Caroline von Schelling, Band 2


An Pauline Gotter.

München d. 23 Nov. 1808.

Aus Deinem letzten Brief, liebe Pauline, habe ich wohl abnehmen können, daß Dir alle Pracht der Kaiser und Könige das Herz nicht so gerührt hat wie die Prachtausgabe des Schäfers Aminta, welches ich auch billig finde. Aber darinn hast Du Deine Abkunft ein wenig verläugnet, daß Du mir nicht ein Wort über das Spiel der französischen Schauspieler sagt. Kann Gotters Tochter den Talma und die Duchenois mit Stillschweigen übergehn? Fast sollte man denken, es sey gefährlich gewesen ein Urtheil über diese Helden einem Briefe anzuvertraun – den ZB. zu finden, daß sie abscheulich laut geschrien und convulsivisch sich gebährdet haben, könnte wohl auf ein crime de leze Majesté hinauslaufen, aber hast Du Dir doch herausgenommen von dem parterre de rois zu sprechen – also kann ich am Ende vermuthen, Du habest eben durch das Schweigen nur jene ungebürliche Lautheit zu verstehn gegeben. Recht sehr hat mich gefreut, einmal daß ihr alle dort gewesen seyd und das doppelte Schauspiel gesehn habt, dann daß Dir unser König am besten gefallen. Ich habe ihn auch redlich am liebsten unter allen jetzt lebenden, und lieber Himmel, hätte mans nur recht gewußt, Du hättest mit der Gelegenheit schon mitkommen können, wodurch sich der König ein neues Verdienst erworben hätte. Es war ein Oberpostmeister bei der Suite, den wir gut kennen, aber nicht oft sehen, so daß ich es zu spät erfuhr. Und wie so gar lieb wäre mir eben diesen Winter, wenn Du bei uns seyn könntest. Auch Dir würde es nicht misfallen. Statt der großen Spectacle hätten wir hier ein kleines, aber exquisites, Tiek nämlich, der Lustspiele vorließt und uns schon manchen Abend in die Täuschung versetzt hat, als säßen wir vor einer Bühne, auf der alle Rollen aufs auserlesenste besetzt wären. Schon ehemals las er gut, aber es ist jetzt das Beste, was man in der Art genießen kann, und eigentlich etwas ganz einziges. Er macht die Stücke erst, indem er sie so lieset. Seit 4 oder 5 Wochen ist er hier nebst seiner Schwester, beide von Wien kommend. Auf seiner Rückreise nach Preußen wird er vermuthlich durch Gotha kommen; er wartet hier die Ankunft seines Bruders ab, der in Coppet damit beschäftigt ist Fr. v. Stael zu – nun zu büstiren, und dann über München wieder mit seiner Schwester nach Italien gehn will. Diese Leute sind beständig unterwegens, auch die andern guten Freunde leben ein nomadisches Leben, wogegen wir ganz immobil sind, aber das Vergnügen haben, daß sie oft vor uns vorbey passiren, sich auch wohl niederlassen, wo sie einen so festen Kern, wie wir sind, finden. Du solst sehen, es wird sich bald alles nach München ziehen wie sonst nach Jena, bis es sich denn auch von hier wieder in alle Welt zerstreut. Unser Barone ist uns schon abhanden gekommen. Er hat sich und uns so ennuyirt, daß er plötzlich einmal aufbrach, seinen Bedienten ließ er zurück und Monate lang ohne Geld und Nachricht, bis er endlich von der böhmischen Gränze mit kläglichen Händeringen um einen Paß ins Österreichische schrieb. Er soll sich etwas kindisch und bubenmäßig unterwegens an öffentlichen Örtern betragen haben, so daß er Verdacht erregte, verfolgt wurde. – Habt ihr nichts dergleichen gehört? Um die Zeit, wie ich Dir zuletzt schrieb, war ein anderer Barone hier, der mir gleichfalls zu den unseligen zu gehören schien, einer, der sich Piehl nannte und Seckendorf hieß, ein Schwager, glaub ich, von Deiner Freundinn, ein Mensch, der auch ganz im Dunkeln über seine Bestimmung und sein Talent ist, indem er sich der Poesie und dem Theater widmen will. Er machte hier Versuche placirt zu werden, die nicht gelingen konnten, und ging dann nach Wien, wo es aber auch nicht gelingt, und wie könnte es, denn selbst dem elenden Handwerk des Deklamirens ist er nicht gewachsen.

Nachdem der große Wasserbaumeister wieder gekommen, sind wir bei Wiebekings zu einer großen Wasser – nämlich Theeparthie geladen worden – ich habe ihnen dafür eine Fete gegeben, wo mehr das Element des Feuers herrschte, wo Tiek nämlich vorlass. Darauf hat nun Frl. Fanny auch Feuer gefangen und sich in ihn verliebt, stell Dir das Unglück vor! Dafür lieber in den alten Herrn – wie Du.

Bey Wiebekings hab ich so vortreffliche gothaische Schafwolle gesehen, daß ich euch bitten möchte mit 2 U dergleichen zu schicken. Unsere Schafe sind zu dumm um solche Wolle zu haben, man hat uns aus Spanien welche schicken wollen, und war bereits der Gesandte ernannt, der sie herführen sollte, als der Krieg einbrach, und jetzt bekommt der König von England unsre Merinos! Es ist mein Ernst, daß ich gern von Euren Merinos Wolle haben möchte...

Grüße die gute Mutter und Schwestern, schreibe mit recht bald wieder.