Caroline von Schelling, Band 2


An Pauline Gotter.

München 16. Septbr. 1808.

Im Begriff Deiner lieben Mutter zu schreiben erhalte ich Dein Briefchen und werde mich nun dem frischesten Eindruck überlassen und dem Töchterchen antworten. Nicht ohne ganz besondee Theilnahme habe ich schon während des Sommers von Deinen Kreuz und Querzügen gehört und daß es Deinem leichten Sinne freundlich ergeht. Hast Du nun die Felsen in Böhmen erklettern müssen und Dein Gewand an wilden Gesträuchen zerreißen, um eine Bekanntschaft zu machen, die ganz in der Nähe zu haben war? Ich möchte wissen, wie viel Botanik Du dabei gelernt hättest, denn wenn er Dir die ganze Metamorphose der Pflanzen explizirt hat, so scheint es, hast Du dem alten Herrn nur in die Augen dabei geschaut, ja Schelling behauptet selbst daneben weggesehn und den jungen Herrn eigentlich gemeint. Da Hr. Riemer dabei war, so wird der Eleve nicht gefehlt haben, obschon Du ihn ganz mit Stillschweigen übergehst. Und uns möchtest Du weiß machen, daß Dich der herrliche Vater und seine wunderbare Liebenswürdigkeit entzückt hat. Dem sey wie ihm wolle, ich nehme es, wie Du es giebt, und will Dir keine weitern Händel darüber machen.

Die Nachricht von der Fortsetzung des Wilhelm Meister war uns besonders interressant; weißt Du nicht, ob nun des Meisters Meisterschaft etwa dargestellt werden wird? Du hättest nur auch schreiben sollen, wie es denn mit der Gesundheit des rechten Meisters geht, indessen läßt sich das Beste daraus schließen, daß er es mit einem jungen wilden Mädchen im Bergeklettern aufnimmt. Da Du min aber jetzt so unternehmend und frölich gesinnt bist, wie wär es, wenn Du endlich eine Wanderschaft zu mir anträtest? Du bist im Zuge der guten Abentheuer, darum habe ich schon mehr Herz Dir dergleichen zu proponiren, indem es immer ein Wagestück ist. Leider haben wir gar viel gute anständige Gelegenheiten zu Überkunft vorüber gehn lassen, jetzt weiß ich nur den Hrn. Rousseau, das würde Dich aber wohl weder gut noch anständig dünken; ja, wenn wir eine Madam aus ihm machen könnten! mich deucht, die Weiber würden nicht viel dabei verlieren. Es giebt fast nur eine Art, wie der Dich außerdem herbringen könnte, an seiner Hand nehmlich, er ist jetzt ein Mann, der einen Dienst und ein Vermögen hat, alle Tage zu akzeptiren, und ich bitte Dich, wenn er es Dir etwa zu Füßen legt, sey kein Närrchen und heb es auf. Ich habe es ihm schon letzthin gesagt, er sollte uns nur eine liebenswürdige Gothanerin mitbringen; der Akzent auf dem Wort war eben nicht schmeichelhaft für die andern, er schwieg indeß stockstill darauf, und ich muß Dir sagen, ich fürchte fast, er holt nicht einmal einen Auftrag von mir ab, indem Schelling ihn nie wieder besucht hat zufälligerweise.

Der Ernst übrigens von meinem Spaß ist der: Du bist mir jede Stunde willkommen, wo Du kommt, welches ich deswegen bestimmt will erklären, damit Du nicht anstehst zu jeder Zeit und Stunde einen schnellen Entschluß bei einer sich darbietenden Gelegenheit zu fassen. Ich habe der Mutter schon oft geschrieben, daß ich nur deswegen keine von euch zu mir einlade, weil unsre eigne hiesige Lage noch nicht danach war, dann auch, weil wir immer auf dem Sprung einer weitern Reise stehn. Ich mußte im Frühjahr hoffen, daß diese im Lauf des Jahrs zu stande kame. Schelling hat aber Arbeiten, die er vollenden muß, ehe er München verläßt, und ich weiß wahrlich nicht, wie lange es noch damit dauern kann. Da Du hier unter Landsleuten bist, so ist es nicht zu unbescheiden vorgeschlagen, wenn ich sage, Du sollst Dich weiter nicht an jenen Umstand kehren. Kommt Zeit, kommt Rath. Man kann voraussehn, daß noch oft hin und her kutschirt werden wird. Schlichtegroll hat seine Söhne noch in Gotha, Jakobs sein Herz usw. Die Niethammer war noch diesen Sommer in eurer Gegend. – Ich wollte, wir hätten es schon lange hierauf und auf tausend andre Möglichkeiten hin gewagt, denn die Zeit vergeht in der Welt, und mit wäre schon lange gar gut gewesen noch jemand um mich zu haben, der mir lieb wäre. Zwar ist alles gut, wie es ist, denn Du hättest durch eine frühere Reise zu mir die nach dem Karlsbade eingebüßt, was ein Verlust auf alle Zeiten hin für Dich gewesen wäre. Setze Dirs jetzt nur ernstlich in den Kopf, daß Du zu mir kommen willst, so wird es schon gehn. Bisher hatte ich auch unter andern noch keinen Raum zum beherbergen, in meiner nächsten Wohnung wird es aber der Fall seyn.

Wir haben selbvierte eine allerliebste Reise in die bayerischen Gebürge und Seen im August gemacht; München liegt in der schlechtesten Gegend von Bayern, jene Gegenden aber übertreffen, an Seltsamkeit und Freundlichkeit zugleich, alles, was ich noch von Gebirgen sah.

Unser Rumohr ist uns durchgegangen, seit 2 Monat ist er abwesend und giebt keine Kunde von sich, nur aus Kölln erscholl, daß dergleichen kunstliebende Baron dort sich blicken läßt. Es ist immer Schade um ihn, daß er so gar unvernünftig, langweilig und Policinellenhaft ist, denn Einen Sinn hat ihm der Himmel gegeben, eben den für die Kunst, wo er reich an den feinsten, zugleich sinnlichsten Wahrnehmungen ist. Der Freßsinn ist eben so vortreflich bei ihm ausgebildet, es läßt sich gar nichts gegen seine Ansicht der Küche sagen, nur ist es abscheulich einen Menschen über einen Seekrebs eben so innig reden zu hören wie über einen kleinen Jesus.

Endlich ist aus Rom ein Maler angelangt, von dem sich sprechen läßt; es ist Wagner, aus Würzburg gebürtig; er hat ein großes Gemälde mitgebracht, den Rath der Griechen vorstellend im Anfang des 10ten Gesangs der Ilias. Dergleichen kühne, dabei streng und bescheiden gehaltne Komposition hat unser Zeitalter eben noch nicht gesehn.

Fr. von Stael war willens nach Schlegels letzten Briefen aus Copet den Winter hier zuzubringen, nur die Möglichkeit eines Krieges kann es verhindern, welche Möglichkeit denn freilich nach Napoleons letzter Botschaft an den Senat von von neuem besteht.

Jakob ist mit seinen zweif ältesten Söhnen nach der Schweiz gereiset, um sie da, vielleicht in Genf, unterzubringen, indem er hier nichts mit ihnen anzufangen weiß; sie wollen sich nicht zum gelehrt werden bequemen, und es ist in der That eine etwas unbändige Natur in den Knaben. Der dritte kommt ins Cadetten Haus. Die Marie leidet an ihrem Knie und hinkt. Die gute Frau ist, glaublich, wieder schwanger. Jakobs kann sich durchaus nicht an München gewöhnen, und ich weiß nicht, den Schlichtegrolls ist auch nicht mehr so rosenfarb wie anfangs zu Sinn. Glaubet aber nur, das liegt an ihnen!

Ich habe wohl gefürchtet, daß Michaelis nicht kommen würde, es fehlt wahrscheinlich an den Diäten für eine solche Reise.

Den Wiebeking läßt man aber jetzt mit gewaltigen Diäten nach Kassel kommen um einige Flüsse zu vermählen. Für die Oceaniden, seine Fräuleins, obschon sie reich, wohlgebildet und wohlerzogen zu nennen, zeigt sich noch keine Vermählung. Ach es ist eine böse Zeit, liebe Pauline Laß Dichs nicht anfechten, behaltet mich lieb und schreibt mir bald. Adressirt künftig die Briefe an Herrn Direktor Schelling und frankirt sie alsdann gar nicht; das gemeine Wesen muß sie bezahlen.

Lebt recht wohl, wobe ich einer jeden insbesondre gedenke, sie mir vergegenwärtige und in mein Herz schließe. Nicht vergessen ist mir auch die Güte, welche nun ruhet.