Caroline von Schelling, Band 2


An Julie Gotter.

Würzburg d. 12. März 1806.

Indem ich Dir schreiben will, liebes Julchen, fällt es mir fast schwer mich zu besinnen, wo denn die Welt stand, wie ich Dir das leztemal schrieb. Du wirst beynah noch weniger wißen, wo ich jetzt stehe, oder wie es überhaupt mit uns steht. Wer hätte sich auch so verruchtes Zeug träumen lassen! Es ist ein Spott des Zufalls, daß wir am Ende noch kaiserlich werden müßen. Am Ende freylich werden wir nicht bleiben. Schelling hat sich bereits aus der Schlinge gezogen, indem er sie zerriß. Er hat von Anfang den Weg genommen lieber alles aufzugeben als sich einer zweideutigen Lage hinzugeben, hat daher an nichts Theil genommen, weshalb man ihn als übergegangen ansehn konnte, keine Kollegia angekündigt, schließlich am 6ten März den neuen Diensteld nicht geleistet, und wir gehen gleich nach Ostern von hier weg, zu meiner großen Freude. Schelling geht nach München und wartet dort seine anderweitige Anstellung ab, ich werde indeß seine Eltern besuchen.

Was sagt man den zu diesem wunderlichen Schicksal der nach Würzburg berufenen Gelehrten? Wenigstens für den Momment muß es wunderlich aussehn, indessen ist keine Frage, daß Bayern sie nicht abandonniren wird – die höchst seltsamen Conjuncturen und Ungewißheit aller Dinge halten die Entschließungen nur zurück; und man möchte derweil diese Männer gern noch von hier aus bezahlen lassen, da man es sonst dort thun müßte. Schellings Gradheit hat sich indessen den politischen Maaßregeln nicht hingeben können. Niemand hat sich mehr gekrümmt und gewunden als der niederträchtige Paulus, und niemand möchten beyde Theile lieber los seyn. – Schelling, der bey der allgemeinen Präsentation bey dem kaiserl. Kommissar, Hrn. von Hügel, nicht gegenwärtig war, hat ihn doch nachher besucht, und ist mit der grösten Auszeichnung und recht markirt guter Gesinnung aufgenommen worden; man sagte dann auch gleich, er würde hier bleiben, woran er nie dachte.

Was nun das Schlimmste ist, so bekommen wir jetzt noch französische Truppen ins Land, und die Kaiserlichen werden wieder weichen, denn dieser Napoleon weidet mit scharfen Zähnen ein Land nach dem andren ab, und wirft sie dann erst den beschüzten Regenten zu, er, der König der Könige, dem der Herr aller Herren doch gnädiglich bald den Hals brechen möge.

Besorgung. Mit Schmerz habe ich aus Deinem Brief erfahren, daß Deine Mutter eingebüßt hat. Meine arme Mutter, ja auch die Eltern Schellings (der Vater war in der aufgehobenen Landschaft) sind im nehmlichen Fall – und welcher Deutsche nicht?