Caroline von Schelling, Band 2


An Schelling.

Würzburg 4ten‒5 May 1806.

Welche Harmonie, bester Freund, ich habe es Dir unmaßgeblich vorgestellt und Du stellst es mir gütigst frey zu kommen. Nun so hoffe ich auch, daß wir bald wieder zusammenkommen werden. Die weite Strecke bayerischen Landes, die Du so ansehnlich fandest, von Ansbach aus, soll leicht genug zurückgelegt seyn. Ich habe wirklich schon der Liebeskind jenen ersten Plan gemeldet, aber noch keine Antwort, und kann es auch noch einrichten, wie ich will, über Augsburg dauert es nur bis in den dritten Tag. Hierüber ist aber noch Zeit genug das nähere zu bestimmen, denn, liebes Herz, Du hast nicht recht gelesen, ich habe mir nicht angemaßt in 3 Tagen fertig werden zu können, am Ende der 3 Tage würde ich gewiß selbst fertig seyn, sondern habe meinem Herrn (meinem Cid) und Freunde bedeutet, daß ich mehr als 3 Tage brauche um zu packen, zu waschen und zu verkaufen, aber in 14 Tagen kann alles geschehn seyn

Es ist mir lieb, daß Du die Petition schicken willst, ich war schon damit in Verlegenheit. – Noch eine Harmonie! Gestern früh sag ich dem Klein: da ist ein Haus auf dem Maxjoseph Platze, wenn Schelling nur den Einfall hätte da zu miethen. Nachmittags schreibst Du mir davon. Ist es nicht Nr. 10? Aber 5 fl. ohne Meublen und ohne Tapete, das ist viel. Geschäfte. Willst Du mir denn nun auch dort ein Mädchen miethen, Lieber? Wir wollen sehn, ob sie hübscher ausfällt, wie Du meinen Wahlen schuld giebst, ich könnte sagen, ich wollte Dir einen Bedienten mitbringen, den nämlich, der sich so in Deinen Bart verliebt hat, aber da wir nicht wissen, wie man uns bedenken wird, in Ansehung des Gehaltes, so möchte hierüber ein Bedenken noch statt finden. (Ich habe über Mittag im Pater Abraham gelesen.) Liebster Freund, sorge nicht, ich bin nun wohl, und entsezlich vergnügt. Zwey Briefe habe ich von Dir, ich weiß also alles, was Du mir geschrieben hast, mehr aber auch nicht. Da ich aber weiß, daß Du meiner in Liebe gedenket, so weiß ich genug. Es scheint mir wohl, als wär es mit der Akademie nichts und müsse man etwas ganz absonderliches für Dich ausfinden. Hiemit mag ich mir nun den Kopf in der Abwesenheit gar nicht zerbrechen, und ich nehme es, wie Du es bereitet hast und hat bereiten können. Insinuiren könntest Du ihnen wohl, daß sie wahrscheinlich eine Ersparniß an Mannert, Martini und Paulus machen und davon auf Dich, theures Haupt, legen sollten. Wie gesagt, der eine M. bleibt, der andre vielleicht auch, denn der Curator, dessen Hand beym Demonstriren immer zittert und nicht, wie eine gewiße andre, vor Feuer der Jugend, der Curator hat mit demonstrirt, daß der Minister Sr. K. H. die edelsten und mäßigsten Gesinnungen hegen, welche man nur noch brauche zu pflegen. – Selbst der Kurfürst interressire sich am meisten vor allen übrigen Landesstellen für die Universität, habe alle deshalb eingesandte Berichte gelesen. Er, der Curator, habe den Minister auf die protestantischen Professoren geleitet, und dieser erwiedert, daß seines Wissens gar nicht nach der Religion gefragt werden würde, daß man freylich nicht zuzulegen wünsche, aber auch die Wiener Interressen wieder gezogen werden könnten. Drauf hat ihm der Wagner den eingegebenen Gedanken eingegeben, daß, wenn man es einrichten könnte, daß die Österreichischen Protestanten hier studieren, die zwey Professoren Martini und Paulus nicht überflüssig wären, was ihm einzuleuchten schien. – Ich ersah aus Wagners weitern Gerede, daß er dieses jenen auch schon mitgetheilt hatte. Wir tranken Kaffee miteinander, wozu sie mich des Morgens im Hofgarten eingeladen hatte, um die fürstlichen Kinder bey ihr ankommen zu sehn, da sprach er also ganz vertraulich. Wenn diese Leute nun wirklich in Würzburg bleiben können, so braucht man sich wenigstens gar nicht mit ihnen zu beeilen. Dem guten Martini ist allenthalben wohl, dem schlechten Paulus nirgends. Hast Du nichts gethan in Ansehung des projectirten Briefes an diesen? Und schreibst Du auch wohl nach Haus, oder soll ich es thun?

Es ist köstliches Wetter, worauf denn die Würzburger nicht wenig stolz sind, wie auch aus den dummen Berichten in den Zeitungen und Chroniken zu ersehn. Etwas schlechteres giebt es nicht als die Chronik des Andres und ein Prolog von ihm, worin steht, daß der neue Fürst glaubige Knie beuge – staubige lieber. Er hat rothe Hosen und Westen mit langen Taschen an, nicht scharlach, eben dunkelroth und einen kreideweißen Rock. Ich sah ihn heute auf dem Balcon, wo er die Bürgerparade ansah. Wieder eine unglaubliche Menge Volks, tedeums in allen Kirchen und einige Kanonenschüsse, welche weder knallten noch schallten. Diesen Abend ist die Beleuchtung. Die Ampeln stehn schon vor unsern Fenstern. Das ganze Würzburger Landvolk ist hier versammelt, zum erstenmal leben hier die Gassen. Da man in Erfahrung gebracht, daß bey den Illuminationssprüchen Anzüglichkeiten gegen die Bayern vorkämen, so hat der Polizeidirektor sich die Censur beygelegt, es gingen Commissarien von Haus zu Haus, viele sind gestrichen. Ja kanst Du Dir vorstellen, daß der elende Pickel, dem die Bayern doch nur den ausgezeichnetesten Vortheil gebracht haben, einen dergleichen Vers an eine Spielerey mit einer Abbildung der Citadelle, von der elektrische Kanonenschüsse abgefeuert werden, angebracht hatte, ungefähr des Inhalts: sie haben Pulver und Geschütz mitgenommen, aber doch die Luft ausgelassen. Es ist doch eine niederträchtige Ader in dem Volk. Von oben herab protestirt man sehr gegen diese Äußerungen und will gern Friede mit dem Nachbar. – Die Universität wird auch eine Art von Fest feyern, Reden halten und sich langweilen – ja die Herren wollen ein übriges thun und selbigen Tag ordentlich alle bei Tachi Familie Sturz.

Unserm Klein vergeht nun aller Muth, da er einsteht, daß er Dich vors erste nicht wiedersehn wird, er tröstete sich wohl, wenn ich nur nicht auch wegginge. Auf den Herbst will er nach München, ja bis nach Rom.

Ich sehe, daß die Oberdeutsche LZ. die alte Taktik übt; sie macht es wie die Österreicher, immer festhalten an der alten Taktik, obgleich der Feind eine Provinz nach der andern dabey gewinnt. Aber sollte nicht Röschlaub an dieser Recension der Jahrbücher theil haben? Ich habe sein neues Heft der Merkwürdigkeit halber gelesen. Er hält jezt ganz fest an der Bibel, so daß mir scheint, er habe auch gar nichts dazu gethan – als wieder, was er doch nur von Dir hat. Es ist eine arme Seele und subjectiv verrückt, denn wenn sich das alles auch hören läßt, von einer gewissen Seite genommen, so ist es doch mit ihm zusammengehalten nur ein solles Bestreben, des Ehrgeizes; aus Hochmuth macht er den Demühtigen und aus Verzweiflung den Gottergebnen. Man könnte ihm sagen: wer Du auch seyst: ein Fanton, ein Geist der Hölle, Du kömmt in so ehrwürdiger Gestalt – ich will Dich gehen lassen – statt, ich will Dir Rede stehen, oder mit Dir reden. Er will doch nur gern, daß Du dieses thust, dann wird er erst recht losbrechen.

Montag.

Ich habe dies nicht eher abschicken wollen, bis ich Dir melden könnte, daß die Illumination glücklich überstanden ist, in so fern daß es keine Feuersbrunst und nur einige Wassernoth dabey gab, denn indem der Churfürst abfuhr und eine Suite von allen fahrbaren Maschienen, die es hier giebt, hinterdrein, schwärzte sich der Himmel in eben dem Maaß, als dieser arme Erdschollen oder Steinhausen beleuchtet wurde, und ein leichter Windstoß mit einem lieblichen Frühlingsregen löschte bald den ganzen, lange, aber schlecht bereiteten Spaß aus. Wenn das aber auch nicht gewesen wäre, so kam die Stadt dabey doch nur in ihrer vollen Häßlichkeit zum Vorschein, wenige Stellen ausgenommen, und zugleich das Ungeschick und die Geschmacklosigkeit der Einwohner. Das Greifenklauische Haus, das in Einen Feuer brannte, nebst der Kapelle, und wo auf der Gartenmauer dicht an einander die herrlichsten Blumen, besonders Rosenstöcke standen, hinter einer Reihe von Lampen, und dann das Haus des Fürsten mit weißen Wachsflambeaux einfach, dergestalt beleuchtet, daß sie außerhalb der Fenster auf hölzernen Armleuchtern angebracht waren, haben mir allein gefallen. Die Residenz war dunkel. Man hat dem Herrn die engste Gasse nicht gespart, wo nur ein Stümpchen guter Wille angezündet war, man mußte sich durch die Labyrinthe hindurch bis aus Zeller Thor schleppen, wo umgewendet wurde. Auf dem Mayn waren die Bäder und einige Schiffe beleuchtet, die Brücke finster. Niemand hatte den Einfall gehabt dem Bischoff, der den Kelch auf der Brücke gen Himmel hält, in den Kelch etwa eine große Fackel zu stecken. Das Festlichste des Festes war die Menge Volkes durch alle Gassen vertheilt, am gedrängtesten auf der Domgasse; seltsam aber war es, daß, da sie einen die ganze Zeit über mit Musik betäubt hatten, an dem Abend, wo an allen Plätzen welche aufgestellt hätte seyn sollen, kein Laut zu hören war. Das wenige Geschütz auf der Vestung allein ließ sich hören. – Meine besondern fata dabey waren, daß ich mit Schotts und Köhler in der Reihe fuhr, aber nachdem ich es eine Stunde ausgehalten hatte, mich so übel dabey befand, daß, da wir vor unser Thor kamen, ich ausstieg. Zu Haus war die Anstalt getroffen, daß das Mädchen in der obern Etage Wache hielt, und Spix war so gut und setzte sich in die Zimmer unten – es ist denn auch nicht das mindeste vorgefallen, um 10 Uhr fand ich unsre Lampen schon alle ausgelöscht. Spix hat Bescheid von Bamberg erhalten, daß er der Regierung schon vortheilhaft bekannt sey, und da die Zeugnisse dieses noch mehr auswiesen, so sey der Befehl an die Landes Direktion ergangen, sogleich die Quelle auszumitteln, aus der er ferner bezahlt werden könnte, und er werde baldigst weitre Auskunft erhalten. Er hat gestern Abend den Röschlaub bey mir gelesen, während ich weg war, und kann sich nun noch weit weniger in ihn finden wie ich. – Er verachtet ihn ohne Milderung. Malchen von Bamberg, die mich eben besuchte, erzählt mir, daß der Graf Thürheim in Ausbach ist, nachdem er einige Tage bey Markus logierte, daß die Gräfin noch in Bamberg ist, aber furios die Residenz räumen zu müssen. Es hat ziemlich heftige Debatten zwischen Graf Thürheim und dem Hofmarschall des Herzogs gegeben, wie dieser die Residenz noch nicht geräumt fand. Der Beschluß ist gekommen, daß der GeneralComissär nie wieder herrschaftliche Wohnung haben und auch das Schloß zu Ansbach frey bleiben soll. Der Graf hat alle für ihn verfertigte herrschaftliche Mobilien aus der Residenz mitgenommen. – Wird der Evangelist dem Apostel nicht noch einen guten Dienst geleistet haben, daß der Graf auf einmal den Paulus unterstützt? NB. P. hat sich wieder schriftlich entschuldigt, daß er bey dem Empfang des Churfürsten nicht zugegen war. Wagner sagte es mir. Sein neues logis war splendide illuminirt.

Ich erwarte nun noch einen Brief von Dir, um die Auktion etwa für d. 16ten anzukündigen, am 15ten ist Himmelfahrt. Das Pfingstfest muß ich mit Dir feyern, o Du mein heiliger und heiligster Geist.