Anfang fehlt.
... ist von Seiten Loders besonders recht unartig, da er doch 25 Jahr lang von Weimar gehegt und gepflegt worden ist. Merkwürdig ist es auch, wie sie vermeiden Schelling unter denen zu nennen, welche die Bayersche Regierung von Jena abruft. – Den Umstand weißt Du vielleicht auch nicht, daß Hufland mit Schütz zu Würzburg in gleichen Absichten zusammentraf, er hat sich dem Grafen Thürheim von allen Seiten angetragen, zugleich aber im Voraus schon gethan, als habe er Anträge erhalten, was durchaus nicht der Fall ist, indem man ihn wirklich auch schon wieder aufgegeben hat, und dadurch vors erste bewirkt, daß man ihm das Versprechen einer Zulage von 200 rh. nachgesandt hat. Übrigens ist Martens nach Jena gerufen; Sömmering hat nicht angenommen, aber einen gewissen Ebel vorgeschlagen, der über die Schweizergebirgs-Völker geschrieben. Man wird in Jena nun vermuthlich abwarten, bis sich die ganze gährende Masse gesetzt hat, und dann sehn, was übrig bleibt.
Mittlerweile hat der Geheimerath Zentner, der hier das Universitäts-Wesen dirigirt, an Schelling geschrieben und ihn veranlaßt, auf jeden Fall seinen Weg über München zu nehmen, weil er gern ihn kennen lernen und mündlich mit ihm reden will.
Wir sind erst seit gestern Abend spät hier, also kann ich Dir noch nichts sagen, indem ich eben die Stunde benutze Dir zu schreiben, wo Schelling bey Zentner ist.
Mir war es höchst interessant München auch noch zu sehn, wo es eine Menge vortrefflicher Kunstsachen giebt, was mit als die Hauptstadt von Bayern merkwürdig war, und überhaupt war die Jahrszeit für die Schweiz fast schon zu weit vorgerückt, wir reisen nun weit bequemer. Es führte uns ein Kutscher von Augsburg hieher, der schon oft in Italien bis nach Venedig gewesen ist, und uns gar gern dahin bringen möchte. Auch ist das Reisen hier zu Land nicht so enorm theuer wie in der Schweiz.
Von Studtgard gingen wir zuerst nach Tübingen, wo Schelling sich noch nicht präsentirt hatte vor den alten Karrikaturen, die sich dort Professoren nennen. Ich habe da alles gesehn, wo er gelebt und gelitten, im Stipendium gewohnt, gegessen, wie er als Magister gekleidet gewesen, wie der Neckar unter seinen Fenstern vorbeygeflossen und die Flotzen darauf, und alle alte Geschichten, die er so hübsch erzählt, ich habe auch Bebenhausen besucht, wo er seine erste Kindheit zugebracht; sein Vater war Professor der dortigen Klosterschule; es liegt mitten im Walde, die Hirsche kommen und fressen einem aus der Hand, Du weißts ja.
Von Tübingen gingen wir über die sogenannte Würtembergische Alp nach Ulm, wo schon die Donau zwar nicht breit, aber tief und reißend strömt, von da nach dem prächtigen Augsburg, das in einer schönen Ebne liegt, und was ich möchte gekannt haben, ehe seine Kaufleute Grafen wurden – von dort nach München, alles auf Chausséen, über welche die Wagen wie mit Flügeln wollen.
Hier ist nun eine ganz andre Welt, dergleichen ich noch nicht gesehn, nicht von Seiten der Natur, denn auch München liegt in einer unabsehlichen Ebne, und die Tyroler Gebirge zeigen sich nur von einer Seite wie leichte blaue Schatten am Horizont, aber der Menschen, der Trachten usw. Das ist ein Blut und ein Fleisch und Bein! Die Mädchen wunderschön, goldne Mützen, vortreflichen Haarwuchs und dazu lange seine Kleider für die eleganten, für die Philisterinnen, Röcke mit hundertausend Falten, lange Taillen, Kamisöler mit steifen Schößen, mit silbernen Ketten, das Brusttuch geschnürt, offne Busen und welche! Die Bauerweiber in Pelzkappen und steifen bunten Corsetten wie ein Panzer, in dem sie nur so drin stecken. Ich habe schon alles Volk durcheinander gesehn, den heut ist eben ein Feyertag, und es gab eine Procession, der fast die ganze Bürgerschaft folgte. Solche dicke Andacht ist mir denn doch noch nicht vorgekommen, die Leute scheinen in ihrer deren Leiblichkeit doch gar nichts mehr von ihrem Leibe zu wissen, wenn sich der hochwürdige Leib naht. Ihre Rosenkränze nehmen kein Ende, die Kügle daran so dick wie welsche Nüsse und silberne Krucifixe von ¼ Elle. Dafür nehmen sie es in Franken etwas leichter.
Ich will in Eins fortschreiben, ob ich schon immer von neuem ansetze, und schicke dieß nicht eher ab, ehe nicht unsre nächste Bestimmung völlig entschieden ist.
München ist eine sehr angenehme Stadt, äußerst volkreich und lebendig. Ein Park von großen Umfang, der durch die Isar ungemein verschönert wird, liegt vor einem der Thore, und ist ein ganz ander Ding als der dürre Thiergarten vor Berlin. Die Bildergallerie ist reich an höchst merkwürdigen Werken der deutschen Kunst. Im Theater war ich gestern Abend, und man hatte da wenigstens die Freude, eine vortrefliche Sängerin zu hören, Mad. Cannabich. Schelling wird mit besonderer Glorie aufgenommen, und wir würden wahrscheinlich recht lange mit viel agrément hier bleiben können.
Noch ein Wort von Tübingen. Authenrieth ist pour trancher le mot ein recht grober Geselle. Wir machten einen Besuch dort und fanden bloß die Frau, die sich sehr freute, indem ihr Schelling einmal ein Bischen die Cour gemacht, und Philippen ist, glaub ich, das nehmliche widerfahren, wie er in Studtgard war, kurz, sie kannte den auch. Dieß war gleich am ersten Tag, und dennoch ist Authenrieth nicht wieder zu Schelling gekommen, ob er schon 4 Wochen vorher immer davon gesprochen, über was, alles er ihn befragen wolle. Carl, der doch ein guter Junge ist, sagt auch, man könne sich nichts hahnebüchners denken wie diesen Herrn, und dann absonderlich, wenn eine gewisse Scheu und Furcht mit dazu kommt. Kielmeyer war dagegen beständig bei uns und gab uns ein Souper in seinem botanischen Garten, der eben einige Schuh ins Gevierte hat.
Die beyden Hufeland treffen sich ja in der Schweiz. Der Arzt ist nach Ludwigsburg gekommen, um Hoven zu besuchen, wie dieser eben mit uns nach Murhard gereiset war, und hat es sehr beklagt, daß er nicht Schelling noch angetroffen. Welchen Weg der Justizrath genommen, weiß ich nicht, da er nicht über Studtgard kam, er muß über Frankfurt und vielleicht Straßburg gegangen seyn.
Sophie ist wohl recht gut, doch ist es klüger für sie allein in Jena zu seyn als bey ihrer Schwester, da sie sich einmal dort so wenig vertrugen.
Was soll ich dazu sagen, daß Ihr ein Haus gekauft habt – indessen ist einem so ein Haus am Ende nicht aufgewachsen wie den Schnecken. Weißt Du nicht, wie es mit Himly in Göttingen geht? Ich habe große Furcht, daß die Universitäts-Casse endlich auch leidet.
Carl ist nun auf dem Wege nach Wien. Seine braunen Augen blitzen von der hellsten Freude wegen alles des Guten, was er erlebt hat in diesem Sommer, und Schelling hat ihn über alle Maßen lieb.
Es ist nun entschieden, liebe Luise, Schelling ist in Würzburg auf seine selbst gewählten Bedingungen angesetzt, eine nur darunter, die ich nicht gewählt haben würde, ist die, daß die Reise nach Italien aufgeschoben bleibt, die Erlaubniß dazu ihm indeß schon im voraus gegeben ist, sobald er sie begehrt. In Absicht der zweideutigen Lage des Landes, und daß wir, so wie die Sachen jetzt stehn, doch nicht wohl bis nach Neapel hätten gelangen können, hat er vorgezogen bey dem ersten Beginn in Würzburg gegenwärtig zu seyn.
In Kurzem werde ich also so ziemlich wieder in Deiner Nachbarschaft seyn. Wir gehn von hier nach Würzburg, um dort eine vorläufige Einrichtung zu treffen, und von dort wieder nach Schwaben, um bey den Eltern zu bleiben bis zu Eröffnung der Universität, etwa am Ende des November, wo wir dann Beate mit uns zu nehmen gedenken.
Ich kann Dir nicht sagen, mit welcher Achtung und entschiedener Zuneigung der Freund hier aufgenommen wird, ob es schon das Land ist, wo sie zugleich am heftigsten gegen ihn geschmiert und pasquillirt haben. Es sind zum Theil sehr auserlesene Menschen, die am Ruder stehn. Den Geh. R. Zentner habe ich selbst kennen gelernt, er hat zweimal 3‒4 Stunden des Abends in unserm Zimmer zugebracht und auch mit mir gute Freundschaft gemacht. Da er hier einzeln lebt, so bin ich nicht in seinem Hause gewesen. Vorgestern war es, wo Schelling bey dem ersten Minister Hrn. v. Montgelas zum Diner geladen war, und nun nach der Tafel ihm erklärt wurde, wie sehr man sich freue, daß er nicht abgeneigt sey in Bayerische Dienste zu treten usw. Darauf begleitete ihn Hr. von Zentner zu mir zurück, um es mir ebenfalls anzukündigen. –
Kannst Du Dir aber vorstellen, daß eben in diesen Tagen nochmals neue Vorschläge von der Litteratur Zeitung ankommen, ungeachtet sie schon ihre Erhebung in den Preußenstand so verkündiget hat. Sie müssen ein starkes Bewußtseyn davon haben, was es für sie ist, nach Halle verpflanzt zu werden. Hier haben sie einestheils nicht die Summe gefordert, die ihnen der König von Preußen bewilligt haben soll, anderntheils aber die absurde Proposition gemacht, daß ihnen die Regierung jedes Exemplar, das sie künftig weniger absetzten (und sie haben den jetzigen Absatz so hoch angegeben, daß es alle Wahrscheinlichkeit, wie vielmehr die Wirklichkeit übersteigt), mit 6 rh. vergüten solle. Da dieß nun die hiesige Regierung auf ungemessene Zeiten hinaus mit einer artigen Summe belasten würde, und die Zeitung dadurch ihre Schwäche so vollständig verrieth, so hätte es nicht einmal der persönlichen Verachtung, die auf dem Schützen ruhet, bedurft, um ihn fehlschießen zu machen. – Vielleicht bietet er sich selbst in Jena wieder an, wo man aber schon sehr beschäftigt ist eine neue LZ. einzurichten. – Den Gedanken an Hufeland hatte man hier aufgegeben, indem er sehr starke Forderungen gemacht haben mag, aber Schelling hat sie sehr dazu ermuntert ihn zu rufen.... Ebel hat auch abgeschlagen, wie man aus Jena schreibt. Nun denkt man auf Rosenmüller in Leipzig. Ich weiß nicht, was den Ruf an Wiedemann etwa zurückhalten mag, da er doch sehr nahe läge. In Würzburg wird man mit der Besetzung der Stellen nicht eilen – Schelling ist nur vorläufig so früh ernannt. Es wäre sehr erwünscht für uns, wenn ihr dorthin kämt. Würzburg wird unstreitig ein endlich viel mannichfaltigerer Aufenthalt seyn wie Jena. Da sind die großen medicinischen Anstalten. Eine Sammlung von Gemählden und Abgüssen kommt hin, die Verschiedenheit der Religionen, ein Sitz für die Regierung, ein Theater, das zwischen Bamberg und Würzburg abwechselt, der Handel, der Mayn, die Weinberge, und also auch die Weinlese, und was nicht alles! Und mir ist es überdem ein heiliger Boden, den ich nur mit Schmerz in anderm Besitz gesehn, eine halbe Tagereise von Würzburg ruht Auguste. – Wie es kommt, daß Du die Büste noch nicht erhalten, weiß ich so wenig, als warum Tiek sie mir selbst noch nicht schickte. Ich habe keine Zeile von ihm gesehn, es wird sich aber nun alles fügen. Ludw. Tiek, sagt man, bringt den Winter in Jena zu. Steffens ist in Giebichenstein und holt seine Frau.
Ich bin zwey Tage nicht wohl gewesen, sonst würden wir von hier aus noch das Salzburgische Gebiet, das wegen seiner ausgezeichneten Natur so berühmt ist, bereiset haben, es war schon alles bestellt. Vielleicht geschieht es dennoch am Ende unsres hiesigen Aufenthalts, der noch einige Tage dauern wird.
Theile der Mutter vorläufig alles mit, was ich schreibe. Sobald ich mehr Ruhe habe, schreibe ich ihr selbst, und ich hoffe, sie wird sich mit meiner Lage gewiß aussöhnen.
Schreibe mir etwas von der unsres armen Vaterlandes, wenn Du etwas weißt, das die Zeitungen nicht enthalten. Addressire einen Brief nach Bamberg bei Hofr. Marcus abzugeben, denn wir kommen vermuthlich jetzt über Bamberg.
Schellings gute liebe Eltern werden ganz entzückt seyn über diese Wendung der Dinge. Die Mutter konnte sich über Italien nicht zufrieden geben, da sie dort einen Sohn verlohren hat, sie schrieb noch zuletzt: Gott geleite euch, aber nur bis München. – Jetzt sind wir nur anderthalb Tagreisen von ihnen. Von euch nur 3 – und ich umarme meine kleinen Nichten nicht mehr aus so weiter Ferne, und möchte sie gar zu gerne ganz bey mir haben. Schelling grüßt euch herzlich – er ist hier sehr beschäftigt. München kann einen außerdem wohl unterhalten, es sind vortrefliche Dinge zu sehn. Lebe recht wohl.
Geschlossen am 17ten Sept.