Caroline von Schelling, Band 2


An Meta Liebeskind.

Würzburg, März 1805.

Anfang fehlt.

Sie werden wahrscheinlich weit früher wie ich die Blätter gesehn haben, von denen ich Ihnen lezthin sprach: Huber betreffend, in der eleganten Zeitung und dem Freimüthigen. Jenes war eigentlich nur Copie eines Briefes von ihr, aber wohin rechnen Sie das lezte? Ich weiß nicht, ob Sie im Ganzen dasselbe Gefühl haben wie ich – mir ist es schon an und für sich abscheulich so das Heiligste und Heimlichste durch den Schlamm der Tagesblätter zu ziehn. Und was will Theresse mit allen diesen Veranstaltungen? doch nur sich rechtfertigen.

Obgleich einiges dagegen ist, so scheint mir auch das lezte nicht ohne ihre Mitwirkung geschehen zu seyn. Es sind die Xenien darinn erwähnt, von denen sie nichts wissen sollte – indessen, wie ich glaube, doch gewußt hat. Ich gestehe, daß Schiller für diese höchst unmännliche That noch viel mehr verdient hätte; man hat sein nahes Verhältniß mit dem sel. Huber nicht erwähnt, was sie noch weit stärker aggravirte. Auch misbillige ich eine solche Rüge in diesem Augenblick nicht, es ist vielmehr eben der rechte. Allein die Ruhe dieser Todten jetzt durch Rechtfertigungen zu stören, wo ja niemand mehr Rechenschaft fordert und sie doch so manche noch nahe berühren und mannichfaltig affiziren müßen, wo eben deswegen die Sache doch nicht in ihrer vor Gott bestehenden Wahrheit, sondern nach lügenhaften Selbsttäuschungen und in unreinen Beziehungen dargestellt wird – sehn Sie, das wendet mir das Herz um. Schreiben Sie mir etwas darüber. Schelling mag gar nicht einmal mit mir davon sprechen, weil es ihn mehr indignirt wie interressirt. Wir beide wissen die Begebenheit gewiß am allergenauesten. Wird Therese auch uns belügen wollen? Denn es finden sich allerlei Andeutungen, daß sie gewillt ist ihre Ansicht vollständig dem Publikum zu geben. Können Sie es, so sollten Sie sie warnen. Es ist seltsam, daß sich ihr Schmerz so nach außen kehrt, und wieder ein Zeichen von dem Mangel an Frieden im Innern. Sagen Sie, wie kann man das Bedürfniß haben seinen Mund gegen die Welt zu öffnen, sich der, immer schmälichen, Gegenwart gegen über zu stellen? Ist es blos der theatralische Charakter oder böses Gewissen?

Ich könnte begreifen, wie man die Dokumente eigner verworner Begebenheiten seinen Kindern und auch der nach uns lebenden Welt als eine die Menschheit überhaupt interressirende Erfahrung hinterlassen kann. Erst wenn Namen und Personen nichts mehr zur Sache thun, tritt sie in ein wahres Licht.

Aufrichtige Konfessionen zu schreiben wie Rousseau deutet nach meinem Gefühl immer auf eine mehr oder weniger kranke und häßliche Natur – geschmückte Darstellungen werden, ohne von ihrer innern Unwürdigkeit und weibischen Ursprung zu sprechen, am Ende doch entlarvt – dann ists ja noch schlimmer.

Mein fester Glaube ist, daß alle Lüge aus Licht kommt und daß Lüge das einzige Laster ist und der Teufel ihr Vater. Wie unerhört...

Bogenende.