Caroline von Schelling, Band 2


Rumohr an Caroline.

Krempelsdorf d. 7ten Martii 1808. Gnädige Frau, Sehr verehrte Frau,

heute Morgen ist nun unser Freund nach Halle abgereiset und mancherlei Pläne, die wir miteinander verabredet, werden erst dort eine bestimtere Richtung erhalten. Die Aussicht auf München ist und bleibt seine einige erwünschte; Schelling, so viel näher den schönsten Punkten Europäischen Landes, und so viel weiter von den Trümmernden Gebirgen, die alles individuelle Dasein zu zerschmettern drohn; endlich alle andern Vorzüge, die München gegenwärtig besitzt, würden ihn wohl dahin bestimmen, wenn es auch nicht seine einzige Hoffnung wäre. Jacobis Schwester hat in ihrem letzten Briefe einen fortdauernden Antheil an dieser wichtigen Sache blicken lassen. Die Sieveking wird nicht ermangeln fleißig nachzutreiben. Muß es noch eine Zeit währen, so halte ich, unter uns, Steffens so lange aufrecht. Es ist eine verzweifelte Zeit, wenn man die einzelnen Lagen ansieht, und das Ringen der Besten gegen äußere Noth aber göttlich, hoffnungsvoll, wenn man die Ruthe recht versteht, welche die Guten züchtigt und den Bösen schmeichelt. Wie die Thätigkeit in den Faulen, die Gesinnung in den Schwachen aufkommt. Ich küße die Ruthe, die mich so heilsam straft, mit christlicher Dehmuth. Unser Freund ist einer schlimmen Zeit mit schönen Muthe entgegengegangen. Ich zweifle nicht, daß er dem harten Geschäfte gewachsen sei, das er für die nächsten Wochen übernommen hat. Wir haben uns vor unsrer Abreise recht durchgezankt, so daß nichts übrig geblieben als reine Zuneigung. Wir Armen haben so mancherlei Kummer im Herzen getragen, und so oft die Sorgen gegenseitig misverstanden, daß wir uns erklären mußten, um zu wissen, daß nichts Fremdes zwischen uns ist. Ich reise nun auch in 6 bis acht Tagen und werde wohl bis zu den ersten Tagen Aprills bei Ihnen sein. Eine Wohnung werde ich dann wohl finden, da dies nun nach so vielen Fehlrechnungen die rechte, ordentliche, bürgerliche Umziehzeit ist. Wenn Sie im nächsten Sommer nach Schwaben gehn, so mache ich Ihnen dort einen Besuch, denn ich habe vor das ganze Land antiquarisch zu untersuchen. Ich habe mir ein ganz geringes Jahrgeld ausgesetzt, damit will ich in München studiren und in dem Sommer allmählich Deutschland in allen Richtungen auf Beute durchkreuzen, einen Sommer habe ich für Paris und die Deutschen Gegenden Frankreichs bestimmt. Nach Italien gehe ich nicht eher, bis ich mit diesem großen Geschäft gewissermaßen zu Ende gekommen bin. Ich denke Friedrich Schlegel und verschiedne andere in dieses schöne Werk zu verflechten, und wo möglich eine Gesellschaft deutscher Alterthumskunde zusammenzubringen. Von Tieck habe ich keine Nachricht, und kann nicht gewiß versprechen, daß er mit mir komme. Vielleicht erkrankte er schon wieder. Daß es nicht möglich ist, ein Mahl mehrere Menschen zusammenzubringen. Welch eine Herrlichkeit daraus entstehen würde! Über Runge möchte ich Ihnen Vieles sagen. Diesen Winter erst habe ich ihn recht kennen gelernt, und nun ruht meine ganze Hoffnung auf ihm. Eine göttliche Idee, ein göttlicher Beruf die Kunst aus der Tiefe heraus, die Geschicklichkeit durch die Idee zu überwältigen. Es ist zum Erstaunen, was dieser junge Mann, wo sein Vorsatz beschränkterer Art ist, bereits machen kann; wie weit er schon in der Practic der Farbe ist, wo es nicht schon das Höchste sein würde, wenn er sie bezwungen hätte wie in der Auflösung der ihnen aus der Radirung bekannten 4 Blätter in Maleren. In einigen Rahmen zu Bildern zeigt er ein Verständniß der Plastick, in jenen 4 Kupfern der gothischen Architecktur, das grade nicht auf Gelehrsamkeit gestüzt, vielmehr aus ihm selbst hervorgegangen ist. Was kann Alles aus einem solchen Menschen hervorgehn, der das Wesen und den Sinn der Farbe und die Anwendung der Farben ergründet und bemeistert, durch Ausmessung und einfache Berechnung eigner Bilder auf längst vermißte Geheimnisse geräth, und glücklich Symbolik und Hieroglyphik zu verknüpfen beginnt. Steffens soll Ihnen noch mehr von ihm sagen. Ich bringe Ihnen eine Zeichnung von ihm mit. Ich bin meines Theils diesen Winter hindurch recht fleißig gewesen, habe viele Materialien aufgehäuft, die wohl an jedem andern Orte leichter, zuverlässiger hätten gesamlet werden können. Wie freue ich mich zu dem Besitze einer großen Bibliothek, zu dem Genuße bisweilen Bilder zu sehn. – Ach, Dresden sähe ich noch gern, wäre es nicht so schlecht durch das Gebirge von Vogtland zu reisen. Aber leben Sie wohl und empfangen Sie so gütig wie sonst

Ihren gehorsamen C. F. Rumohr.

NB. Grüßen Sie Schelling und Baader; seinen Auftrag besorge ich, weiß aber nicht, ob ich die Bücher noch mitbringen werde.