Caroline von Schelling, Band 2


An Luise Gotter.

München d. 10 Jul. 1807.

Diesmal hätte ich Dir schon früher geantwortet, wenn mich nicht eine lange Unpäßlichkeit auf eine schlechte Art beschäftigt hätte, es war eine hartnäckige Halsentzündung, die ich anfangs ein wenig vernachlässigt hatte und dann desto sorgfältiger pflegen mußte. Hr. Schlichtegroll hat mich fast im Bett angetroffen, und mit großer Mühseligkeit nur konnte ich anfangs nach den gothaischen Freunden fragen. Er ist zum Glück so zuvorkommend, daß er auch manches ungefragt gesagt hat, und so hat er denn auf die überzeugendste Weise allerlei bestätigt, was die Mutter von ihren Töchtern rühmt. Es hat mich nur abermals geschmerzt, daß der Raum zwischen uns so gar beträchtlich ist; Du müstest mir sonst von Zeit zu Zeit eine der Töchter überlassen, der Reiche soll ja dem Armen helfen. Ich würde vielleicht den Muth haben große und ernstliche Propositionen deswegen zu thun, wenn ich nicht selbst immer nur noch auf einer Reise wäre, indem alles, was wir jetzt thun und lassen, auf eine Reise abzweckt. Die öffentliche Lage, die Zögerung, die bei vielen längst arrangirten Anstalten in der Ausführung eintritt, verzögert auch unsre Ausführungen. Noch ist nicht einmal die Akademie der Wissenschaften eröffnet, an welche Schlichtegroll als Generalsekretair berufen ist. Die der Künste wartet auf jene, und eine Menge eingepakter Antiken und Abgüsse harren der Auferstehung zum Lichte. Wir besitzen in der That einen unermeßlichen Reichthum an solchen Gegenständen, aber noch ist nichts geordnet und in genießbaren Zustande.

Der nahe Frieden wird wieder manche Veränderungen herbeiziehn, aber ihr und wir haben doch keinen Regentenwechsel zu erwarten, und können ruhiger zusehn.

Freilich ist es unvorhergesehn genug, daß ich mit den Enkelinnen der unvergeßlichen Mutter Schläger hier zusammentreffe, und die Männer noch dazu, so wenig sie mit einander gemein haben, zu dem nemlichen Corps gehören. Außer der Seltsamkeit kann mich aber nicht viel daran interressiren, obschon die Wiebeking eine sehr gute liebe Frau ist und ich sie sammt den Töchtern recht gern Schwester Schlichte¬groll. Indessen bahnt der Mann den Weg, er ist so zuthulich, ganz Herzlichkeit und Sanftmuth. Wenn ich mich recht erinnte, so wurde Schlichtegroll unter euch dafür gehalten, daß er einen ganz losen leisen Katzengang habe, und seinen Vortheil beständig vor Augen und im Herzen... Ich muß gestehen, er kommt mit zwar eben ein wenig katzenartig vor, aber von der gutmüthigen Gattung, die nur ihr Bestes, aber nicht anderer Übel will. Er ist recht fett und rund, und auf keinen Fall so schwarz wie Ketter ihre Katze, vor der ich mich immer so Über Bekannte Krankheit bei Wiede¬manns. Dazu ist meine Schwester schwanger und hat die immer noch nervenschwache und melancholische Mutter um sich. Sieh, da ist auch Elend genug und macht mir das Herz alle Tage bluten. Was mich in der Nähe verschont, betrübt mich in der Ferne. Und in der Nähe, in meinem Innern, zieht mich die Sehnsucht nach dem Verlornen alle Tage stärker an sich auf eine wunderbare Weise, ohne alle Veranlassung. Aber ich kann davon nicht reden. –

Es war kürzlich ein junger Mann hier, der aus Rom kam und uns viel von dort zu erzählen hatte, endlich ist auch die Rede darauf gekommen, daß er mit Gotters einmal von Gotha nach Weimar gefahren sey. Vielleicht errinrest Du Dich sogleich, daß er Schwarz heißt und nicht mit Ellen auszumessen ist. Doch ist er mehr gut als groß. Die Deutschen und übrigen Künstler in Rom, die Damen Humbold und Bernhardi trieben dort ein unauflösliches Gewirr von Intriguen, Thorheiten und Geschichten unter einander. Es existirt eine heidnische und eine christliche Parthei, da die Damen verschiedne Parthie genommen, so hat sich die eine gleichsam für die Benus, welches Fr. v. Humbold ist, und die andre für die Madonna erklärt, und die Schönheit der einen und Reinheit des Gemüths der andern werden sich auch ungefähr die Wage halten. Die Gebrüder Riepenhausen haben sich als die schlechtesten und recht bübische Taugenichtse bewiesen, aller Frömmigkeit zum Trotz. Von dem allen hat uns Schwarz viel Particularitäten mitgetheilt. Die Bernhardi, der Schwarz auf alle Weise beigestanden, war zuletzt in das äußerste Gedränge wegen Schulden gerathen und hatte sogar mit den Sbirren zu thun gehabt. Jetzt ist der Baron Knorring wieder nach Rom zurück. Schwarz ist in sein Vaterland heim gekehrt. Ich bilde mir ein, ihr kennt von Kassel aus manche der Künstler, die sich in Rom aufhalten, namentlich die Riepenhausen. Die Fromm- und Heiligkeit dieser sämmtlichen Gemeinde ist in der That nur Form und Manier, in den besten unter ihnen, ZB. Ludwig Tiek, nur poetisch zu nehmen, in den schlechtern wie eine willkührliche Ansicht, eine Kandierung eines tauben Kernes.

Besorgung. Lebet sämmtlich recht wohl, und lasset bald von euch hören. Schelling grüßet bestens

C. S.