheit durch Frivolitäten erinnerte, die, wenn ich auch nicht an der Fortdauer seiner Liebe zweifelte, mir doch misfallen konnten und wenigstens nicht dazu beitrugen meine Neigung zu fesseln. – Jetzt nachdem das Schicksal keines andern Wesens mehr mit dem meinigen verflochten ist, bin ich wohl berechtigt zu thun, was für mich das Rechte und Wahre ist, und auch ganz und gar nicht danach zu fragen, wie das nach außenhin aussehn mag, was an sich gut ist. Daß es so ist, darauf gedenke ich zu leben und zu sterben. In Berlin, wo mir alles misfiel und Schlegel doch zu bleiben gedachte, kam der Entschluß zu Reife, die Krankheit meiner Mutter verzögerte die Ausführung, aber wie Du zuletzt bey mir warst, waren schon alle Schritte deshalb geschehen – ich will und darf Dir nicht sagen, wer mir in dieser Angelegenheit fast väterlich beigestanden hat – genug, der Herzog zeigte sich geneigt uns alle langwierigen und widrigen Formalitäten der Sache zu ersparen, und sehr bald wird das letzte Wort darinn gesprochen seyn.
Ich kann Dir nicht ausdrücken, wie ruhig ich seit dem Moment bin, wo wir uns entschieden hatten, ich bin fast glücklich zu nennen, und meine Gesundheit hat beträchtlich gewonnen. – Alle Lästerungen, die es ferner nach sich ziehn möchte, gesprochne und gedruckte Pasquille, und was dahin gehört, das kann mich nicht anrühren. Ich habe nur die Meinigen gebeten, mich nicht mit Betrachtungen zu zerreißen, die aus einer andern Welt genommen sind, als in der ich existire. Von der andern begehre ich nichts und ich kenne sie obendrein so gut, daß ich sogar weiß, es würde doch nur von mir abhängen meine Ansprüche an sie auch wieder geltend zu machen, sobald ich es wollen könnte. Sonderbar ist es, daß, Einmal in die Stürme einer großen Revolution verwickelt mit meinen Privatbegebenheiten, ich es gleichsam jetzt zum zweitenmal werde, denn die Bewegung in der literarischen Welt ist so stark und gährend wie damals die politische. Die Schufte und ehrlosen Gesellen scheinen eben die Oberhand zu haben. Von Kotzebue an, der in Berlin fast Minister geworden, ist ein göttlicher Zusammenhang der Niederträchtigkeit in der Welt, ich sage ein göttlicher, denn die Vorsehung wird sich gewiß noch verherrlichen, indem sie ihn auflöset. Schlegel ist nicht so inconsequent, daß er sich im mindesten irgend etwas von dem, was geschieht, anfechten ließe, und er hat diese Gesinnung in ihrem ganzen Nachdruck noch so eben in einem Brief an Schelling erklärt, was mich den vollends in meiner Ruhe befestigt.
Wenn mit meine jetzige Lage es erlaubte, so würde ich Dich in 8‒10 Tagen sehn, um welche Zeit Hr. v. Podmanitzky nach Gotha reiset, aber da der lezte Spruch noch nicht geschen ist und ich der persönlichen Erscheinung durch den Vorwand meines Übelbefindens auszuweichen hatte, so kann ich mich nicht von hier entfernen. Podmanitzky wird euch besuchen und viel von mir und Schelling erzählen. Sage auch Minchen, daß ihr ein Besuch von ihm bevorsteht, denn Manso hat ihm in Breslau eine Karte an sie gegeben. Dieser bitte ich außerdem noch zu bestellen, wenn ihr der Inhalt dieses Briefs mitgetheilt wird, sie allein hätte mich wegen der Scheidung unschlüssig gemacht, ich hätte sie nicht gern dementiren wollen, nachdem sie sich einmal so kühn zu meinem Bürgen aufgeworfen hatte, und den Frauen gesagt, „wenn sich die Schlegel scheiden läßt, so laßt ihr euch alle scheiden“. Sie soll sich ja nicht wieder so weit verbürgen, man kann nie wissen, was geschieht und ein Mensch zu thun gezwungen wird – nur das läßt sich verbürgen, „dieser oder jene mögen thun, was sie wollen, so werden sie doch etwas behalten, was aller Freundschaft werth ist und ich nicht von meinem Herzen reißen will“.
Meine theure Chanoinesse bitte ich zu grüßen. Sie erfährt nichts Neues, ich habe ihr meine Absicht nicht verhehlt, da ich sie mündlich sprach. Mama Schläger braucht man wohl nichts davon zu sagen.
Was euch betrifft, so rechne ich mit Zuversicht auf die Fortdauer eurer Liebe. Die Welt laßt reden, ihr seyd nicht dazu bestellt mich zu vertheidigen und ich mag auf mir selbst beruhn. Übrigens brauch ich nicht zu versichern, daß hundert ausgestreute Lügen keine Wahrheit sind, daß unter andern an der ganzen Geschichte mit der Unzelmann nicht ein Wort wahr, ferner daran daß ich mit Schlegel entzweyet, ferner daß ich die Scheidung nicht gewollt. Ich habe sie vielmehr sehr gewollt, obgleich ich mich nicht leichtsinnig dazu entschlossen habe, und selbst thöricht zögerte.
Ich denke darauf, wie ich euch noch sprechen könte, ehe wir uns auf so lange trennen – eine Zusammenkunft am dritten Ort ist vielleicht das Beste.
Außer den ernsthaften Mittheilungen hätte ich Dir noch hundert komische Dinge zu erzählen. Es geht hier in der Societät so bunt durch einander, daß es alle Tage neue Allianzen und neue Brüche giebt, alles steht auf den Kopf – daß zwischen Niethammer, Asverus, Vermehren und Hufeland ein geistreiches Kränzchen statt findet, gehört in dieses Fach. Möller ist völlig verrückt worden, was er bisher nur halb war. Hegel macht den Galanten und allgemeinen Cicisbeo. Mich amüsirt es alles wie eine Comödie, besonders da es Podmanitzky gut vorzutragen weiß, durch den ich es gemeiniglich höre. Er...
Bogenende.