Caroline von Schelling, Band 2


An Julie Gotter.

Würzburg d. 16ten März 1804.

Etwas spät kommt meine Antwort wie immer, liebes Julchen. Ich bin eigentlich ganz und gar, und mehr wie billig vom Schreiben zurückgekommen, dazu war ich am Ende Jan. und Anfang Febr. recht ernstlich krank, und bloß die Klugheit der Meinigen und meine eigne hat mich vor einem entschiednen Nervenfieber bewahrt. Sonst geht es uns sehr wohl; der Frühling kömmt, da wir aber ganz in Weinbergen drinn stecken, fällt es wenig ins Auge, und wir riechen es nur an der Luft. Es sind merkwürdig wenig Bäume hier in der Gegend, was für mich ein großer Jammer ist. Der Weinbau sieht stets grau und traurig aus und macht erst lustig hinterdrein, wenn er sich in flüssiges Gold verwandelt.

Ich freue mich herzlich, daß ihr zufrieden seyd und euch, wie es scheint, ganz einheimisch in Cassel gemacht habt. Sollte Cäcilia einmal Gelegenheit finden mir etwas von ihrer Arbeit zu schicken, das ihre neuesten Fortschritte anzeigte, so würde mich das sehr interressiren. Ich wünschte Dir sagen zu können, Du solltest den Hrn. Hummel damit absenden; Schelling hatte sich vorgesetzt Dir nicht wenig über Deine artige Anempfehlung desselben zuzusetzen; mündlich würde er es Dir auch gewiß nicht geschenkt haben, doch sey nicht bange, daß wir sie von der unrechten Seite angesehn hätten. Nur ist für den auswärtigen Künstler diesmal nichts zu thun. Der Zufall hat gewollt, daß sich in Würzburg selbst einer in der Stille gebildet hat, der unstreitig zu den ersten gerechnet werden muß unter denen, die heut zu Tage auf den Nahmen Anspruch machen. Dieß ist Martin Wagner, welcher bey der lezten Preisaustheilung den ersten gewonnen hat, worüber Du das Kunstprogram nachsehn kannst. Er ist der Sohn des hiesigen Hofbildhauers, welcher nicht viel mehr als altadeliche Wappen in seinem Leben ausgehauen haben mag, der Sohn ist gewiß sein gelungenstes Werk. Goethe schrieb Schelling seinetwegen, er wußte nichts von seinen Umständen und wünschte nur, daß Schelling verhindern möchte, daß der junge Mensch seinen ersten Ausflug nach Paris nähme. Dahin war er aber leiden seit ein paar Monat wirklich ausgeflogen, indessen hat er sich dort so misfallen, daß er jetzt schon auf dem Wege nach Italien. Schelling hat ihn zu der hiesigen Stelle vorgeschlagen, nicht damit er sie gleich bekleiden soll, sondern um ihm eine Unterstützung für seinen italiänischen Aufenthalt für mehrere Jahre hinaus zu verschaffen, welches auch genehmigt worden ist. Verzeih, daß ich Dir so viel von unserm Künstler sage, er interressirt sehr durch seine Werke, und ich sah bey der Gelegenheit auch seine ganze Familie, so daß ich noch persönlicher theil nahm.

Tiek hat mir jetzt die vollendete Büste von Augusten geschickt. Sie ist ähnlich, so daß ein jeder sie erkennen muß, aber ihre Herrlichkeit ist nicht darinn. Hätte er sie nur Einmal gesehn, oder hätten meine Worte den Thon bilden können. Es fehlt das Schönste, er hat sich zu treu an die Zeichnungen gehalten und besonders nicht weggenommen, was Tischbein gleich fälschlich hinein gebracht hatte, gleichsam das Niedergesenkte des Geistes. Es ist etwas Krankes da, was mir das Herz mit Erinnerung zerreißt, doch kann ich es nicht mehr von meiner Seite lassen.

Die Nachrichten, die Du mir von meinem Bruder giebst, und seine Grüße haben mich herzlich erfreut, ich erkenne den alten Freund noch in allem, auch in seinen Umarmungen. Schreibe mir doch ja, ob er wirklich nach Münster geht, ich zweifle daran, da ich in öffentlichen Blättern nichts las. Ihr solltet ihn immer in Marburg besuchen. Wohl mag er wenig von mir wissen, und das Wenige muß ihn seltsam befremdet haben; er hatte sich gegen meine Mutter darüber auf keine ganz gute Weise geäußert, doch war ich ihm nicht böse darum. Es fehlt ihm eben an allem, was ihn mich zu beurtheilen in den Stand setzte. Auch habe ich meine besten und nächsten Freunde ja nur müssen rathen lassen, es war mir nicht möglich zu reden, ich verließ mich darauf, daß Gott, Schelling und ich alles wußten.

Von Jena geht nun fast alles weg. Nach Marburg ein Prof. Tennemann; sag meinem Bruder, er hätte wohl machen können, daß Schelling gerufen worden wär, so ein Ruf kann gar nicht schaden. Dem Wiedemann haben wir ein Erklekliches eingetragen. Apropos, Luise ist hoffentlich guter Hoffnung. – Außerdem gehn ein halb Duzend Professoren von Jena nach Rußland, Monsieur Froriep nach Halle. Da es nun von dem schlechten Zeug gesäubert wird, kann man nicht wissen, ob der Boden nicht dennoch wieder gute Früchte trägt.

Von so einem Boden ist wenigstens mehr zu hoffen wie von Menschen, die einmal schlechte getragen haben. Die Jenaischen guten Freunde sind hier so hinterlistig wie dort, besonders sehr neidisch.

Karl Schelling ist in Wien und macht sehr bedeutende Fortschritte. Seine Briefe sind prächtig

Was treibt den Pauline? Treibt sie sich herum? Ich möchte gern gar genau wissen, was ihr sämmtlich machtet. Wenn Du keine neue Bücher kriegen kannst, so laß Dir doch von der Bibliothek alte, Reisebeschreibungen oder Geschichte geben, denn der Mensch lebt nicht von Brod allein, und bey dem Sprechen kommt alleweil meistens so wenig Geist zum Vorschein, daß man sich an das Gedrucke halten muß. Ich lese selbst sehr wenig, aber ich habe auch einen Propheten zum Gefährten, der mir die Worte aus dem Munde Gottes mittheilt. Lebt alle recht wohl. Beate ist so weiß wie Du, aber nicht so blond, jedoch viel dicker und beträchtlich kleiner. Sie hat schöne braune Augen. An Neugierde fehlt es ihr nicht, im Kochen ist sie vielleicht weiter wie Du, aber in der artigen Aufwartung hinter Dir.

Nochmals Adieu. Caroline Schelling.