Caroline von Schelling, Band 2


An Luise Wiedemann.

München d. 31 Jan. 1807.

Dein Brief ist diesmal lange unterwegens gewesen, liebe Luise, (ist es nothwendig, daß ihr sie immer über Wesel schickt? der Weg ist ja offen über Hamburg und Frankfurt) – es war mein bester Trost, indem ich ihn las, daß Du in den 3 Wochen gewiß schon beträchtlich in Deiner Genesung vorgerückt seyn würdet, und die Zeit auch wieder überstanden wäre. Beste Seele, könnt ich Die beystehn! Beystehn ist im eigentlichen Sinn oft nur bey jemand seyn, eine freundliche und liebevolle Gegenwart ist Hülfe. Sie wächßt Dir heran in den Kindern, und ich hoffe, es macht sich auch sonst noch in Kiel; die Umstände sind jetzt allenthalben ungünstig für neue Anknüpfungen, sie waren es für euch auf alle Weise. Sey nur wenigstens gesund! Ich weis freylich, was es heißt eine langsame Reconvalescenz. Damals hab ich aufrichtig nie geglaubt, daß es möglich seyn würde sich herauszuarbeiten, man ist wie in einem tiefen Brunnen, aus dem man an senkrechten Wänden hinaufklimmen soll, fühlt sich heut so schwach wie gestern, die Schwäche macht, daß das Rad im Kopf mit äußerster Schnelligkeit umläuft, keine Besinnung feststeht, kein Gedanke rein ausgedacht wird. Höchstens wird man nach Wochen gewahr, daß es vor einigen Wochen noch schlimmer war. So schlimm, wie mir war, kann Dir nun wohl nicht seyn, Du hast doch ein ruhiges Gemüth, außer daß Du überhaupt ein etwas unruhiges Wesen hast – doch liegt Dir nichts bestimmt auf der Seele. Und versuche es nur, ruhig seyn zu wollen, Dich nicht freiwillig zu ängstigen; es ist unglaublich, was der Mensch durch den kräftigen Willen vermag. Ich habe wohl für Dich gefürchtet die Stille nach dem Sturm, die Stille nach dem Jahr, in welchem so viel vor Dir vorübergegangen. Es kann nie einen angenehmen Eindruck machen, wenn man lange viel gesehn und auf einmal nichts sieht. Das Vergangne ist dann nur ein Traumgesicht. – Aber wahrlich, dann reichen auch wieder zwey oder drei halbweg ordentliche Menschen, die alle Abend zu einem kommen, mit denen man sich unterhält und nach und nach alles Gesammelte mittheilt, hin, die Leere zu füllen. Statt allen Umgang mit Familien würde ich nur es so weit zu bringen suchen an eurer Stelle, und da es den doch immer einige unter den schon Gesetztern geben muß, welche sich Studierens halber in Kiel aufhalten, die sich dazu bilden ließen, so wäre dieses auch die leichteste Auskunft. Hier geh ich mit mehr Familien um, wie noch an irgend einem Ort, aber das fehlt mir und Schelling auch, daß nun nicht mehr alle Abend die Thür aufgeht und ein paar bekannte Gesichter hereintreten. Wir sind alleweile im Karneval begriffen – seltsam genug, daß alle öffentliche Gesellschaften, Bälle usw. sich auf die kurze Zeit von hl. 3 König bis Aschermittwoch beschränken. Jetzt giebt es alle Tage etwas, außerdem aber gar nichts, und den ganzen Winter über nicht einmal ein Concert. Ich stelle mir vor, wenn ich sehe, wie weit man jetzt noch in allen geselligen Ressoren zurück ist, vor 10‒20 Jahren hat es hier noch verwünscht barbarisch ausgesehn. Eine artige Anstalt haben sie, die sogenannte Academie masquée. Da ist ein großer Saal: (immer noch nicht groß genug, denn kein einziges Local hier ist, wie man es nach den mäßigsten Foderungen erwarten möchte, vom Schloß des Königs, der Gemälde-Gallerie, Komödienhaus an bis zu dem kleinsten herunter) an dem einen Ende desselben ist ein Theater aufgerichtet, vor diesem 3‒4 Reihen Stühle, dann Spieltische durch den Saal zerstreut, oben läuft eine Gallerie mit Sitzen für Zuschauer herum. Hieher darf nun alles kommen und kommt auch alles, der König und die Königinn samt dem Hofstaat, Minister ist. sind fast jedesmal da und sitzen gewöhnlich an den ersten Spieltischen hinter den Stühlen, mit den Karten in der Hand einer Pantomime zusehend, die jedesmal in zwey Akten auf dem Theater aufgeführt wird, italiänische Possen, recht derbe mitunter, mit Arlekin, Pierrot, Pantalone, Colombine in ihren bestimmten Trachten. Dicht am Könige sitzt vielleicht irgend eine dicke Bierbrauersfrau mit goldner Haube und Ketten am Brustlatz das Gedränge ist entsetzlich, und doch drängt sich alles untereinander durch. Die Herren gehen meistentheils im Domino hin, weil sie dann die Hütte aufbehalten können, keine Maske, außer etwa am Hut, die Damen im schönsten Putz ohne alle Maske, allenfals binden sie ein paar schwarze Sammtaugen um den weißen Arm. Ganze Masquen haben Zutritt, und finden sich auch immer dergleichen ein um Spaß zu treiben, der durch die Gegenwart der königlichen Familie natürlich im Zaum gehalten wird. Die Pantomime macht mit viel Vergnügen, besonders ist ein ganz köstlicher Pierrot dabey, der unerhörte Gesichter und Gebährden macht. Hier ist Tiek beständig zu finden gewesen, wie sich denken läßt. – Anderwärts war ich noch wenig Schnupfen und Kopfwehs wegen, was mir am 27. Jan. leid that, wo wir uns mit einer Gesellschaft verabredet hatten, zusammen auf einem Balle zu speisen, es war Schellings Geburtstag, aber mich befiel das tödlichste Kopfweh, und ich schickte ihn allein hin. – Welche Rencontre aber habe ich neulich gemacht! Ich war in einem Puzladen und 2 Damen mit mir, die ich an ihrer Sprache und artigem Wesen bald für nicht – Münchnerinnen erkannte – nachdem wir eine halbe Vierthelstunde da gewesen, wendet sich die Eine an mich. Wir können uns nicht länger zurückhalten, wir glauben sicher Sie zu kennen – erkennen Sie uns denn nicht? Ich besann mich nicht. – Sind Sie denn nicht Mad. Böhmer, welche in Marburg war? – Ja, das bin ich freilich. – Und Sie kennen Caroline Hanstein und Antoinette nicht mehr, die bei Schulers war? – Nun fiel mirs von den Augen, und nun gab es eine tumultuarische Erkennungszene. Die kleine Antoinette ist hier verheirathet, Frau des Wirtembergischen Gesandten von Bothmer, hat schon 6 Kinder, ist ein allerliebstes Weib, von der ich schon verschiedentlich hörte, sie auch sah, aber weil ich sie seit ihrem 12. oder 13ten Jahr nicht gesehen hatte, nicht erkannte. Schon in der Akademie hatte sie mich gesehn und zu erkennen geglaubt, sie spielte mit der Königin, nachher stand sie auf, und ich bemerkte wohl, daß sie mich nicht aus den Augen ließ – sie hatte viele Leute gefragt, aber nur meinen jezigen Namen erfahren können. Caroline ist bey ihr, unverheirathet, Minette in einem Stift in Westphalen und sehr dick geworden, die Brüder sind verheirathet und haben viele Kinder, bey denen sind die andern Schwestern, keine verheirathet als Antoinette. Die Schulers sind in Hildburghausen und kommen vielleicht im Sommer her. Sie haben mich nun sehr gebeten zu ihnen zu kommen, und nur Unpäßlichkeit hat mich seitdem abgehalten. Es hat mir und ihnen viel Freude gemacht. – Vor einigen Wochen ist auch der Baron Knorring aus Rom durchgekommen und hat uns besucht. Du weißt, er ging mit Tiek und dessen Schwester hin. Mad. Bernhardi, die Unerträgliche, ist noch dort geblieben mit dem Bildhauer Tiek. Knorring kehrt auch zurück, er holte, glaub ich, nur Succurs an Geld, und vielleicht giebt es gar eine Scheidung von Hrn. Bernhardi, denn Knorring liegt ganz in den Fesseln dieser blassen, magern, Zahn- Augenbraun- und Haarlosen Frau, die einen imperieusen, eigensinnigen, im Grunde bösen Charakter, aber Tiekische Visionen hat. Schlegel ist vielleicht jetzt mit der Stael in England. –

Was uns hier seit einiger Zeit sehr beschäftigt hat, will ich Dir und besonders Wiedemann erzählen. Ritter (der Galvanist, der sonst in Jena war und hier jetzt auch Mitglied der Akademie) bekam im Herbst die sehr beglaubigte Nachricht, daß auf der Gränze von Tyrol und Italien ein junger Landmann existire, welcher die (oft schon erschienene, und wieder verworfene, bekämpfte, verfolgte) Fähigkeit besitze, Wasser und Metalle unter der Erde zu empfinden, aufs genaueste an den Stellen, wo sie sind, dem sich daher auch die sogenannte Wünschelruthe in den Händen drehe usf. Ritter dachte Tag und Nacht darauf, wie er es möglich machen könnte das Phänomen selbst zu untersuchen. – Franz Baader, ein divinatorischer Physiker, den wir hier haben, einer der herrlichsten Menschen und Köpfe, nicht in Bayern, sondern Deutschland, brachte es durch eine rastlose Betriebsamkeit dahin, daß die Regierung gewonnen wurde, Rittern selbst auf ihre Kosten hinzusenden. Der Erfolg war Ritters vollkomne Überzeugung, daß sich die Sache völlig so verhalte, wie sie angegeben war – und wer Ritter kennt, der wird an der Schärfe und Kälte seiner Untersuchungen nicht zweifeln. Er nahm den jungen Menschen (Campetti mit Namen) nach Mailand und Pavia mit sich, sprach viele italiänische Physiker und fand besonders bey dem Abbate Amoretti zu Mailand, Bibliothekar der Ambrosianischen Bibliothek, die reichhaltigsten Aufschlüsse über diese in der That nicht wunderbarere wie jede andre Naturoffenbarung, aber im höchsten Grad interressante und weitführende Erscheinung. Amoretti besaß nebst einem großen Theil seiner Familie dieselbe Eigenschaft wie Campetti und hatte als gelehrter Physiker Untersuchungen damit angestellt, da Campetti nichts ist, als eben eine lebendige Wünschelruthe. Ritter hat ihn mit hieher gebracht (den Campetti nämlich), nicht um Zeichen und Wunder mit ihm zu thun, sondern als ein Werkzeug zu wissenschaftlichen Entdeckungen. Jedoch sann er darauf, wie dieß individuell scheinende Phänomen an ein viel allgemeiner verbreitetes Vermögen geknüpft seyn und so auch allgemeiner zu verifiziren seyn möchte, und es kam ihm der höchst glückliche Gedanke, es mit den Schwefelkiespendeln des Abbé Fortis in Verbindung zu setzen. (Wiedemann wird hierum Bescheid wissen). Dieser Versuch gelang ihm gleich, und gelingt, mit wenigen Ausnahmen, die sich aber auch nicht constant beweisen, jedermann. Er besteht darinn, daß Du einen kleinen Würfel von Schwefelkies nimmt, ihn an einen Zwirnsfaden befestigst, und diesen Faden, etwas angefeuchtet, zwischen zwey Fingern so stät über irgend einem Metall, Wasser u. dgl. hältst, daß er nicht mechanisch bewegt wird – sobald er in völlige Ruhe und Befreyung von mechanischer Bewegung gekommen, fängt er an selber lebendig zu werden und sich in den regelmäßigsten runden Schwingungen herum zu dren, und zwar nach Beschaffenheit des Gegenstandes, über dem er sich dreht, einwärts oder auswärts. Diese Beschaffenheit besteht darinn, ob der Gegenstand mit dem Süd- oder Nordpol des Magneten korrespondirt. Wiedemann mag zuerst den Versuch über einen wie ein Hufeisen gestaltetem Magnete machen, an dem die beiden Pole bezeichnet sind; er wird die Untersuchungen dann schon weiter zu treiben wissen. NB. Die Versuche müssen in so fern immer gleichförmig angestellt werden, daß der Würfel entweder stels von oben oder von der Seite her auf den Gegenstand gebracht werde – denn diese allen Dingen inhaftende Polarität ist natürlich nichts Fixes, sondern ins Feinste hin, aber immer gesetzmäßig Wechselndes. Ziehe den Würfel von dem Gegenstand auf die Art, wie Du über ihn gekommen bist, entweder von der Seite oder von oben, einen Augenblick weg und bringe ihn eben so wieder darüber, so dreht er sich nach der entgegengesetzten Seite. Zwischen zwei Stücken gleichen Metalls steht er still – ändert auch wohl nur die Drehung, wenn das Vermögen des Menschen groß ist. – Höchst merkwürdig zeigt sich die durchgehende Polarität des menschlichen Körpers (übrigens hat jede Pflanze und Frucht, die noch frisch sind, die ihrige) – Amoretti hatte sie bereits ausfündig gemacht, aber immer das verrufene Instrument, die Bagnette, dazu gebraucht – Ritter sagt nun, die Baguette sey nichts als ein solcher doppelter Pendel, und das ist denn auch sehr einleuchtend. – Halte den Pendel über den Kopf, so schwingt er wie beym Südpol – desgleichen an Stirn und Auge – bey der Nase wendet er sich und dreht sich Nordpolartig, bleibt so am Munde, und am Kinn dreht er sich wieder wie an der Stirn. So deutet er die Symmetrie der rechten und linken Seite immer in entgegengesetzten Schwingungen an. Das artigste ist, ihn über jeder Fingerspitze drehn zu lassen – über dem vierten oder Ringfinger dreht er sich anders wie bey den übrigen – es muß hier eine entgegengesetzte Beschaffenheit statt finden. Dem Campetti, der dieses in Bewegung setzende Vermögen freilich in einem eminenten Grade besitzt, dreht sich zwischen dem Zeige- und Ringfinger ein eisernes Stäbchen, eine Bohne rund herum. Wenn er das Stichblatt eines Degens über diese beiden Finger hängt, dreht sich der Degen rund herum, welches sonst nur geschieht, wenn zwey Personen jede einen Finger unter das Stichblatt legen. – Alle diese Versuche sind hier nun schon weiter gediehen, als ich Dir in einem Briefe sagen kann, ich gebe Dir nur das A b c. Das beste ist, daß sich ein jeder selbst von der Ächtheit dieser Kraft, von dieser Wirkung des Menschen auf sogenannte todte Materien, die also wohl auch lebendig seyn müssen, überzeugen kann. Diese selbige Kraft muß es seyn, welche die Planeten um die Sonne treibt; der Mensch ist die Sonne in Bezug auf die Bestandtheile der Erde, mit denen allen er innigst befreundet ist, und so ist eins gewiß, so weit der kleine Punkt seines Daseyns es zuläßt, mit dem ganzen Universum. Man möchte sich todtfreuen über diese Herrlichkeit der Dinge und die Gegenwart Gottes in ihnen. Ich versichre Dich, mit ist diese ganze Zeit über so gewesen, als wenn irdische Reiche zwar untergingen, göttliche aber hervorkämen – es war mit zwar schon mehrmals so neben Schelling in meinem Sinn, nun tritt es aber auch vor die Augen, und ich möchte sagen, sein herrliches Gemüth wird mir auch dabey sichtbar. – Vielen interressanten Zusammenkünften von Baader, Ritter und Schelling habe ich beygewohnt, der gute Campetti, ein kräftiger braver junger Mensch, mit seinem schlichten frölichen Angesicht unter ihnen, der seine innige Freude an allen den Erscheinungen hat, aber nicht ein Wort davon, und überhaupt kein Wort deutsch versteht. Du kannst denken, daß ich mir den Anblick auch auf das Pittoreske angesehen habe, und für diese höchst ausdrucksvollen Köpfe hätte ein Mahler wie von der Schule von Athen da seyn sollen.

– Es ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, daß die Fähigkeit, verborgne Metalle und Wasser zu empfinden, und daß sich die Baguette in den Händen über Metallen, Kohlen usw. belebt, nur ein höherer Grad einer allgemein menschlichen Eigenschaft ist, die durch Übung wirklich verstärkt wird. Rittern neigte sich die Baguette anfangs nicht, außer wenn Campetti ihm die Hände auf die Schultern legte, jetzt aber schlägt sie ihm – Schelling bedürfte dieser Mittheilung nicht, sie schlägt ihm mit sehr großer Gewalt; wenn dieser mechanisch entgegengewirkt wird, so knätert die Ruthe (wozu sie bisher schwankes dünnes Rohr genommen haben, folgendermaßen gebogen mit dem Rücken der Hände auf einem Tisch festgehalten und ein Stück Metall (Münze) unter die Hand gelegt, wo sie sich dann nach Maßgabe des Metalls ein oder auswärts neigt) dergestalt, daß man es hören kann. – Ich habe Dir dieß alles recht eigends zu eurer Abendunterhaltung mitgetheilt und hoffe, es wird euch gehörig interressiren. Übrigens bedarf es nicht einmal des Schwefelkieses, versteht sich, jedes Metall, gediegner Schwefel, ein goldner Ring thut es. – Sey so gut und theile diese Blätter sogleich Philipp mit. Ich vermuthe, er wird sich erinnern, daß eben um die Zeit, wie er in Italien war, ein gewisser Pennet unter Leitung des Dr. Thouvenel mit diesen Versuchen umging – sie wurden damals verfolgt, verspottet, vielleicht auch von den Beförderern zu einseitig, ohne allgemeine Ansicht der Erscheinung betrieben. Thouvenel wollte bloß Elektricität darin sehn, da es nach meinen Physikern ein viel unmittelbarerer Proceß der Natur ist. Es hatte sich ein entsetzlicher Krieg in Italien darüber erhoben, von dem ich die Geschichte gelesen habe unter dem Titel: la Guerra di dieci anni. Zuletzt schlummerte die Sache ein, vermuthlich wird sie aber nun nie mehr einschlummern. Daß hiemit der thierische Magnetismus in Verbindung steht, braucht man auch Ärzten, wie ihr alle seyd, nicht erst zu sagen, aber Eines Phänomens will ich dabei gedenken, daß nämlich Schellings Bruder, unser Karl, meldet, wie er an einer mit Krämpfen geplagten Person gesehn, daß das Eisen sie rottiren macht, statt sonst der Mensch das Eisen. Wenn man einen Schlüssel mit ihr balancirte, so fing ihr Arm an sich zu drehen, und zwar so unwiederstehlich, daß er aus dem Gelenk getrieben werden könnte, wenn nicht Einhalt gethan würde. Erinnre Dich der Krankheit der Ziegesar, die Himly in Jena in der Kur hatte (zwar fällt mir eben ein, daß Du damals schon weg warst, aber Du kennst die alte Ziegesar), sie lag alle Tage mehrere Stunden lang in sonnambulen Zustand, mit fest verschloßnen Augen und gerieth in Zuckungen, wenn ihr dieses oder jenes Metall nahe kam; nicht alle wirkten schlimm auf sie, aber unterscheiden könnte sie alle, wenn man sie ihr auf den Magen legte. Mich wundert, daß Himly über diese ganze Krankheit nichts bekannt gemacht hat, sie dauerte sehr lange, seine Frau war mehrere Wochen lang bey der Kranken.

Dem Reinhold kannst Du erzählen, daß Jacobi auch schon Mehreres von Campettis Versuchen gesehn und, obwohl nicht geneigt zu glauben, doch geschaut hat – auch ihm drehte sich die Baguette, wenn ihm Campetti die Hände auflegte. Schelling war noch gestern bey ihm, und es ist viel experimentirt worden. – Noch haben übrigens wenige den Campetti gesehen; zu Versuchen im Freyen mit unter die Erde vergrabnen Metallen, wie Ritter am Gardasee gegen Weinachten noch anstellen konnte, ist jetzt die Jahrszeit nicht günstig, der Boden ist redlich zugefroren, und wir haben viel Schnee. Aber die Pendelschwingungen sind bey Hof und Stadt in Schwung gekommen. Brillant- und goldne Ringlein sind in Bewegung, nur wenige können nicht drehen machen, ZB. einige recht verstockte und schon stockig gewordne Hofleute, die vermuthlich mehr unter der Herrschaft des Metalls stehn (gleich der krampfhaften Person) als das Metall unter der ihrigen. Es kommt mir dieses Schwingen vor wie die joujous de Normandie, und ich habe schon vorgeschlagen es joujous de Campetti zu nennen.

Die alte Akademie der Wissenschaften ist aufgehoben und zugeschlossen worden. Die neue wird nun eröffnet, Jacobi wird Präsident, was Schelling sehr lieb ist – eine der ersten Berichterstattungen an und von dieser neuen Akademie wird die von dieser neuen Lebendigmachung des Todtgeglaubten seyn. –

Sie sagen, auch der Kreislauf des Blutes, die Assimilation rc. beruhe auf dem nämlichen Proceß.

Da ich einmal anfing, habe ich auch, wie Du siehst, das Papier nicht geschont. Wenn Wiedemann etwas Tolles zum Druck fertig liegen hat, so soll er doch damit herausrücken, er hat ja einen Buchhändler zum Freund, und verfänglich wird es doch nicht seyn. Cotta giebt jetzt ein Morgenblatt, ein Blatt wie die elegante Zeitung; glaubt Wiedemann, daß er durch dieses etwas von seiner Tollheit schicklich unter die Leute bringen kann, so soll er es direct oder indirect dahin befördern. Der Freinmüthige ist vor der Hand still geworden.

Ich umarme die Herzenskinder Lebe wohl und gieb mir bald wieder Nachricht. Schelling grüßt. ☉