Mit dem herannahenden Herbst haben sich alle Ausgewanderten wieder heimgefunden, und legen nun vereinigt ihre Wünsche und Sensucht, recht bald wieder ein freundliches Wörtchen von München zu hören, an den Tag, indem sie selbst von ihrem Thun und Treiben Nachricht ertheilen. Cecilie kam 8 Tage später als ich von den Nymphen der Quellen zurück, und so zufrieden sie auch von ihrem Aufenthalte und ihren dortigen Ungebungen spricht, so himmelweit verschieden waren sie doch von den meinigen, und ich glaube, schon die überwiegende Schönheit der Natur in Karlsbad ist hinreichend, es jedem andern Badeaufenthalte vorzuziehen. Eine unvorhergesehene glückliche Zusammentreffung der Umstände bereitete uns aber dort einen Genuß, den ich keinem Vergnügen in der Welt an die Seite setzen möchte. Gleich in den ersten Tagen wurde uns durch Ziegesars die Freude, Goethes Bekanntschaft zu machen, unter freiem Himmel war sie geknüpft und unter freien Himmel wurde sie täglich fortgesetzt. Spaziergänge, Landpartien und Vorlesungen wechselten angenehm ab, und wir machten bald mit Ziegesars, Goethen und seinem Freund Riemer einen kleinen Zirkel aus, der fest zusammenhielt und gewiß der lustigste und vergnügteste in ganz Karlsbad war. Um die übrige elegante Welt wurde sich wenig bekümmert und weder Bälle, Assembléen noch Concerts verführten uns aber dafür wurde auch täglich die entzückende Gegend zu Wagen und zu Fuß durchstrichen, und ich kann wohl sagen, es ist kein schöner Felsen drei Stunden in der Runde im Karlsbad, den wir nicht mit Goethe erklettert hätten. Er war die Seele unsrer Gesellschaft, immer gleich liebenswürdig, heiter und mittheilend. Nachdem Ziegesars weg waren, die 14 Tage früher, als die ☉ Seckendorfen und ich, Karlsbad verließen, machten wir beide mit Goethen und Riemer allein die Partien, und die Abende beim Thee theilte uns Goethe immer sehr artige Kleinigkeiten, die noch im Manuscript sind, mit. Jetzt arbeitet er sehr fleißig an einer Fortsetzung des Wilhelm Meister. Ich möchte wohl sagen, ohne mich zu rühmen, daß er insbesondere viel Güte für mich gehabt hat und sich auf alle Weise meiner angenommen, oft ist er früh gekommen mir botanische Stunden zu geben, und einigemal hat er mich ganz allein zu weiten Spaziergängen abgeholt.
Ein von dem unsrigen sehr verschiedener Zirkel, wo doch gewissermaßen aber auch ein Dichter präsidirte, war der der Frau von der Recke und ihrem Freund Tiedge: die tugendhafte Gesellschaft, wie sie Goethe immer nannte, weil man dort täglich die Urania sang und recitirte, aber leider waren wir niemals so glücklich, so sehr uns auch übrigens die Frau von der Recke zu protegiren schien, so einem Oratorium beizuwohnen, wahrscheinlich unsres profanen Umgangs wegen; denn sonst mußten alle vornehmen und tugendhaften Badegäste, vom Fürsten bis zum Polizeidiener, sie machten wollen oder nicht, zuhören. Unser Landesvater hat auch 3 Wochen das Bad, wie Sie wahrscheinlich wissen, gebraucht; er kam aber den Tag unsrer Abreise erst an, worüber ich mich auch nicht gegrämt habe, und so leid es mir auch war Karlsbad zu verlassen, so innig freute ich mich doch nach einer 3 monatlichen Abwesenheit die Mutter und Schwestern wieder zu umarmen. Alle sagen Ihnen die zärtlichsten Grüße, und wiederholen nochmals mit mir die Bitte, uns recht bald durch einige liebe Zeilen Ihrer Hand zu erfreuen.
Leben Sie nun wohl, verehrte Freundin, und empfangen Sie nochmals die zärtlichsten Versicherungen unserer Anhänglichkeit.
Herr Rousseau kann auf kein freundliches Gesicht von uns rechnen, wenn er Schellings Rede nicht mitbringt.