Möget ihr euch so sehr erfreut haben wie ich, da ihr gewahr wurdet, daß unsre Gesinnungen wie unsre Briefe sich auf halben Wege begegnet sind. Anfangs hielt ich euren Brief nur für eine sehr schnelle Antwort; es war aber noch besser, eine Antwort, welche die Frage divinirt hatte. Ein solches Vorherwissen geht nun mit sogenannter natürlicher Magie zu Übrigens halt ich euch sämtlich für übernatürlich Begabte –
Denn Du ZB., liebe Pauline, die Du im Thüringer Walde auf einmal italiänisch wie eine Römerin sprichst, derweil ich hier in der Nachbarschaft der Zitronen und Olivenwälder noch nicht sechs Worte Wälsch, das nicht sehr kauderwälsch wäre, zusammenbringen kann, wie soll man das deuten? Wie gern möchte ich Dich selber so in fremden Zungen sprechen hören, wenn es nur nicht so weit weg wäre. Seht doch zu, ob ihr nicht in eurer Kunst ein Mittel findet um ohne Pferde und Wagen, eine nach der andern, zu mir zu kommen und mir in der Einsamkeit der Hauptstadt holde und lehrreiche Gesellschaft zu leisten. Dem kleinen Gries jedoch wäre es zu gönnen, daß niemand wie er selber den Tasso und noch mehr den Messer Ludovico Ariosto in der Ursprache lesen könnte, denn daß er taub ist und auch sonst nicht recht lebendig, zeigt sich bei der Vergleichung mehr, wie ihm gut ist. Dieser Kleine war bei mir, kurz ehe ich Würzburg verließ, er reißte nach Heidelberg und ging von Jena weg, in der Ahndung unstreitig, daß dessen Ruin nahe wäre, wie man wohl Störche und andre häusliche Vögel vorempfindend die Städte verlassen sieht, deren Mauern und Thürme nächstens in Schutt zusammenfallen sollen. Wie hat mir selbst schon das Herr um Jena und alle die friedlichen Hügel geblutet. Wenn Du so leichtsinnig der Schmach gedenket, und wie der alte Kraus daran gestorben, so möcht ich wohl sagen:
Ihr sprecht ja fast wie ein Franzos –
Ich hab es anfänglich nur für einen Spaß gehalten, da Kraus aber wirklich todt ist, so hat er auch wohl wirklich Gänse gerupft. Dem Augusti kann das Stiefelputzen freylich nicht schaden. Bei solchen Umwälzungen kommt manches Ding und mancher Mensch eben wieder an die rechte Stelle, aber so ein junges Frauenzimmer sollte doch ein empfindsamer Gemüth haben!
Tiek wird eben noch nach Haus gekommen seyn, ehe ihm die Monarchie über dem Kopf eingestürzt ist; niemand hat Nachricht von ihm. Baron Knorring ist eben hier durchgereißt von Rom kommend, nach Sachsen gehend – er hat Mad. Bernhardi und Friedrich Tiek noch dort zurückgelassen, wird auch selbst zurückkehren, sich eine kleine Villa bey Rom kaufen und Madame wird dann wohl Baronesse werden. – O wie sind die einst zu Jena in einem kleinen Kreis Versammelten nun über alle Welt zerstreut, und lehren alle Heiden. Mein Kummer ist nur, daß sie alle miteinander nichts mehr dichten – wenigstens hören wir von den Gesängen nichts.
Andre stehen dagegen auf, liebe Cäcilie, und der ungläubigste Thomas müßte ja an Inspiration glauben, wenn er den kleinen Thomas Werke der Begeisterung vollbringen sieht. So lange hat er den schönen Geistern Briefe getragen, bis er selber einer geworden ist. Das recht Charakteristische hiebei ist die Huldigung gegen die Frauen, und besonders die eigne Frau – das ist Zeitsitte. – Glückliches Land aber, wo der Fürst und der Briefträger Idyllen und Ideale liefern. Nicht wahr, außerdem habt ihr auch gar keine Schriftsteller? Euer Ast ist in unser Landeshut verpflanzt, und treibt zwar Ästlein, seit er seine Lucinde geheirathet, will aber nicht zum Stamm werden. – Wenn Du nun noch Künstlerinn wärest, heilige Cäcilie, was könnt ich Dir nicht von unserm hiesigen Gemähldeschaz sagen, der durch die Düsseldorfer Gallerie wenigstens zu der 2ten Sammlung in Deutschland angewachsen ist. (Gebe Gott, daß Dresden die erste bleibe!) Nun könnt ich freilich Dir dennoch davon sagen, denn Liebhaberinn bist Du gewiß noch geblieben, es ist nur schwer anzufangen. Unter den Vorzügen unser jetzigen Lage ist es mir der liebste, eine solche Sammlung täglich sehn zu können. So viele und entschiedene Ruhepunkte habe ich zwar noch nicht darin gewinnen können, wie in der Dresdner, doch wünsche ich allen, denen ich Gutes gönne, den öftern Anblick der Himmelfahrt der Jungfrau von Guido Reni und des Johannes in der Wüste. – Es wird sich nun hier eine Akademie für Mahler und Zeichner bilden unter Direction der Langer von Düsseldorf. –
Und wer weiß, bestes Julchen, ob ein gewisser Hummel von Kassel nicht hergerufen wird. Denn dort scheinen mir auch die Künste und Musen auseinander gesprengt zu werden, und alle erhabnen Flüchtlinge finden bey uns eine Zuflucht. – Ifflanden zwar hat man zurückgewiesen, das ganze Theaterpersonal und die Politik hat sich dagegen gesetzt, indem Iffland sich zu Berlin auf dem Theater mit Äußerung politischer, nämlich nicht-politischer, antifranzösischer Gesinnungen befleckt hat. Ich gehe hier fast gar nicht ins Theater und nur bey Opern. Das Haus ist zu klein, man findet keinen Platz, und die ganze Anstalt im kleinlichsten Styl. Im Achilles habe ich diesen Sommer den Brizzi singen hören und in den Horatiern den Brizzi, die Bertinotti und Schmalz. Das war der Mühe werth. – Was treibt den Julchen eigentlich – die nützlichen oder die schönen Künste?
Nunmehr wende ich mich zur lieben Mutter. Du siehst, liebe Freundin, daß es mir am Herzen lag zu wissen, was Du mir schriebst, wie Dir, was ich Dir geschrieben, denn wenn ich nicht sehr irre, so habe ich Dich nach meinem Bruder gefragt wie Du mich nach meiner Mutter und Schwester. An den lezten ist das Kriegsungewitter nur eben vorbey gegangen, die Wetterscheide war fast vor den Thoren von Kiel nach Lübek zu, aber daß sie ganz unbesucht bleiben sollten, glaub ich kaum; wenns am besten abgeht, so bekommen sie eine gelinde französische Einquartirung. Mutter ist gesunder in Kiel wie zuvor, ungeachtet des feuchten und strengen Klimas. Wiedemann befindet sich wohl die beyden kleinen Mädchen leben und sind der Trost ihrer Mutter.
Aber wie zerrissen sieht es in der Welt aus – welche Unsumme von Elend, vernichteten Wohlstand, Schlechtigkeit – welcher gänzlicher Mangel an der gemeinsten Sicherheit. Man hört nichts anders in der Nähe und Ferne. Wie mag den Menschen zu Muth seyn, die nun wirklich drinnen stecken mit ihren Geist und Gemüth, und nicht eine Almosphäre um sich her ziehen können, in welche das alles nur scheinbar dringt. Wie viel lieber wollte ich in einem Dorf auf der Schlachtlinie von Jena gewohnt haben und in Staub mit getreten seyn, als mir die Seele anstecken lassen durch diese abscheuliche Verwirrung aller moralischen Dinge. Ich bin aber auch sehr glücklich, daß ich die Aegide neben mir habe, denn geht von einer Seite die ganze Convenienz Welt mit allen ihren alten Formen unter, so geht mir an einem schönern Horizont eine unwandelbare Welt auf. Der, in dem ich sie finde, ist ein unerschöpflicher Brunquell alles Herrlichen und Tröstlichen.
Vielleicht schreibt Dir der Bruder jetzt nicht oder doch mit solcher Vorsicht, daß wenig daraus zu nehmen ist für die Lage der Sachen. Es soll Unruhen dort geben. – Hier ist alles sehr stille, die Bürger besetzen die Wachen der Hauptstadt, so rein haben wir das Militair weggeschickt. Ich weiß oft nicht anders, als daß ich in einem ansehnlichen Landstädtchen wohne. Der Kreis meines Umgangs ist eng gezogen, wir wollen es selbst nicht anders. Zu denen, die ich viel sehe, gehört die Nièce von Weißhaupt und seine Schwester, die eine prächtige alte Frau ist. Sie korrespondirt viel mit ihrem Bruder und möchte auch gern immer durch die dritte Hand von ihm hören, aber Du siehst ihn wohl nicht. Er hat an Prinz August wieder viel verloren – sag mir, ob Ihr nicht auch dabei eingebüßt habt. Er hätte wohl Deinen Töchtern etwas vermachen können.
Deiner guten verstorbenen Schwägrin wird wohl seyn. Wie bringt sich aber die Tante Lenchen noch durch und Dein lieber Vater? – Grüße Minchen und melde mir immer, was in eurem Leben sich verändert zum bessern oder auch nicht bessern – ich muß wenigstens wissen, wie es euch geht.
Die Wiebeking hat ein paar sehr liebenswürdige Töchter. Das kanst Du nur der Siegfried sagen. An Fanny werde ich noch ein wenig von der Education von ma chère Mère gewahr – Wir haben einmal Kupferstiche nach Raphael in großer Gesellschaft besehn, wo Fanny und ich allein wußten, was das für Leute waren, Platon, Diogène, Epicure rc. in der Schule von Athen. Hier wissen sie nur von Jes Mari Josep!
Lebt recht wohl, ich begrüße euch auch in so fern als Bundesgenossen, daß ihr mit zum Rheinischen Bund getreten seyd. –