Daß ich seit Eurem letzten Gruß durch Schlichtegroll nicht geschrieben habe, wirst Du mir nicht für ein Vergessen annehmen, Du theure und treue Freundin – ich will auch nichts zur Entschuldigung und Erklärung davon sagen, denn es trifft sich ja gar oft, daß ich Monate lang nicht schreibe, ohne darum weniger in Gedanken mit meinen Freunden fortzuleben. Mit Zuversicht sah ich vielmehr einer liebreichen Sendung durch Jakobs entgegen und ich habe mich nicht betrogen, ja immer finde ich noch etwas über alle Erwartung. So hatten mir die zephirleichten Verse von den beiden, der Zilia und der Lina, ein wahres Vergnügen gemacht, und nun kommt ein reeller Zephir von euren lieben Händen gewebt, der sich mit auch gleich um den Hals geworfen und mich gewärmet hat – Eure Güte und Liebe umfängt mich recht eigentlich damit; wüßte ich es nur eben so wohl ausgesonnen, und auch den rechten Fleck treffend, zu vergelten! Aber vor Allem – könnte ich euch hier auch einmal so ankommen sehn, wie die andern Gothaner, von denen sich einer nach dem andern einfindet; für mich sind es immer die rechten noch nicht. Ich seh nicht ein, warum doch eine solche Mutter mit solchen drei Töchtern nicht auch zu verschreiben wäre, um das Baierland zu kultiviren. Ihr könntet mit Lehre und Beispiel wohl eben so viel Gutes thun, wie die Männer verrichten zu können sich einbilden.
Jakobs hat mir denn freilich schon alles, was er wußte, von euch sagen müssen, und das war recht viel Gutes! Sie habe ich noch nicht gesehn, denn die arme Frau ist krank angekommen, mußte verschiedene Tage im Gasthof zu Bett liegen und kann ihre Wohnung, in die sie sich endlich tragen ließ, noch nicht verlassen, indeß ist sie so weit hergestellt, daß sie die Zeit benutzen kann um sich allgemach einzurichten. Der Schlichtegroll ist es weit besser ergangen, sie hat sich gleich in ihre ganze Lage zu versetzen gewußt und ist schon ganz eingewohnt. Gestern Abend hat sie unter andern einen großen Thee gegeben, wo aber doch fast lauter Nichtbaiern waren. Die sächsische Kolonie vermehrt sich gewaltig. Wer hätte wohl an den dicken Hamberger in der Welt noch gedacht, wenn es hier nicht einen Augias Stall von Bibliothek aufzuräumen gäbe! Weil ich denke, es interressire Dich denn doch von dem Ergehen der Landsleute zu erfahren, so will ich auch mit meinen Nachrichten darüber nicht hinter dem Berge halten, überzeugt, daß Du dagegen nichts davon laut werden lässest, indem es gar leicht die Ronde machen würde. Neues werde ich Dir eben damit nicht sagen, die Leute werden eben alle in ihren uns schon bekannten Charakter handeln. So hat Schlichtegroll, im Besitz einer Stelle, die einen sehr selbstständigen Mann brauchen und zieren könnte, etwas ganz subalternes daraus gemacht; er beträgt sich nicht als Generalsekretair einer Akademie, sondern als Privat- und Haus Secretair des Präsidenten derselben. Diesem hat er sich ganz in die Armee geworfen. Nun ist unser Präsident ein guter und rechtlicher Mann, aber von Grund aus eitel und nach Einfluß und Glanz jeder Art strebend, dabei nicht rüstig genug mehr in seinem Geist um Schmeichelei nicht für Verdienst zu halten. Er hat ein paar alte Schwestern bei sich, die mit eignen Prätensionen auch die des Bruders heftig unterstützen und ihn lebenslang verzärtelt und verzogen haben. Es haben sich ehedem wohl geistvolle Kreise um ihn gebildet, jetzt ist es ihm im Grunde bequemer mit weniger Geist und desto mehr Gefälligkeit zu thun zu haben. Dieses ist der Ton des Hauses, welches er jetzt macht. Schlichtegroll paßt so gut hinein, er hat sich so tief in eine gewisse Ehrfurcht hineinpersuadirt, daß er bei jedermann nur für ein schwaches Werkzeug gilt, und sollte der 70 jährige Präsident sterben, so bleibt ihm nichts, als dieselbe untergeordnete Rolle mit einem andern wieder anzufangen. Übrigens thut er nichts unrechtes, schafft und macht sich in kleinen Sphären nützlich, wo er weiß und kann. Sie ist denselben Weg gegangen, und hat sich in die Dienste des Jacobischen Hauses begeben, doch hat es wirklich noch einen selbstständigen Anstrich bei ihr, und ihre unendliche schmeichlerische Freundlichkeit läßt sie über jedermann scheinen. Wir hätten uns im voraus gar nicht vorgestellt, daß sie sich in jenes Verhältniß finden würde, um so weniger, da ihre Schwester, die doch ehemals mit Jacobis in Düsseldorf bekannt war, jetzt so gut wie gar nicht mit ihnen umgeht. Der Präsident hält aber sogar dafür, daß sie Witz hätte – Schelling sagte, er wäre hierüber fast frappirt gewesen, da er aber kürzlich gesehen, daß die Schlichtegroll dem Jakobi die Hand küsse, so begreife er auch, daß sie Witz habe. – Nimm das alles nicht zu ernstlich und nicht übelwollend – aber freulich mit unsrer beiderseitigen Natur stimmt es denn gar nicht. Indessen besteht dabei ein freundliches Einverständniß. Schlichtegroll thut Schelling alles zu Gefallen, er geht bis zur Devotion gegen ihn, und sie – macht ihm, unter uns gesagt, die Cour.
Von Jakobs, glaube ich, wird man sich ein weit unabhängigeres und dennoch sanftes Betragen versprechen können.
Das muß ich noch erwähnen, daß ich die Schlichtegroll fast nicht gekannt hätte, sie sieht älter aus wie billig und ihre Magerkeit nebst den Verziehungen des Gesichts und dem übermäßigen Rothauflegen geben ihr ein Karrikaturartiges Aussehen. Dagegen ist auffallend, daß die Wiebeking täglich hübscher wird, sie hat ein gar feines Köpfchen, und sieht bei weiten jünger aus wie die Schwester. Niemand will hier glauben, daß sie die ältere ist. Sara Schlichtegroll sticht gleichfalls sehr ab gegen die Kousinen; sie scheint mir nicht viel Verstand zu haben.
Da Hr. Rousseau von seiner Abreise spricht, so vermuthe ich, daß er ganz mit Protest zurückgeht, und seine beiden Schwäger zusammen ihn nicht haben anbringen können. Wenn er nur bald ginge, damit ich durch ihn die Rede schicken könnte, welche Schelling am Namenstage des Königes gehalten hat; er hat mir aufgetragen sie den Gotterischen Fräuleins zu Füßen zu legen, hoffend, daß sie nicht ungelesen bleiben würde, indem sie von der Kunst handelt, und die holden Künste alle ihnen verwandt sind. Vielleicht ist sie durch Schlichtegroll schon früher zu euch gekommen, vielleicht auch das, mit wie viel Beifall sie aufgenommen wurde. Ich habe die Freude gehabt selbst Zeuge davon zu seyn, indem ich von einer verdeckten Gallerie sie sprechen hörte. Schelling hat mit einer Würde, Männlichkeit und Begeisterung geredet, daß Freund und Feind hingerissen war, und nur Eine Stimme darüber gewesen ist, vom Kronprinzen und den Ministern an, die gegenwärtig waren, bis zu den Geringsten. Es ist mehrere Wochen nachher bey Hof und in der Stadt von nichts die Rede gewesen als von Schellings Rede. Auch als den einzigen erkennt man ihn an, der würdig gesprochen dem Inhalt und der Form nach. Wenn ihr die Reden Schlichtegrolls und Breiers, welche auch gedruckt sind, damit vergleicht, so werdet ihr es auch wohl finden. Nun kommt dazu, daß Schlichtegroll ganz unerlaubt schlecht und Breier völlig predigerartig lesen soll. – Jakobi, der für Schelling überhaupt Achtung, selbst Zuneigung hat, aber freilich weder im Charakter noch in der Philosophie mit ihm übereinstimmt, sagte, seine Bewunderung sey gegen das Ende bis zur Bestürzung gestiegen, und in der That sah man ihm das auch etwas an.
Wahrscheinlich ist euch in dieser Zeit noch eine Begrüßung von uns zugekommen oder wird noch erst kommen. Ich habe Werner, dem Verfasser von der Weihe der Kraft, aufgetragen euch zu besuchen; er ging von hier über Stuttgard und Frankfurt und Gotha nach Berlin zurück. Es ist wunderlich, indessen sehr wahr, daß ich bis jetzt seine Weihe der Kraft noch nicht gelesen, auch für keins seiner Produkte ein gutes Vorurtheil nach den Bruchstücken, die ich von ihnen sah, hegte. Aber der Mann hat mir durch sein Wesen ein Interresse dafür gegeben, und in dem, was ich wirklich von ihm nun kenne, läßt sich ein großes und des Fortschreiten fähiges Talent (obschon der Verfasser selbst nicht mehr jung ist) nicht verkennen. Die Kraft seiner Darstellung hat er bisher nur an unrichtige Gedanken verschwendet; das geheime Orden Wesen hat ihn bestrickt und die Liebe zur Allegorie ihn von der rechten Poesie abgeführt. Ich kann mir denken, daß er wirklich noch einmal ein tüchtiges Schauspiel schreibt, und weiß eben nicht viele, von denen ich mir dieß vorstellen könnte.
Auch das muß ich den Kindern noch melden: die Bernhardi aus Rom ist hier durchgekommen, und wohl 8 Tage mit uns gewesen. Da habe ich denn von den römischen Dingen zur Gnüge erfahren und ferner zur Gnüge eingesehn, daß die Riepenhausens zu den korruptesten jungen Leuten gehören, welche die Erde trägt. Die B. ist nach Prag gegangen, um von dort aus den Proceß mit Hrn. Bernhardi zu Ende zu bringen, der eigentlich um die Kinder geführt wird, die er ihr nicht lassen will. Vermuthlich erwartet sie dort auch Knorrings Rückkehr aus Lievland. Nach der Hand wird eine Villa bei Rom gekauft, man etablirt sich dort auf Lebenszeit und nach Dichterweise. Die arme B. hat viel in Rom ausstehn müssen, sie sieht aber auch ganz römisch aus, ihre Züge selbst haben einen solchen Charakter angenommen, so daß ihr Äußers, bei allem Ungeschick, etwas wahrhaft Interressantes gewonnen hat.
Wie viel, meine werthen Freunde, habe ich euch nun vorgeschwatzt; verzeiht, wenn nicht alles gar zu wohl gestellt und schrieben ist; ich bin eilig und obendrein nicht ohne Kopfweh gewesen. Besorgung.
Noch Eins: man hat hier viel darüber gespaßt, und zwar die witzigen Baiern, denen es nicht eben recht ist so viel Fremde anlangen zu sehn, daß der bekannte Rekrologist zum Secretair gewählt wurde, und es als ein böses Omen ausgeschrien. Die Späße haben sich verdoppelt, da die erste Sitzung der Akademie ganz Rekrologisch gewesen, und selbiger nicht allein in sein Amt gleich eingetreten, sondern auch die andern zu Todtenfeiern verführt hat, als wenn hier nicht gar andre Dinge zu thun wären. Diese Bemerkung bezieht sich auf die Reden Schlichtegrolls und Breiers und Zwischenreden Jacobis, welche unter dem Titel erste öffentliche Sitzung der Akademie gedruckt sind.