Ehe das Jahr vergeht, in welchem Du mir, so viel ich weiß, nicht eine Zeile von Dir hast zukommen lassen, will ich Dir hiezu noch Veranlassung und Frist zur Buße geben, indem ich Dir gegenwärtiges schreibe und zu gehöriger Zeit eine Antwort erwarte. Wo bist Du und was treibst Du? Pauline ist ein wackres Kind, und gegen sie darf ich mir nichts herausnehmen, sondern bin länger wie billig ihre Schuldnerin gewesen, allein ihr Verdienst kann Dir nicht zu gut gerechnet werden, und ich halte Dich bis auf weiteres für ein faules und gottes vergessenes Julchen. Schreibe mir sogleich, ob Du nicht meiner Meynung bist, und außerdem auch, wie ihr euch sämtlich befindet, gesinnt seyd und euch sonsten in der Welt anstellt. Von mir wirst Du ohne Zweifel denken, daß mich die Kriegsdrangsale bereits genug geängstigt haben, welches eines Theils wahr ist, indessen sind wir hier sehr leidlich davon gekommen bis jetzt, wir befinden uns sogar in der tiefsten Ruhe nach einigen Monaten, in denen es etwas stürmisch zuging. Wir haben unsern Hof, unsre Minister und Geheimeräthe wieder nach Haus geschickt, unsre Truppen ins Feld, und unsre studierende Jugend wohin sie wollte. Was unsre eigne vortreffliche Personen betrifft, so haben wir unsre Wohnung ganz still behauptet, Eine Woche über die Lebensmittel theuer bezahlt, 3 Wochen lang 2 Mann im Quartier gehabt, und haben 100 Mann weniger im Auditorium wie in den vorigen halben Jahren. In der That hat Schelling nur 40‒50 Zuhörer. Jeder Tag bringt neue Siege, zu denen wir nun so kommen, wir wissen nicht wie. Die Aussichten sind glänzend, aber vielleicht langes und großes Elend im Hinterhalt. Denn irgend ein Volk und irgend ein Fürst wird sich doch zum Widerstand gegen den allesverschlingenden ermannen, und wir können einen neuen 30 jährigen Krieg bekommen. Einen armen friedlichen Gelehrten ist natürlich bey einem Zustand an schlimmsten zu Muth, wo nichts mehr gilt wie Sengen und Brennen. Indessen ist das Interresse an dem, was vorgeht, so groß, daß man sich doch nicht zur Melancholie stimmen läßt durch das, was einem begegnen könte. – Während dem Hierseyn des Hofes war es zwar nicht sehr frolich und rauschend – denn die Parthie, die er nehmen mußte, hat er wohl nicht ohne große Überwindung ergriffen – aber man hat denn doch viele Leute gesehn, mit denen es wenigstens für die äußre Lage nicht gleichgültig war beysammen zu seyn. Unsere Hrn. Geheimenräthe haben uns auch fleißig besucht, der jüngere Prinz mit seinen Lehrern usw. Wir haben es ihnen nichts desto weniger gern gegönnt, daß sie wieder zurückkehren konnten.
Ihr werdet wohl auch mit Durchmärschen heimgesucht werden, denn Preußen rückt unsern Gränzen zu, von der andern Seite kommt Augereau um uns auf jeden Fall zu schützen. – Nach allen Nachrichten aber sehr ich, daß es in Ober und Niedersachsen viel theurer seyn muß wie hier, wo ZE. die Butter nur in den schlimmten Tagen auf 6 ggr. stieg, gewöhnlich nur 4 ggr. kostet und das Rindfleisch den Preis von 2 ggr. noch nicht überschritten hat. Es kann uns aber auch noch so gut werden. Übrigens ist es bey solchen Umständen recht maliziös, wie Iffland zu sagen pflegt, daß ich mich dennoch an euch um Würste werde wenden müssen.... Die wirst denken, ich wäre wie die Lilie auf dem Felde und wollte auch gar nichts mehr thun. Es bleibt doch noch genug, glaube mir. Was soll ich aber bey unsrer Cäcilie bestellen? Ein Gedicht, eine Zeichnung oder ein Küchenrecept? Alles wäre mir von ihrer Hand willkommen. Der lieben Mutter trage ich auf, daß sie mich nicht vergessen und nicht nur das, sondern lieb behalten soll.
Weißt Du, wo meine Schwester Luise ist? – Ich habe einen Brief aus Montpellier von ihr. Wiedemann, der eine schwere Krankheit noch nicht überwunden hatte, wie er nach Kiel mußte, konnte die Luft dort nicht ertragen und entschloß sich plözlich den Winter im südlichen Frankreich zuzubringen. Luise ging mit, aber was ihr die Reise verbittert, ist die Trennung von den Kindern, wovon sie Emma bey Freunden in Kiel und die kleine Minna in Braunschweig bey der Grosmutter zurück ließ. Die Ungewißheit über meine Lage in der Zeit, wo dieser schnelle Entschluß ausgeführt wurde, indem eben die Franzosen in Franken einrückten, hat sie verhindert Emma mir zu bringen, was ich täglich bedaure.
In Rom ist eine Colonie von Deutschen, die drei Geschwister Tiek, unter ihnen nämlich auch die Bernhardi mit 2 Kindern, übrigens noch allerley bewunderndes Gefolge.
Ich bitte, gieb mir bald Nachricht von allem; der gute Grosvater lebt noch, danach habe ich mich noch kürzlich erkündigt. Was macht die Tante, was Minchen, was der Hof, die Stadt, die Theegesellschaften? Schelling grüßt Dich, er ist sehr lustig und doch ungemein gesetzt, streng, ernst und sanft, unerschütterlich und würdiger, als ich aussprechen kann. Dies ist wahrlich kein Spaß, liebes Julchen, und Spaß bey seit ist es doch wahrlich wahr, daß von allen Fremden niemand hier mehr Achtung und Liebe sich erworben hat als unser herrlicher Freund. Lebe wohl