Schelling kündigt mir eben an, daß er Ihrem Herrn Gemahl schreibt, und ich komme also in aller Eile dazu einen lang gehegten Vorsaz auszuführen, indem ich die Gelegenheit auf der Stelle ergreife, um mich mit Ihnen, liebe Fromman, über unser Leben und Streben zu besprechen. Gries, den ich Ihnen als einen lebendigen Brief zusandte, wird vorläufig erzählt haben, was er wohl oder übel von uns vernommen hat. Er ist seiner alten Heimath zugewandert, seinem ehemaligen Zimmer sogar, möchte ihm wieder so wohl dort werden können, wie ihm war, oder die Geduld seiner Freunde es ihn vergessen machen, daß er nicht ist, was er war. Klingern, den Sie uns empfehlen und der sich auch selbst empfielt, traf er hier an. Überhaupt war es ein Zeitpunkt, wo alte und neue Bekannte nach einander auftraten und wo die weite Welt einem ganz enge und traulich vorkommt, weil man von allen Seiten wieder sieht, was in die Ferne verschwunden schien. Es läßt sich überhaupt dazu an, als würde sich hier ein Sammelplaz bilden, wie Jena war; eine Menge Faden laufen hier wieder zusammen, theils sind sie wirklich schon angeknüpft, theils sehen wir nur kommen. An wohlbekannten Gesichtern fehlt es schon seit einiger Zeit nicht. Jetzt sind wir nun so weit, daß Tiek manchen schönen Abend wieder vorlieset, eine Gabe, die er so ausgebildet hat, daß er wirklich einen ganz einzigen Genuß dadurch gewährt und sich in Einer Person zu einem vollständigen Theater auf und zusammen thut. Er ist übrigens noch der alte; die Anmuth seiner Sitten hat sich nur mit einer gereiften Würde vermählt, die aber absonderlich ihren Sitz in etwas von der Gicht gesteiften Beinen genommen hat. Von neuen Hervorbringungen ist wenig die Rede, doch hat er manches angefangen und viel projektirt, das jedoch nicht neu durch neuen Schwung des Geistes seyn mag. Seine Schwester ist auch hier, und der Bildhauer wird sich nächstens von Coppet aus einfinden, wo er Frau von Stael in eine Bildsäule verwandelt, was in Anbetracht ihrer großen Beweglichkeit nicht für ein kleines Wunder zu halten ist. Es scheint, als wenn wir diese Gäste den Winter über behalten werden, obschon Tiek, den wir am liebsten behielten, von früherer Rückkehr spricht, die ihn über Jena führen wird.
Unser Baron ist uns, wie Sie von seiner Schwester wissen werden, seit mehreren Monaten abhanden gekommen. Er fing uns und sich selbst decidirt zu ennuyiren an, daß er plötzlich ein Bündel zusammen machte und mit Zurücklassung seiner Effekten und Bedienten an den Rhein wandelte, nach Kölln, wo er den Dom nicht sah, ins Siebengebürge, wo er mehr sprach, wie gut war, und endlich schrieb er von der böhmischen Gränze in kläglichen Ausdrücken um einen Paß und seinen Bedienten, die ihn beide, wie ich vermuthe, zu rechter Zeit erreicht haben. Wir wissen seitdem nichts von ihm, glauben aber, dieser Baron hätte wohl gethan sich ganz still auf seinen Gütern zu halten. Wenn er auch nie das Glöckchen des Eremiten und Waldbruders dort hätte läuten hören, so wäre ihm dafür das liebliche Geläute des schwerwandelnden Hornviehs ersprießlicher gewesen. Der Mensch ist gar nicht zu einer Bestimmung oder Arbeit zu bringen, durch die er sich zu etwas machte. Schelling hat sich alle Mühe deßhalb mit ihm gegeben, allein er hält nicht drei Tage Stich und zergeht dann wieder nach allen Seiten hin, welches am Ende auch der Fall mit seinem Vermögen seyn wird. Wenn er nach Wien gegangen ist, so hat er sicher darauf gerechnet Tiek noch zu treffen, der in der nehmlichen Zeit hier ankam. Wir wünschen, daß er dort nichts Thörichtes beginnen möge.
Daß Sie, liebe Fromman, sich jetzt ganz im Schooß Ihrer Familie befinden, habe ich zuerst von ihm vernommen. Wie glücklich ist der, der in dieser zerstükten Welt und Lage der Dinge ein solches Häuflein um sich zu versammeln hat.
Sie haben sich in dieser letzten Zeit auch ganz nahe am Mittelpunkt der Erde befunden und ich zweifle nicht, daß Sie die großen Schauspieler, die in Erfurt versammelt waren, selbst sahen, sowohl die Helden, als die, welche die Helden spielen – Möchten Sie mir doch darüber etwas mittheilen wollen. Es dünkt mich, als wenn der Talma fast mit eben so viel Furcht, ein crime de leze Majesté begehn zu können, beurtheilt würde, als wenn es der Gebieter selbst wäre.
Sie wissen vielleicht, daß Hegel in Nürnberg als Rektor des Gymnasiums placirt ist. Grüßen Sie Oken von uns; es freut mich, daß er an Ihnen Freunde gefunden hat, die er in den Winterabenden mit seinem Laternchen in der Hand aufsuchen kann, wie er zu uns in Würzburg auch liebes mal in Zimmer getreten ist.
Leben Sie recht wohl und versäumen Sie nicht zuweilen unsrer zu gedenken und uns auch dessen zu versichern.