Caroline von Schelling, Band 2


An Luise Gotter.

München d. 28. Nov. 1806.

Mehr wie ich ausdrücken kann und wiederholen mag hat mich in dieser letzten Zeit das Schicksal jener friedlichen Gegenden bekümmert, wo auch Du, liebe Freundinn, mit den Deinigen lebst, wo ich selber so lange gelebt habe und alle Wege und Stege kenne, die jetzt mit Leiden und vergeblich vergoßnen Blut bezeichnet sind. Mitten in der scheinbarlichen Ruhe, die wir hier genießen, hat uns jenes Loos der Welt wirklich keinen Augenblick Ruhe gelassen. Es war so und mußte so seyn, und was nicht mehr bestehen kann, muß untergehn – aber die vielen unglücklichen zerrütteten Menschen, die zum Theil nie wieder erlangen, was sie hierbey einbüßen! Im Allgemeinen weiß ich wohl, wie es in Gotha steht und daß solche Auftritte wie zu Jena und Weimar an euch vorübergegangen sind, doch bitte ich Dich und ersuche Dich bey unsrer alten Freundschaft mir bald nähere Auskunft über Deine eigne Lage und solcher, die Dir lieb sind, zu geben. – Alles, was mir näher angehört, ist mehr oder weniger in diesem Umsturz begriffen. Auch meiner ältesten Bruder betrifft er auf eine Art, die mich besorgt macht; weißt Du etwas von ihm, so theile es mir mit, weißt Du noch nichts, so suche es doch bald zu erfahren. – Der jüngste ist auch im eroberten Land – meine Mutter und Schwester schienen dem tragischen Ende von Braunschweig aus dem Wege gegangen, denn kurz zuvor waren sie nach Kiel abgereißt, allein auch hier, an diesem äußersten Ende, sind sie kaum noch vor dem Andrang des Kampfes geschützt worden; Blücher schlug sich zwischen Kiel und Lübeck, Kiel ist mit Flüchtlingen angefüllt.

Unser Geschick hat uns allen kriegerischen Scenen bis jetzt entzogen – wir haben weder den Sieger noch Besiegte zu sehn bekommen. Besiegte sind wir zwar sämmtlich. – Ich lebe hier in der Hauptstadt, als wenn ich auf dem Lande lebte, nach meiner gewöhnlichen stillen Weise. Wir haben ein logis, wo die Fage der Häuser auf einen freyen Platz vor der Stadt hinausgeht, und ich sehe die Tyrolergebirge aus dem Fenster. Mein Mann ist sehr heiter, sehr gesund und so placirt, wie er es nur wünschen konnte. Er hat als Mitglied der Akademie der Wissenschaften seine ganze Zeit für sich und ein Gehalt, das ihn vor Sorge schützt. Eingerichtet habe ich mich nur ganz nothdürftig, mich dünkt, ich möchte mich nirgends mehr ansiedeln, und es ganz buchstäblich nehmen, daß wir nur Pilger sind.

Iffland hat sich unserm König angetragen; ich weiß noch nicht mit Gewißheit, ob er angenommen worden ist.

Was machen Deine Töchter? Pflegen sie auch Kranke und Verwundete? Eure Stadt hat sich immer als die hülfreiche ausgezeichnet und wird auch diesesmal deshalb gerühmt. Am meisten fürchte ich bey euch die Theurung, die zuweilen Mangel geworden seyn mag. Gieb mir bald Nachricht und gedenke meiner als derjenigen, die nicht aufhört euch in ihrem Herzen zu tragen.

C. S.