Caroline von Schelling, Band 2


An Schelling

Würzburg 15. May 1806.

O Du lieber Freund, es ist hohe Zeit für mich zu enden, den ich weiß mir gar nicht mehr zu helfen. Die verruchten Geschäfte sind noch ein Glück – doch was sag ich, sie sind ja mein Unglück, denn was hielte mich sonst ab, mich Morgen in den Wagen zu werfen. Sehr ernsthafte Gesichter mache ich, das Weinen ist mir näher wie das Lachen, und die Freunde klagen über mich, die am meisten, die es sich einfallen lassen die Abreise zu bedauern, denn da werde ich ganz trocken oder gar unartig.

Ich schreibe Dir, aber wirklich kann ich Dir gleichfalls nichts definitives melden, außer daß ich wohl hoffe und gewiß darauf rechne am 20sten zu reisen – am 24 in München einzutreffen.

Was mich jezt beunruhigt, ist, daß ich noch keinen Bescheid wegen des Ersatzes hab, daß ich diesen doch nicht im Stich lassen kann, desgleichen die andern 100 fl. –

Eben habe ich Deinen lieben Brief mit den Einlagen erhalten – er hat mich so glücklich gemacht, so die gespannten ☉ Kräfte beruhigt wie ein Kuß von Dir – nach könnte ich mit meinen kleinen Kopf dabey an Deine Brust lehnen.

Ich will von Geschäften sprechen, damit ich nicht weinen muß....

Morgen früh um 10 Uhr wird das Versteigerungschauspiel gegeben: wenn es helfen kann, daß Himmelstein ausruft und Wolkenstein kauft, so ist uns geholfen. Gestern Nachmittag kamen nämlich der Minister Wolkenstein, der gute Hennebritt und Seuffert, der es mir vorher sagen ließ. Ich habe alles in die beyden Zimmer unten zusammengestellt, und bin oben auf Deinem Zimmer, wo ich endige, wie ich gestern dem Marcus schrieb, wie ich anfing: nakt und bloß (mit Receptoratsmeubeln, wie man auf die Erde kommt und von ihr scheidet. Köhler hat aber noch einen hübscheren Vergleich, er findet nämlich hierin die Construrung und Deconstruirung der Krankheit bestättigt, daß sie mit denselben Symptomen kommt und geht. Köhler ist so charmant wie möglich, weil er denn durchaus mit will. Ich bin zum erstenmal über eine Sache der Art in einiger Verlegenheit und doch muß ich Dir sagen, ohne Bangigkeit bin ich nicht für eine dreytägige Reise ohne allen Schutz durch so zerrüttete und aufgelößte Gegenden. Dienstmädchen. Ein allerliebstes Geschöpf hat sich bey mir angeboten, ich bin noch nicht ganz mit mir eins – ein andres Subjekt ist das Stubenmädchen, was die kleine Wagnern verrathen hat, ich weiß nicht, ob an den Gemahl oder an den Liebhaber – dieses könnte mir nun gleich viel seyn, allein so hübsch und frisch ist sie nicht wie die Andre, welche zuweilen mit Hufelands Kindern spazieren ging. Bringe ich sie, so giebt es Einen Vorwurf, den Du mir nie mehr machen kannst.

Lurz war bey mir – eine komischere Szene habe ich noch nicht mit gespielt – diese Repräsentation muß mir nothwendig mit 100 fl. bezahlt werden. Er hat die Zärtlichkeit weit getrieben, bis zum Umfassen, Händeküssen, Schmeicheleyen aller Art. Ich habe ihm dafür auf eine naiv verschmizte Weise schöne Dinge gesagt. Sehr hat er sich dagegen aufgelehnt, daß das Gesuch an den Kurator gegangen sey, was es den Kurator anginge, der habe ihm nichts zu befehlen.... Die Sache geht indeßen an den Churfürsten, und hätte ich es gestern gewußt, so hätte ich dem Minister ein Wort sagen können. Dieser hat die Sachen nur flüchtig angesehn und sich mehr unterhalten – er sagte, er würde jemand schicken. Er ist so groß und größer wie Thürheim, hager, nicht unangenehm, österreichischen Dialekt, aber gut französisch sprechend. Er hat mir gar nicht misfallen. Geschäfte.

Hier sende ich Dir ein paar Briefe an mich mit. Den Marcus habe ich nicht encouragirt zu kommen, denn es raubt mir nur Zeit.

Einen Kutscher habe ich, der für 5½ Carolin ganz nach München fährt, vielleicht weder über Ansbach noch Augsburg, sondern Du komst mir auf jeden Fall nur so weit entgegen wie der König der Königin – bis Dachau. Aber ich schreibe Dir übermorgen am Sonnabend noch das Nähere und Nächste, denn der Himmel weiß, ob mich die Receptoratsgeschäfte nicht eben einen Tag länger halten werden.

Wie freut mich das mit Jacobi. Ich habe Reinhard schon sehr bedauert, will mir es aber fernerhin ersparen, denn Excellenz kann man in der Moldau auch heißen.

Was werden sich die beyden Leute an den Briefen, die Du ihnen geschrieben, ergötzen! Dem guten Windischmann habe ich das Nöthige geantwortet.

Es heißt, daß Franzosen hier heut oder Morgen durchpassiren um Bareuth zu besetzen. Wie läßt sich denn das verstehn?

Danke dem guten Zentner vorläufig, daß er mich will aus meinen Exil frey lassen. Adieu, Du angebeteter Gemahl.