Du wirst aus meinem letzten Brief vom Jänner, den Du jetzt hoffentlich erhalten hast, schließen können, wie wenig ich ein so nahes Ende vermuthete. Es hat mich mehr, wie ich Dir ausdrücken kann, erschüttert, mehr wie Du begreifen würdet, da Du nach dem Leiden der armen Mutter das Aufhören desselben nur tröstlich mußt finden können, und das thue auch ich, aber ich fühle den Fall wie den Riß des letzten nahen und natürlichen Bandes zwischen der mütterlichen Erde und mir, ich gedenke dessen, was ich schon verlohren, und wie ich, ich möchte sagen, durch jeden Ackord des Schmerzens angeregt worden bin bis zur Zerrüttung und so vielfältigen Tod überleben müßte. Meine Augen sind noch wenig trocken geworden seit Erhaltung der Nachricht, ich habe den Anlaß ergriffen, so scheint es mit selber, um einmal recht auszuweinen, da ich es jetzt konnte ohne das Herz des besten Mannes gradezu zu zerreißen. Dann auch, wenn ich mir denke, wie mühselig die letzten Schritte bis zum Grabe hin der guten Mutter noch geworden sind, so kann es mich fast nicht beruhigen, daß es nun vorbei ist. Alles, was ich darüber noch tröstliches erfahren kann, wird mir eine wahre Wohlthat seyn. Schelling kennt den Prediger Fock dem Ruf nach als einen vortrefflichen Mann; es ist mir sehr lieb, daß sie sich noch mit jemand, der ihr gelassen und verständig zusprach, hat unterhalten können. Du nennst mir die Nacht vom 5ten auf den 6ten als ihre Todesstunde; Philipp, der mir heute schreibt: die vom 4ten auf den 5ten. Melde mir, welche es ist. Der 4te Febr. war es, an dem Böhmer starb.
Gott gebe Dir jetzt ungetrübte Tage und erhalte die Kinder. Erbtheilung.
Wohl erinnre ich mich und zwar lebhafter, als es gewöhnlich ist, des Doctor Kleucker als Lehrers in unserm Hause. Sage ihm einen Gruß von mir, und daß ich mit Vergnügen gelesen, was er von indischen Dingen bekannt gemacht, auch daß Schelling viel auf ihn hält und durch ihn zuerst den Zend-Avesta hat kennen lernen.
Die Hufeland ist 14 Tage hier gewesen mit Therese und Adolph – ich weiß nicht, wie es sich gemacht hat, aber genug, sie hat mich einmal wieder mit der Niethammer, bey der sie logirte, besucht und ich war nachher mehremal mit ihr zusammen. Du kannst denken, daß ich ihr nichts zu leide gethan, sie war ziemlich schüchtern. In welchem Grade sie aber häßlich geworden, ist nicht zu beschreiben, so daß man sie hier in eben dem Maaß für merkwürdig häßlich hält, als sie sonst für hübsch galt, das unmäßige Roth hat ihr auch die Haut verdorben; sie sieht ganz karrikaturartig aus, Therese aber sehr anmuthig und ist von ziemlich leichtfertigen Anlagen. Mathilde bleibt auch hier. Ließt man auch die Briefe, welche ihr erhaltet?
Lebe wohl, liebe Luise, bleibe gesund. Schelling grüßt Dich wie ich Wiedemann. Wir leben wie die Vögel auf den Zweigen seit dem großen Erdfall, der uns betroffen. Wann wir eine Reise machen, wissen wir immer noch nicht – es wird auch einmal kommen.